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Schröcksnadel: "Sie war meine Lieblingsläuferin"

Schröcksnadel:

Die nächste Grande Dame sagt „Adieu“.

Nach Nicole Hosp, Andrea Fischbacher, Regina Sterz, Alexandra Daum und Marlies Schild im Vorjahr beendet auch Kathrin Zettel ihrer Laufbahn.

„Ich hatte zahlreiche emotionale Momente in meiner Karriere. Es waren elf Jahre mit viel Freude, unglaublichen Höhenflügen und großartigen Zeiten. Zum Schluss hin aber auch mit schweren und harten Momenten, die mit viel Schmerzen verbunden waren. Das ist der Grund, warum ich sagen muss, dass es nicht mehr geht“, begründet die Niederösterreicherin ihren Schritt.

ÖSV-Sportdirektor Hans Pum zeigt ob der großen körperlichen Verschleißerscheinungen Verständnis für den Schritt der 28-Jährigen, blickt aber auch wehmütig auf vergangene Zeiten zurück: „Ich muss mit den Damen nach den vielen Rücktritten ein ernstes Wort reden, sie machen meine Haare nicht weniger grau. Marlies Schild, Andrea Fischbacher, Nicole Hosp haben gemeinsam 61 Weltcupsiege erreicht, das zeigt, welche Leistungsträgerinnen uns in den letzten zwei Jahren verlassen haben.“

Schröcksnadel: „Meine Lieblingsläuferin“

„Kathrin ist bei mehr als der Hälfte ihrer Rennen in die Top 10 gefahren. Daran sieht man schon, dass man sich immer auf sie verlassen konnte. Sie ist eigentlich viel zu jung, um eine Skikarriere zu beenden. In den letzten Jahren musste sie aber wie eine Löwin kämpfen – nicht mit anderen Läuferinnen, sondern gegen die Schmerzen und den eigenen Körper“, so seine Lobeshymne auf die Göstlingerin.

Auch ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel verabschiedete Zettel bei der Pressekonferenz: „Ich möchte mich persönlich bei Kathrin bedanken. Sie war meine Lieblingsrennläuferin, das habe ich immer gesagt. Es ist sehr schade, dass sie aufhören muss.“

Sein Faux-Pas, als er im Verbands-Magazin "Ski Austria" bereits im Juni den Rücktritt seines Lieblings publik machte, sei beabsichtigt gewesen: „Ich weiß, dass zu früh veröffentlich wurde, dass sie aufhören will. Ich habe gehofft, dass sie sich noch anders entscheidet und doch nicht aufhört. Sie ist ein großartiger Mensch und eine tolle Rennläuferin.“

Währenddessen stand die frischgebackene Ski-Pensionistin zu Tränen gerührt am Podium. Warum sie letzte Saison keine zwei Durchgänge schmerzfrei fahren konnte, sie sich eine Zukunft als Trainerin nicht vorstellen kann und ihren eigenen „Horror-Sturz“ oft auf Video ansah:

KATHRIN ZETTEL…

… ÜBER DIE GRÜNDE FÜR DAS KARRIEREENDE: Die Probleme sind von Jahr zu Jahr größer geworden. Nach der Hüft-Arthroskopie letzten Sommer habe ich mich zu einem großen Teil erholt und hatte eine großartige Zeit. Bis Jänner war alles gut, dann sind die Schmerzen wieder zurückgekommen. Die Überlastungserscheinungen in der Hüfte sind so stark, dass ich im März keine zwei Durchgänge ausgehalten habe. Ich habe keine Kraft mehr. In den vier Monaten, die seit dem Weltcupfinale vergangen sind, habe ich versucht, mich zu erholen. Ich wollte die Schmerzen eindämmen und in den Griff bekommen. Es ist zwar zu einem großen Teil gelungen, aber nicht zu hundert Prozent. Das war der Grund, warum ich mich für das Karriereende entschieden habe. Ich hatte eine großartige Zeit im Weltcup, die ich nicht missen möchte. Ich habe mich stark weiterentwickelt, durfte viel sehen und erleben. Es ist jetzt aber an der Zeit – unter diesen Umständen geht es im Skisport nicht mehr.

Zettel konnte sich die Tränen nicht zurückhalten

… OB SIE IM WINTER AUF SKIURLAUB ODER IN DEN SÜDEN FÄHRT: Ich denke, es wird eher Sommerurlaub. Skifahren funktioniert nach wie vor nicht so gut. Vielleicht wird es aber in Zukunft besser.

… ÜBER DEN ABSCHIED VON IHREN TEAMKOLLEGINNEN: Wir hatten in letzter Zeit nicht so viel Kontakt. Mit „Fischi“ (Andrea Fischbacher/Anm.) und Niki (Hosp/Anm.) habe ich mich etwas koordiniert, um es so zu sagen. Ich blicke wehmütig auf die Gruppe, weil viele aufhören. Ich kann alle verstehen, weil jede einen guten Grund hat. Ich wünsche meinen anderen Kolleginnen, die noch dabei sind, viel Gesundheit und drücke ihnen die Daumen.

… ÜBER IHRE NACHFOLGERIN ALS ZUGPFERD IN DEN TECHNISCHEN DISZIPLINEN: Ich habe mich ganz selten als Leithammel gesehen. Ich wurde zwar aufgrund der Verletzungen von Marlies Schild oder Niki Hosp in diese Rolle gedrückt, konnte damit selbst aber nie viel anfangen. Man muss das locker sehen, wir haben einige heiße Eisen im Feuer. Anna (Fenninger/Anm.) steht ganz vorne, Lizz Görgl darf man nie abschreiben und „Kirchi“ (Michaela Kirchgasser/Anm.) ist auch immer für schnelle Schwünge gut. Ich hoffe, dass unsere Youngsters schnell nach vorne kommen, dann habe wir sicher wieder viele Erfolge.

