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Vienna Capitals: Vom Favoriten zum Mittelständler

Vienna Capitals: Vom Favoriten zum Mittelständler

„Die Vienna Capitals werden Meister!“

Zu Saisonbeginn ließ Head Coach Tommy Samuelsson aufhorchen. Mit dem renommierten Schweden sollte Titel Nummer zwei der Vereins-Historie realisiert werden.

Drei Monate später gleicht jene überzeugte Prognose reinster Illusion. Der selbsternannte Anwärter auf die EBEL-Krone strauchelt seit Wochen.

Nach dem 30. Spieltag stecken die Hauptstädter im Mittelfeld fest. Der triste Alltag lautet: Kampf um direkte Playoff-Plätze. Zwei Punkte beträgt der Rückstand auf den rettenden Tabellen-Rang sechs.

Der Trend mit drei Pleiten en suite verspricht nichts Gutes. In Fehervar blamierten sich die siebtplatzierten Caps sogar bis auf die Knochen, sie wurden regelrecht vorgeführt.

Am Sonntag bietet sich die Möglichkeit, bei Olimpija Ljubljana (31. Runde im LIVE-Ticker) die bittere 2:6-Schmach auszumerzen. LAOLA1 nennt im Vorfeld die fünf Problemfelder in Wien Kagran.

  • Die Defensiv-Abstimmung:

Derek Ryan hatte helle Freude am Verhalten der Wiener Hintermannschaft. Fehervars Torjäger vom Dienst stockte sein Konto per Hattrick auf 21 Saison-Treffer auf. Häufig wirkten die Defender einfach zu unentschlossen, waren zögerlich in ihren Aktionen und insbesondere viel zu fehlerhaft. Bereits im dienstägigen Duell mit Tabellenführer Linz (2:5) machten letztlich eklatante Abstimmungs-Patzer den Unterschied.

„Im eigenen Drittel sehe ich das Problem nicht so arg. Verteidiger und Stürmer begehen vor allem in der Offense zu viele Fehler, die zu Breakaways führen. Gegen die Black Wings war es gleich zwei Mal Jon Insana, der tief geht, obwohl hinten nicht abgesichert ist. Wenn man zurück liegt, will man vorne aushelfen. Es muss abgesprochen sein, dass der Stürmer sich zurückfallen lässt. Sonst fangen sie sich Konter ein, bei denen Reinhard Divis alleine steht“, analysiert Sascha Tomanek, Experte bei Servus TV.

Trotz mäßiger Save-Percentage (89,60 %) möchte der einstige Capital das hartnäckige Formtief nicht am 36-jährigen Goalie-Oldie festmachen. „Er hat zwischendurch diese Game-Winning-Saves, nur die kann er nicht von der ersten Minute an liefern.“ Vielmehr darf Samuelsson nicht müde werden, jene Predigten permanent zu wiederholen. Nur so könne man diese „Instinkte“ zum Positiven verändern.

„Der beste Coach hilft nichts, wenn die Vorgaben nicht umgesetzt werden. Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde entscheidest du, ob du tief gehst oder nicht. Das kann vorher noch so häufig erwähnt werden. Wenn das falsch im Kopf ist, bekommt man es schwer heraus.“ Der selbst auferlegte Druck spielt dabei keine wesentlich Rolle: „Erwartungen hat man immer, das ist egal.“

  • Der Faktor Rotter:

„Dieser Verlust ist nach wie vor nicht zu ersetzen“, betont der 36-Jährige hinsichtlich der Kreuzband-Verletzung Rafael Rotters. In der gepriesenen Parade-Linie fehlt der Shootingstar an allen Ecken und Enden. Gemeinsam mit Benoit Gratton sowie Francois Fortier bildete er das wohl unberechenbarste Trio. Im Vorjahr noch die gefährlichste Offensive (208) lässt selbige heuer die nötige Breite vermissen. Der Verletzungs-Teufel trieb dabei sein Unwesen.

„Wenn man den Sommer-Kader hernimmt, waren sie dank neuer Halle, neuem Trainer, einem neuen sicheren Rückhalt und einigen Zugängen Top-Favorit. Jedoch vor den Ausfällen von Chris Harand (hier geht’s zum Interview), Marcel Rodman sowie Rotter. Zudem war damals nicht klar, dass Harald Ofner seine Laufbahn beendet“, betreibt Tomanek Ursachenforschung. All diese Umstände waren der Ursprung einiger personeller Rochaden.

„Die Kärntner Formation mit Philipp Pinter und Daniel Nageler wurde durch Ofners Abgang zerrissen. Jonathan Ferland fehlte zuletzt. Gratton sowie Fortier sind zu wenig. Ersterer ist meines Erachtens in Hochform, Fortier nicht ganz.“ Wer die Rotter-Rolle künftig ausfüllen soll, bleibt ungewiss. Bis dato drängte sich noch kein Akteur auf.

