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"Im Fördersystem stimmt einiges nicht"

… Toni Gigers „Fotoshooting“:

Dass er dort oben stand – ja mei. Er hat nichts fotografiert, was nicht erlaubt war. Ich war extra oben am Turm und habe mir das angesehen. Er hat Tourismus-Fotos gemacht. Was soll er da von hinten fotografieren? Da haben wir viel bessere Aufnahmen vom Fernsehen. Das ist doch alles Unsinn. Wir machen das groß und blasen das raus. Wenn nichts los ist, dann werden halt Gschichtln gemacht. Ich bin lange dabei, damit kann ich leben. Die Skispringer haben sich aber leider unter Wert verkauft, das ist schade.

 

… zahlreiche auslaufende Trainerverträge:

Das diskutieren wir, wenn wir zuhause sind. Es sind sicher in einigen Bereichen Notwendigkeiten da, etwas zu verändern. Die größte Enttäuschung waren für mich die neuen Sportarten. Du hast Riesenchancen, dort zwei, drei Medaillen zu machen – null Problem! Wenn ich aber nach 50 Metern 10 Meter hinten bin und dann redest du mit denen … dann gehe ich rein, ich will jetzt nicht sagen, welche Athleten das waren, aber ich habe mir das Service angesehen. Die Kanten habe ich nachgerichtet – kein Schmäh! So kann man nicht fahren.

 

… über mangelnde Professionalität:

Wenn wir als ÖSV gewisse Sportarten weiter betreuen, was wir wollen, muss eine Professionalität einkehren, die jetzt nicht da ist. Du kannst durch ein paar Hundertstel Gold holen oder Vierter werden – das ist ein Rahmen, in dem ich sehe, da ist Leistung da. Sie ist aber nicht mehr da, wenn die Athleten super sind, das Umfeld aber nicht passt. Da müssen wir in den neuen Sportarten schauen, dass sie die entsprechenden Voraussetzungen haben.

 

… Versäumnisse des Verbandes:

Das ist nicht verbandsseitig. Bei den Snowboardern kommt man drauf, die haben drei Boards. Die dürfen wir als Verband gar nicht anrühren. Da war ein Wachs drauf, aber mehr nicht. Das geht so nicht. Da muss sich die Struktur ändern, da muss man halt zehn oder 20 Boards hier haben, die auf die jeweiligen Schneeverhältnisse angepasst sind. Entweder wir machen eine Gaudi-Party oder einen Sport. Das sind aber keine Versäumnisse des Verbandes in diesem Fall. Das haben wir jetzt erst gesehen, wie das bei Großereignissen läuft. Bei Weltcups läuft es ja ganz gut. Man hat bei den Boardern gesehen, wenn da ein paar Löcher (in der Piste) sind, erfahren sie es nicht mehr.

Die Olympischen Spiele sind noch nicht vorbei, das ÖOC zieht aber schon eine Bilanz.

Zehn Medaillen stehen vor den letzten Bewerbstagen auf dem Konto der österreichischen Athleten, im Alpinbereich (Slalom Herren und Damen), im Langlauf, bei den Biathleten und den Snowboardern bestehen gute Chancen auf weiteres Edelmetall.

ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel nahm sich kein Blatt vor den Mund.

Welche Medaille ihm besonders viel bedeutet, welche Sparten er heftig in die Kritik nimmt und was er generell von den Spielen in Sotschi hält.

Peter Schröcksnadel über ... 

… sein Fazit:

Üblicherweise ziehe ich ganz am Schluss Bilanz, weil sich zwischendrin die Ergebnisse schnell ändern können. Grundsätzlich bin ich aber sehr, sehr glücklich über den gestrigen Tag. Da haben wir die 300. Medaille bei Olympischen Spielen gefeiert. Ich war sehr glücklich darüber, dass das die Kombinierer waren, weil das eine ganz, ganz tolle Leistung war. Ich bin auch sehr glücklich, dass wir nach zwölf Jahren wieder die Abfahrts-Goldene gewonnen haben, das war schon die halbe Miete. Wir sind aber nicht überall glücklich. Der Österreichische Skiverband steuert von den zehn Medaillen neun bei. Rundherum ist es - mit Ausnahme der Rodler - aber genauso finster wie im Sommer.