 

Aufgezeichnet von Matthias Nemetz

… ÜBER DIE AUSWIRKUNGEN DER SCHMERZEN AUF DIE PSYCHE: Der Großteil ist auf die körperlichen Probleme zurückzuführen. Über die Jahre, wenn die Schmerzen immer größer werden, wird es auch mental immer schwerer. Ich konnte das letzte Rennen in Meribel nicht mehr fahren, weil es von den Schmerzen her unmöglich war. Die letzten Rennen waren eine Katastrophe. Im ersten Durchgang ging es gut, im zweiten waren die Kraft und die Koordination aber weg. Ich konnte dem Druck eines Schwunges nicht mehr standhalten – das war für mich das Schlimmste.

… OB DIE ERLEICHTERUNG ODER DIE WEHMUT ÜBERWIEGT: Ich würde sagen, dass die Erleichterung größer ist. Ich habe – speziell nach der letzten Saison – gemerkt, dass es nicht mehr geht. Ich habe mir trotzdem Zeit gelassen, um die Entscheidung durchzudenken. Leider hat sich mein Gesundheitszustand nicht stabilisiert.

… ÜBER DEN KNACKPUNKT IM JÄNNER: Ich habe mich letzten Sommer aus Verzweiflung dazu entschieden, die Hüft-Arthroskopie durchführen zu lassen. Danach habe ich eine geniale Zeit erlebt, hatte richtig viel Spaß und Erfolg. So gut war es seit Jahren nicht mehr. Leider hat es sich gewendet, das ging ziemlich schnell. Das war ein harter Moment.

… ÜBER DEN GENAUEN ZEITPUNKT, ALS DAS KARRIEREENDE FIXIERT WURDE: Ich habe mir im Sommer bewusst viel Zeit gelassen. Ich habe gehofft, dass die Zeit alle Wunden heilt und sich positiv auf meine Hüfte auswirkt. Ich habe verschiedenste Therapien und Behandlungsmethoden ausprobiert – leider hatte ich bei höheren Belastungen immer wieder Schmerzen. Es ist noch nicht lange her, dass ich entscheiden habe, es geht nicht mehr.

… ÜBER DIE GEFÜHLSWELT IM SOMMER: Es war sehr, sehr schwierig. Ich hatte richtig starke Schmerzen, nach dem Weltcupfinale haben sie lange angehalten. Ich habe dann alles versucht, es hat aber nie zu hundert Prozent gepasst.

… ÜBER MÖGLICHE FOLGESCHÄDEN FÜR DEN ALLTAG: Davon gehe ich nicht aus. Man muss dazusagen, dass mein Hüftgelenk an sich absolut in Ordnung ist. Mit dem Knochen und dem Knorpel ist alles gut. Es geht rein um die Muskeln und Sehnen rund um das Gelenk, die die hohe Belastung einer Saison nicht mehr aushalten.

… ÜBER IHRE ZUKUNFTSPLÄNE: Es ist eine total neue Situation. Ich habe dem Skisport viel Zeit gewidmet, seit meinem 13. Lebensjahr gibt es nichts anderes. Ich musste immer dranbleiben, jetzt werde ich die Zeit genießen. Ich will alles machen, was vorher nicht möglich war. Wir bauen uns im Moment ein schönes Haus, da ist auch viel zu tun. Ich werde mich nach einem Job umsehen, in welche Richtung es geht, weiß ich noch nicht. Ich will aber arbeiten.

… ÜBER EINE MÖGLICHE ZUKUNFT ALS TRAINERIN: Das ist für mich nicht denkbar. Ich möchte sesshaft werden, das Haus steht bald. Ich war sehr viel unterwegs und durfte die Welt sehen. In dieser Zeit habe ich viel aus dem Koffer gelebt. Ich habe das gerne gemacht, aber jetzt ist der Zeitpunkt erreicht, wo ich das nicht mehr will. Irgendwann steht außerdem sicher eine Familie am Plan.

… ÜBER DIE ZUKUNFT DES KLEINEN ÖSV-DAMEN-TEAMS: Ich denke nicht, dass es ein Problem geben wird. Die Jungen sind hochmotiviert, stehen an der Tür und klopfen an. In Göstling wartet schon die nächste Fahrerin, die Gas geben will. Es gab auch früher Ups und Downs, es geht also bestimmt wieder bergauf.

… ÜBER DEN SCHÖNSTEN MOMENT IHRER KARRIERE: Wahrscheinlich nach wie vor die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Sotschi, die mir unter harten Umständen gelungen ist. Die Erinnerung daran rührt mich nach wie vor zu Tränen. Es war ein sehr hartes Rennen (Zettels Großmutter verstarb kurz zuvor/Anm.), aber gleichzeitig unglaublich schön, die Medaille zu gewinnen.

… ÜBER IHREN HORRORSTURZ IN TARVIS 2007: Das ist schon sehr lange her. Ich habe ihn mir oft auf Video angesehen, mittlerweile sage ich fast, es musste sein. Ich war noch sehr jung und unerfahren, was das Rennfahren betrifft. Solche Stürze gehören dazu, in diesem Business muss man hart kämpfen.