Das Bild von Tommie Smith und John Carlos, als sie 1968 bei der Sieger-Ehrung des 200m-Sprints je eine Faust in einem schwarzen Handschuh in den Himmel von Mexiko-City streckten, ging um die Welt. Olympia und „Rassen“-Konflikte – eine schwierige Beziehung, die älter ist, als die Geste der beiden US-Sprinter, die für die nicht unumstrittene US-Bürgerrechtsbewegung „Black Power“ stand.

Ein Wegbereiter für das Duo war George C. Poage, der 1904 bei seinen Heim-Spielen in St. Louis als erster Farbiger überhaupt an Olympia teilnahm. Allerdings wurde gleichzeitig bei der ebenfalls in St. Louis stattfindenden Weltausstellung über „alarmierende Gerüchte über Schnelligkeit, Ausdauer und Kraft der wilden Stämme“ referiert.

Wer meint, dass Coubertin, die Ausführungen verurteilte, der hat nur bedingt recht. Der Franzose beanstandete lediglich, dass die von ihm als „Kulturvölker“ angesehenen Syrer und Türken ebenfalls herabgestuft würden. Eine Anekdote, welche verdeutlicht, dass das Gleichheitsprinzip in der westlichen Welt damals praktisch nicht existierte.

Dass die Olympische Charta dann doch mehr als ein Stück Papier ist, stellte das IOC über ein halbes Jahrhundert später bei weniger großen Ländern unter Beweis. Südafrika wollte in Zeiten der Apartheid ein ausschließlich weißes Aufgebot zu den Spielen 1964 nach Tokio entsenden und wurde ausgeschlossen. Es dauerte fast 30 Jahre, ehe Südafrika 1992 wieder auf der Olympischen Bühne vertreten war.

In der Antike wurden Kriege von Olympischen Spielen unterbrochen. Ein Traum, den auch Coubertin einst hatte. In der Realität war aber leider nur das Gegenteil der Fall. Abseits davon war die Olympia-Bühne ein gern benutztes Werkzeug, um zwischennationale Antipathien auszuleben. Stellvertretend für die schier unzähligen Boykotte sind jene von Moskau 1980 und Los Angeles 1984 zu nennen, in denen sich der „Kalte Krieg“ widerspiegelte.

Die geschichtlich belegte Tatsache, dass bei Olympia die Politik oder andere gesellschaftliche Gruppen den Sport für ihre Zwecke instrumentalisieren, beantwortet freilich nicht die eingangs gestellte moralische Frage, nach deren Legitimation. Letztlich macht der Rückblick aber deutlich, dass eine Wertevermittlung über den Sport ständig geschieht, was zu zwei Fragen führt.

Erstens: Von welcher Qualität sind die vermittelten Werte?

Zweitens: Bleibt sich der Sport selbst treu? Da ein Wertetransfer ständig passiert, kommt es schlussendlich auf den Grad der Einflussnahme an. Um seiner selbst Willen darf Sport jedoch nie zur Nebensache verkommen.

Das bedeutet, dass es einerseits sehr wohl legitim wäre, mit Iraschko-Stolz als Fahnenträgerin im Sinne der Werte unserer Gesellschaft ein Zeichen zu setzen. Andererseits müsste aber gleichzeitig gewährt bleiben, dass der Sport das zentrale Thema bleibt.

Reinhold Pühringer