… die Nordischen:

Bei den Springern haben wir uns mehr erwartet, aber sie haben eine Medaille. Die Kombinierer haben eine Medaille gemacht, die Biathleten ebenfalls. Das sind alles Sparten im Skiverband, sie werden alle im ÖSV über die Alpinen und den Sprungbereich querfinanziert. Dafür bekommen wir kaum öffentliche Mittel. Und alle anderen gewinnen nichts. Da stimmt im ganzen Fördersystem in Österreich einiges nicht.

 

… Damen-Skispringen:

Wir haben eine historische Medaille gewonnen, denn es war der erste Bewerb in der Geschichte. Frau Iraschko-Stolz war die Erste, die eine Medaille gewonnen hat und das geht in die Geschichtsbücher ein. Da kann man sicher das nächste Mal überlegen, ob sie die Fahne trägt. Wir haben ja wieder Olympische Spiele, sie ist ja jung.

 

... weitere Medaillenchancen: 

Wir haben noch einige Chancen auf weitere Medaillen bis zum Schluss. Das geht bis zu (Johannes) Dürr, für den ich extra da bleibe, das habe ich ihm versprochen. Auf den zähle ich. Ich hoffe auf die Medaillenränge, aber der kann sogar Gold holen. Wenn er das schaffen sollte, wäre das eine historische Leistung, die es in Österreich noch nie gab. Sie ist auch sonst schon historisch, weil er in der Tour de Ski etwas gewonnen hat, das noch nie einer von uns gewonnen hat. Wir können im Slalom etwas gewinnen, aber wir können auch leer ausgehen. Das hat man im Riesentorlauf gesehen. Wir haben noch gute Chancen im Alpinbereich.

... Baustellen: 

Insgesamt bin ich sehr froh, aber nicht ganz zufrieden. Die Boardercrosser, die Skicrosser, auch die Slopestyler wurden unter Wert geschlagen. Die waren super, leider ist Anna Gasser gestürzt. Wenn man aber nach 50 Metern im Snowboardcross 10 Meter hinten ist, kann man nichts gewinnen. Da muss ich sagen, das ist leider noch eine Partie, die sehr unprofessionell ist. Da müssen wir als Verband schauen, dass mehr Professionalität einkehrt. Das sind letztlich viele Medaillen, die man machen kann. Bei den Snowboardern ist es ähnlich. Wenn ein Karl sieben oder neun Zehntel voraus ist und dann vergeigt er den zweiten Durchgang, dann habe ich keine Freude, muss ich ganz offen sagen. Die Snowboarder haben aber im Slalom noch eine Medaillenchance und ich hoffe, dass wir auch diese Sparte positiv abschließen können.

 

… die neuen Disziplinen an sich:

Snowboard ist ja schon nicht mehr so neu. Sehr neu ist Slopestyle und da bin ich echt happy, dass die olympisch sind. Das ist eine junge Sportart, die die Jungen in den Skisport bringt. Das ist wichtig, dass uns die im Winter erhalten bleiben. Das sind auch ganz coole Burschen. Da geht in den nächsten Jahren noch einiges.

