news

Drei Traditions-Franchises, eine Gemeinsamkeit

Drei Traditions-Franchises, eine Gemeinsamkeit

Verkehrte Welt in der National Hockey League!

Etwas über ein Monat geprägt von Überraschungen ist Geschichte. Während das Schlusslicht der Vorsaison, die Edmonton Oilers, kurzweilig gar auf der Spitzenposition thronte, steckt der amtierende Stanley-Cup-Champion tief im Keller.

Nach elf Begegnungen und mickrigen vier Erfolgen befindet sich die Rote Laterne der Eastern Conference bei den Boston Bruins. Für zwei weitere Vertreter der „Original Six“ läuft es nur unwesentlich besser.

Mit einer hartnäckigen Formschwäche schlagen sich ebenso die Montreal Canadiens sowie die Detroit Red Wings herum. Tradition in der Krise – LAOLA1 betreibt Ursachenforschung.

BOSTON BRUINS: 4 (S) - 7 (N) - 0 (OT)

Stanley Cups: 6

Die schier grenzenlose Euphorie des Final-Triumphs über die Vancouver Canucks musste inzwischen einem „Stanley-Cup-Hangover“ weichen. Ein kaum veränderter Roster sollte erstmals seit 13 Jahren die Titelverteidigung verwirklichen, in der aktuellen Verfassung ist selbst eine Teilnahme an den Playoffs fraglich. Bei 82 Partien der Regular Season gleicht dies einer Momentaufnahme, doch erste Tendenzen sind nicht von der Hand zu weisen.

„Es ist definitiv eine Herausforderung. Wir befinden uns in einer Situation, welche die meisten Spieler zuvor nicht kannten. Es gilt, eine Lösung zu finden“, weiß Head Coach Claude Julien. Ein erster Schritt wurde zu Hause gegen die Ottawa Senators gesetzt. Nach drei Niederlagen en suite könnte der 5:3-Sieg einen Befreiungsschlag darstellen. Mittelstürmer Patrice Bergeron betont: „Wir haben uns hier hinein manövriert und können uns nur selbst herausziehen. Die Frustration muss zum Vorteil werden.“

Zuletzt schwächelte insbesondere die in der Vergangenheit hochgepriesene Offensive. Häufig stockte das schnelle Kombinationsspiel durch Abspielfehler und Unkonzentriertheiten im Puck-Handling. Mit 27 Volltreffern belegt man Rang 21. dieser Wertung. Unheil, welches nicht in mangelnder Kreativität begraben liegt sondern in der Kaltschnäuzigkeit. „Wir hatten stets einen guten Start mit Möglichkeiten. Wenn wir jene nicht verwerten, steigt die Ernüchterung“, begründet Brad Marchand auch die Vielzahl unnötiger Strafen – 17,5 Minuten pro Spiel sind die zweitmeisten.

Grund zur Hoffnung gab das Duell mit Ottawa, für eine Ausbeute von fünf Toren benötigte man zuvor ganze drei Spiele. Nach dem schlechtesten Auftakt eines Champs seit 17 Saisonen soll das Feld von hinten aufgerollt werden. „Wenn wir so spielen, kommt das Selbstvertrauen“, ist Betreuer Julien überzeugt. Und Kapitän Zdeno Chara ergänzt: „Ich glaube an das Team!“

MONTREAL CANADIENS:  4 - 5 - 2

Stanley Cups: 24

„Montreal ist eine leidenschaftliche Eishockey-Stadt. In siegreichen Zeiten ist es großartig, das gilt es auch nach Pleiten zu akzeptieren“, kennt Defender Hal Gill die Kehrseite der Hingabe. Dementsprechend panisch reagierten die Canadiens-Anhänger auf den Saisonbeginn. Ein Erfolg in acht Spielen – derartig miserabel startete die Franchise zuletzt im Jahr 1941. Center Tomas Plekanec appellierte an seine Kollegen: „Wir müssen uns gegenseitig unterstützen. Mit den Medien, in Team-Besprechungen oder Video-Analysen zu sprechen, ist keine Lösung. Auf dem Eis gehört das Manko behoben.“

Eine ungewöhnliche Maßnahme des General Managers schien wie eine Initialzündung auf die Spieler zu wirken. Assistant Coach Perry Pearn wurde im Vorfeld der Philadelphia-Partie aus dem Trainerstab gestrichen, Pierre Gauthier informierte seine gebeutelten Schützlinge erst 90 Minuten vor dem Opening-Faceoff darüber. „Ich wollte niemanden für die Talfahrt verantwortlich machen. Als Leader bin ich dafür zuständig, die Cracks in die Gänge zu bringen.“ Die Message des „kurzen Monologes“ dürfte ihre Wirkung nicht verfehlt haben.

