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Wie Marcel Hirscher das Unmögliche möglich machte

Wie Marcel Hirscher das Unmögliche möglich machte

„Dass es uns so aufgegangen ist, macht es umso schöner.“

Mit Gold spekuliert

Vom Gefühl her fast noch schlimmer als die Fahrt im ersten Durchgang war für Hirscher, durchaus vertraut mit dem Zittern in der Leaderbox, das Warten.

Läufer um Läufer scheiterte an seiner Bestzeit, darunter Leute wie Alexis Pinturault, Felix Neureuther oder Andre Myhrer.

Als nur noch Teamkollege Mario Matt am Start stand und Silber fix war, fiel dem zweifachen Gesamt-Weltcupsieger „ein 200 Kilo schwerer Stein“ vom Herzen.

Als der Tiroler seinen zweiten Verbremser fabrizierte, spekulierte Hirscher kurz mit Gold. „Noch ein Rutscher und es wäre vorbei gewesen.“

Eine runde Geschichte

Aber es sei auch so „eine runde Geschichte“, gratuliert der Zweitplatzierte. „Es sind seine letzten olympischen Spiele, es wird der krönende Abschluss seiner Karriere gewesen sein.“

Kurz, ganz kurz, vielleicht für den Bruchteil einer Sekunde, hatte Hirscher an Gold geglaubt. War ein kleines bisschen enttäuscht, dass es nicht sein wollte.

Doch dann strömte schon Freude durch seinen Körper. „Ich bin einfach nur happy, dass ich das geschafft habe!“

 

Aus Sotschi berichtet Stephan Schwabl

Die Abgesänge auf Marcel Hirscher, nach dem ersten Durchgang des Olympia-Slaloms schon in den Schreibstuben vorbereitet, sind ein Fall für den Mistkübel.

Denn der Salzburger hat das auf den ersten Blick Unmögliche noch möglich gemacht.

Ist von Platz 9 auf 2 und also zu Silber gecarvt. Gewinnt seine erste Medaille bei Olympischen Spielen.

Oder wie er im Vorfeld meinte: „Ein deppertes Metalltrumm!“

Ohne Gegendruck keine Chance

Dass es am Sonntag im Privatjet mit Übergepäck heim geht, hat er drei Dingen zu verdanken.

Dem abendlichen Temperatursturz. „Es ist endlich Winter geworden im 2. Durchgang. Da kann ich das fahren, was ich kann.“

Im ersten Durchgang war der Edeltechniker auf weichem Frühlingsschnee noch chancenlos.

Sein Rückstand auf Olympiasieger Mario Matt, bekanntermaßen Spezialist für genau diese Bedingungen, betrug 1,28 Sekunden.

„Ich kann meine Technik nicht voll ausspielen, wenn ich keinen Gegendruck bekomme.“ Das fühle sich an, als würde man mit einem Patschen fahren, so Hirscher.

Kurssetzung hat Arsch gerettet

Der zweite Grund war die Kurssetzung von Vater Kostelic. Schon nach der Besichtigung schwang der Annaberger mit einem breiten Grinser im Ziel ab.

„Jeder hat geschimpft, aber mir hat es den Arsch gerettet. Ich habe gewusst, dass ich da noch etwas rausholen kann.“

Der Kritik am vor allem im oberen Teil extrem anspruchsvollen Kurs kann der zweifache Gesamt-Weltcupsieger nichts abgewinnen.

„Das traut sich nicht ein jeder. Aber wir sind hier nicht beim Schülerrennen, wir suchen den olympischen Champion.“

All-In ohne großen Pot

Der dritte Grund für Silber war Hirschers Mut zum Risiko.

„Ich konnte zwar nicht viel hineinlegen in den Pot, weil ich nichts hatte. Aber ich bin All-In gegangen“, bediente sich der 24-Jährige dem Poker-Jargon.

Hirscher-Coach Mike Pircher sah es am Pistenrand ähnlich. „Im ersten Lauf habe ich das Risiko vermisst, aber dann hat er alles auf eine Karte gesetzt.“

Mit Köpfchen. „Ohne Hirn geht da runter nix“, so Pircher, der zugibt, zwar gehofft aber nicht daran geglaubt zu haben.