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"Musste viel Abfahrt fahren, obwohl ich Techniker war"

Alexander Khoroshilov fährt ins Ziel. Erster Weltcup-Sieg mit 1,44 Sekunden Vorsprung. Und das beim Nightrace in Schladming. Anstatt an die Decke zu gehen ballt er nur seine Faust und zuckt mit den Schultern.

„Ich habe viele Emotionen, aber das spielt sich in mir drinnen ab“, gibt der Russe bei LAOLA1 einen Eindruck in seine Gefühlswelt.

Dennoch eine eher zurückhaltende Art, den ersten Erfolg nach über zehn Jahren im Weltcup zu bejubeln. Felix Neureuther wäre an seiner Stelle laut eigener Aussage ausgerastet: „Hätte ich in Schladming meinen ersten Weltcup-Sieg mit so einem großen Vorsprung gefeiert, wäre ich nackt durch den Zielraum gelaufen.“

Nicht so Khoroshilov. Das ausgelassene Jubeln sei einfach nicht seine Art, dennoch merkt man im Gespräch, dass er sehr wohl eine lustige Seite hat. Als ein Radio-Reporter ihn auffordert, auf russisch ins Mikrofon zu sprechen, deutet der Premierensieger auf das T-Shirt mit einer halbnackten Frau als Motiv und antwortet mit einem Lachen: „Das fällt mir im Moment sehr schwer, weil ich auf dein T-Shirt schauen muss.“

Emotional, aber nicht nervös

Gefühlskalt zeigt er sich nur, wenn es um Nervosität geht. Bereits nach dem ersten Durchgang sagte er seelenruhig, dass er nicht nervös sei. Dies stellt er im zweiten Lauf eindrucksvoll unter Beweis.

„Ich habe jetzt ein Baby, sie ist acht Monate alt. Dieses Jahr fühle ich mich ruhiger und ausgeglichener“, nennt er einen möglichen Grund.

Die anstehende WM in Beaver Creek mache ihn aber schon nachdenklich. „Ich habe nun natürlich große Erwartungen. Je größer die Erwartungen sind, desto größer ist die Nervosität. Ich werde jetzt nach Hause fahren, um den Kopf frei zu bekommen.“

Die Khoroshilov-Story

Doch drehen wir die Zeit zurück. Im Dezember 2004 startete der Russe erstmals im Weltcup. Bei seinem Debüt in Gröden kam er im Super-G nicht über Rang 53 hinaus. Es folgten viele Jahre, in denen er als „Exot“ galt.

Kein Groll wegen Sotschi

Dass der Erfolg ausgerechnet ein Jahr nach den Olympischen Spielen in Sotschi kommt, ärgere ihn nicht. „Ich denke nicht mehr daran, es ist zu spät. Aber direkt nach den Olympischen Spielen war ich sehr enttäuscht.“

„Ich habe dort auch viel gelernt“, will er das Großereignis, in dem er im Slalom Platz 14 belegte, nicht in negativer Erinnerung behalten.

Er habe im Sommer noch härter geschuftet, als je zuvor. „Wir haben viel gearbeitet, jetzt habe ich mehr Kraft, das hilft. Letztes Jahr konnte ich in Schladming die letzten 15 Tore nicht mehr richtig fahren, weil ich so müde war.“

„Es ist nicht nur mein Erfolg. Wir haben dieses Jahr viele junge Läufer und pushen uns gegenseitig. Man kann sie jetzt noch nicht sehen, sie sind noch im Europacup, aber sie sind wirklich schnell“, will er nicht die ganzen Lorbeeren einheimsen.

Typisch für den bodenständigen Russen. Khoroshilov lässt eben lieber Taten auf der Piste, als Worte sprechen.

 

Matthias Nemetz

Er selbst wusste schon immer, dass dabei sein nicht alles ist. „Ich hatte immer wieder gute Trainingsläufe, konnte es aber nicht im Rennen umsetzen. Ich hatte auch immer gute Abschnittszeiten, aber insgesamt hat es nie gepasst“, blickt er zurück.

Der Sohn eines Leichtathleten wurde bereits in jungen Jahren mit dem Ski-Virus infiziert. In seiner Heimat-Region Kamtschatka sei Ski fahren damals äußert populär gewesen.

„Musste viel Abfahrt fahren, obwohl ich Techniker war“

Ein Grund, warum die Resultate zu Beginn nicht stimmten, war die Tatsache, dass aus ihm etwas gemacht wurde, das er nicht war. „Ich musste viel Abfahrt fahren, obwohl ich Techniker war. Dann habe ich mit der Super-Kombi angefangen, erst vor vier Jahren haben wir beschlossen, dass ich mich auf den Slalom spezialisiere.“

Die Umstellung fruchtete. Ab der Saison 2011/12 wurde er zum konstanten Top-30-Fahrer, der immer seine Punkte sammelte. Heuer gelang schließlich der große Durchbruch.

In sämtlichen Saison-Slaloms landete der begeisterte Schach-Spieler in den Top 10. In Kitzbühel lag er nach dem ersten Lauf gar auf Rang zwei, fiel aber an die sechste Stelle zurück.

In Schladming war es schließlich so weit. Mit beeindruckenden Vorstellungen, die sogar Marcel Hirscher und Felix Neureuther zum Staunen brachten, holte er seinen ersten Sieg.