Das Anforderungsprofil ist bekannt: „Es gilt jemanden zu finden, der entweder kreativ ist wie Rotter, oder kämpferisch und technisch so gut wie Ferland. Christian Dolezal konnte ebenso wenig mithalten wie Robinson. Ob Mario Fischer, Taylor Holst oder Nageler das Potenzial haben, kann ich nicht sagen. Samuelsson hat derzeit nicht die schlagkräftige Linie, welche jedes Mal trifft.“ Die erworbenen Legionäre konnten die Herausforderung nicht annehmen.

  • Die Personal-Politik:

Pat Kavanagh und Nathan Robinson haben einige Gemeinsamkeiten. Ihre Nationalität (Kanada), die Position (Angriff) und einen erfolgreichen Karriere-Abschnitt in der DEL. In vier kompletten Saisonen erreichte das Duo stets die 40-Punkte-Marke. Und beide enttäuschten in Wien bisher auf allen Ebenen. „Sie haben nicht das gehalten, was man sich versprochen hat. Normalerweise sollten Leute, die in Deutschland mächtig scoren, gleiches in der EBEL schaffen“, sucht selbst Tomanek nach Erklärungen.

Der im Sommer verpflichtete Kavanagh wurde bereits Ende September ausgemustert, ehe er wegen einiger Ausfälle wieder einen Platz im Roster erbte. Mehr als vier Zähler konnte der an 50. Stelle des NHL-Draft 1997 gezogene Stürmer nicht verbuchen. Etwas besser liest sich die Bilanz Robinsons (13), zwei Treffer sind jedoch keine Offenbarung. Tomarek zweifelt die Einstellung des 29-Jährigen an. „Er hat Rückstand, weil er im Sommer zu wenig trainierte. Wie kann man im Profi-Leben stehen, es aber in zwei Monaten nicht schaffen, das wieder aufzuholen?“ Überdies ist seine Spielweise nicht gerade mannschaftsdienlich.

„Er kostet der Defensive mit den Stellungsfehlern im eigenen Drittel sehr viel“, betont der Wiener. Im selben Atemzug nimmt er Kavanagh aus der Schusslinie. „Warum er nicht einschlägt, ist für mich echt ein Rätsel. Alle haben gesagt, wenn er zurückkommt, weiß er, worum es geht. Er ist bemüht, aber aus irgendeinem Grund klappt es nicht.“ Und die leidige Akte Chris Harand, dessen vertragliche Situation  nach Wadenbeinbruch und gefolgter Ausbootung ungeklärt ist, stellt den Gipfel der unglücklichen, teils fragwürdigen Personal-Politik dar.

  • Der fehlende „Spielmacher“:

Versäumnisse kamen ebenfalls im Powerplay zutage. Von 152 Überzahl-Aktionen brachten einzig 24 den Tor-Erfolg, ergibt 15,79 Prozent Effizienz und Rang neun der Wertung. Gerade in solchen Phasen vermisst Tomanek den Primgeiger, damit ist nicht die Position des Centers gemeint. „Es fehlt mir der Spielmacher an der blauen Linie. Sie haben nur noch Dan Björnlie dort. Diese Rolle kann sonst keiner einnehmen.“

Die Routiniers Darcy Werenka (2003-2010) und bis zuletzt Jeremy Rebek sowie Francois Bouchard brachten Struktur in das Special Team. Seitdem man die beiden Letztgenannten aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters ziehen ließ, „haben sie einen Offensiv-Verteidiger zu wenig“. „Früher haben gleich drei Akteure das Powerplay getragen. Ross Lupaschuk und Martin Oraze treffen zwar mit ihren Gewaltschüssen. Doch sie sind ebenso wie Insana oder Philippe Lakos keine Überzahl-Spielmacher.“

Mit den Abgängen verloren die Capitals Durchschlagskraft, welche sie die vergangenen Jahre auszeichnete. „Es ist für mich das Hauptproblem. Im Vorjahr hat man oft Konter gefressen, nur gelangen im Powerplay dann eben zwei, drei Hütten. Die zweite Formation agiert in Überzahl nicht sonderlich gut.“

Für Tomanek ist Samuelsson jedenfalls der richtige Betreuer, um die Negativ-Spirale zu überwinden. „Der größte Fehler wäre, einen solchen Fachmann am kurzfristigen Erfolg zu messen. Ein Team kann durch Krisen umso stärker werden.“ Vielleicht folgen gegen Ljubljana den großspurigen Ansagen die ersten Taten…

Christoph Köckeis