 

… die Skispringer:

Die Diskussion (um Cheftrainer Alexander Pointner) war insofern Unsinn, da ich selbst involviert war in dieses Thema. Der Stützpunkttrainer (Markus Maurberger) war akkreditiert und hätte jederzeit fliegen können. Warum es diese Diskussion gibt, verstehe ich nicht. Herr Schlierenzauer und Herr Pointner haben gemeinsam beschlossen, ihn nicht mitzunehmen. Warum es dann eine Diskussion gibt, entzieht sich meinen Kenntnissen. Ich bin mit den Skispringern grundsätzlich nicht zufrieden, weil wir eine sehr starke Mannschaft haben. Ob das ein Kofler ist oder andere, die nicht mehr so gut springen, das ist etwas, das ich nicht verstehe. Im Springen geht das leider sehr schnell, wie man sieht. Auch Schlierenzauer hatte es nicht drauf. Da stimmen Kleinigkeiten nicht und dann geht es nicht. Dann kann ich aber nicht dem Trainer oder gewissen Umständen die Schuld geben. Am Schluss haben sie alle zusammengehalten, da war ein Teamgeist da, sonst hätten sie nie um die Medaillen mitspringen können.

… ausgiebige Feiern und deren Grenze:

Die Grenze ist ganz einfach. Von uns gemeinsam war besprochen, um halb eins ist Schluss. Das haben wir gemacht, dann hieß es, es gibt ein Party-Verbot. Ich bin der Meinung, dass jeder Athlet, der noch einen Bewerb hat, vorsichtig sein muss. Wenn die Bewerbe vorbei sind, dann soll er tun, was er will. Damit habe ich kein Problem, da kann er um sechs Uhr früh heimgehen. Wir sind ja da, um Rennen zu gewinnen, da muss man gewisse Einschränkungen machen.

 

… grundlegende Probleme im Sport:

Der Sport killt sich selbst in dem Moment, in dem er zu kompliziert wird. Darum wird man auch nie über 250 Meter springen. Dann hast du zehn Springer, die 250 Meter springen, dann ist der Sprungsport tot. Da gibt es nur ganz wenige Athleten, die sich das noch trauen. Skicross killt sich nicht selbst. Das ist interessant. Da haut's ein paar raus, das ist eine spannende Geschichte. Man hat keine allzu hohe Geschwindigkeit, trotz der Stürze tut man sich nicht sonderlich oft weh. Das ist interessant.

 

… über fehlende Sportstätten:

Vor dem ÖSV haben wir eine super Eisschnelllauf-Bahn. Es gibt genug Eishallen, in denen du Kunstlaufen und Paartanzen kannst. Es gibt bei uns alles, aber da passiert nichts. Das ist genauso wie im Sommer. Ich kann mich aber nicht immer auf die Infrastruktur rausreden, ich muss zuerst einmal Leistung bringen. Wenn ich Athlet bin, gehe ich nach München. Da ist mir das völlig wurscht, wenn ich etwas werden will. Du musst erst einmal eine Vorleistung bringen. Die bringt aber niemand.

 

… die Infrastruktur im Skisport:

Die gibt es überhaupt nicht mehr. Man kann fast nirgends mehr trainieren und trotzdem geht es. Wir brauchen das, wenn wir gewinnen wollen. Warum kommen die meisten Schnellen aus Kärnten wie Franz und Mayer? Weil wir in Innerkrems eine permanente Rennstrecke haben.

 

… Olympia allgemein:

Wir sind super zufrieden mit den ganzen Bewerben, mit dem Eventbereich und mit den Unterkünften. Das war noch nie so gut wie hier. Ich muss absolut bedauern, dass das im Vorfeld alles so schlecht gemacht wurde. Wir sind in diesem Land Gast und den Gastgeber sollten wir besser behandeln, als wir das gemacht haben. Reisen Sie nach Amerika ein, da werden Sie wie ein Verbrecher behandelt. Da muss man Fingerabdrücke abgeben. Das habe ich mir auch hier erwartet – aber gar nichts war. Die Leute sind auch freundlich. Dass nicht alles fertig geworden ist, ist aber Tatsache. Bei mir ging das heiße Wasser, aber nicht das kalte. Das sind Dinge, die passiert sind. Wenn man sich an denen aufhängt, kann ich alles schlecht machen. Der Rest war sehr, sehr gut, da muss man den Veranstaltern gratulieren.

 

Aus Sotschi berichtet Christoph Nister