Inklusive 5:1-Triumph über die Philadelphia Flyers ging der Stanley-Cup-Rekordsieger seither drei Mal in Serie mit einem breiten Lächeln vom Eis. Damit vervierfachte man die Sieg-Bilanz, auch dank verbesserter Performance im Powerplay. Gleich drei Überzahl-Chancen konnten die Canadiens fortan zu ihren Gunsten nutzen. Das bis dato strauchelnde Special Team -mit sechs Toren und 13,3 Prozent Erfolgsquote nur auf Rang 23. - lag unter anderem im Tätigkeitsbereich Pearns.

Kommende Woche steht der Trend auf dem Prüfstand. Nach fünftägiger Verschnaufpause ist der Tabellen-Elfte im Osten (ab 4. November) unter anderem bei direkten Konkurrenten aus New York (Rangers) und Ottawa gefordert - in vier von fünf Spielen tritt man als Gäste-Team an. In dieser richtungsweisenden Phase erfolgt möglicherweise das ersehnte Comeback des Nummer-eins-Verteidigers Andrei Markov, der sich nach wiederholtem Eingriff am Knie bereits am Sprung in das Mannschafts-Training befindet.

Detroit Red Wings: 5 - 4 - 1

Stanley Cups: 11

Die Zahl fünf ist eine bestimmende in Detroit. Fünf Spiele, fünf Erfolge – zum Saisonstart wurden die Red Wings ihrer traditionell hohen Erwartungshaltung gerecht. Von Zufriedenheit ist mittlerweile keine Spur mehr, es herrscht Ernüchterung ob der zuletzt desolaten Leistungen. Fünf Partien, fünf Niederlagen – die 180-Grad-Wende liegt vor allem in der kaum vorhandenen Offensive begründet. Lediglich ein Mal pro Spiel konnte der Parade-Angriff um Pavel Datsyuk und Co.  während des Negativlaufs zuschlagen. Deutlich zu wenig, das ist dem sportlichen Mastermind Mike Babcock bewusst.

„Wir hatten einen hervorragenden Start, doch sind jetzt lange sieglos. Die Realität ist, dass wir nicht gut genug sind. Wir müssen uns stabilisieren.“ Der Zwölfte der Western Conference weist mit 23 Toren die drittschwächste Bilanz vor. Eine Problematik, welche gegen die Minnesota Wild erneut zutage kam. Trotz 32 Schüssen konnte Schlussmann Josh Harding ausschließlich einmal überwunden werden. Man verpasste es, den Sack zu zumachen. Eine Minute vor dem regulären Ende folgte die Strafe auf dem Fuße – der Ausgleich. Dem nicht genug, kassierten die Red Wings in der Overtime den alles entscheidenden Genickschlag (1:2).

„Wir hatten die Scheibe in der Offensiv-Zone und wollten die Zeit runterspielen. Das haben wir nicht gemacht. Dann springt der Puck von der Bande, wir hätte ihn nur wegschlagen müssen. Wir haben es nicht geschafft und verloren“, moniert Babcock die fehlende Abgebrühtheit seiner Oldie-Truppe. Nicht nur an vorderster Front kamen Defizite zum Vorschein, überdies wurde die Position des Goalies vakant.

Jimmy Howard zählt keineswegs zur Elite seines Fachs, in der Vorsaison hatte der 27-Jährige gerade eine durchschnittliche Save-Percentage (90,8%). Rückkehrer Ty Conklin kam in seiner Karriere nie über die Backup-Rolle hinaus. Auf Detroit warten nun fünf Auswärtsspiele, schenkt man dem bisherigen Verlauf Glauben, also wieder fünf Siege. Dies würde den Ansprüchen der Traditions-Franchise eher gerecht werden.

 

Christoph Köckeis