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Ein Champions-League-Los als finanzieller Ruin?

Ein Champions-League-Los als finanzieller Ruin?

Mit Anzug und Krawatte wird Martin Micheu nicht oft gesehen. Die Champions-League-Auslosung am Freitag-Abend im Rahmen der CEV-Gala in Wien trug jedoch mit Sicherheit nicht dazu bei, dass sich der Aich/Dob-Manager künftig in der Vorzeige-Garderobe wohler fühlt.

Den italienischen Spitzenklub Lube Banca Marche Macerata, den russischen CL-Sieger von 2012 Zenit Kazan und Titelverteidiger Lokomotiv Novosibirsk bescherte ihm die „Glücks“-Fee als Gruppengegner zur Premiere in der Königsklasse.

Micheu war fertig.

„Ein Desaster“, stammelte er mit leerem Blick. „In den letzten Tagen hatte ich noch Albträume von einer Gruppe mit Novosibirsk und Kazan. Und jetzt sind sie wahr geworden.“

Es ist DAS Horrorlos schlechthin. Gernot Hupfauf von Vize-Meister Hypo Tirol sprach sogar von der schwersten Gruppe, die es je in der CL gegeben hat.

Es droht die Null

Sportlich gehören  die drei Gegner Aich/Dobs zum Besten, was der europäische Klub-Volleyball zu bieten hat. Bei dieser Konstellation müssten sogar die aus Topf eins gelosten Italiener fürchten, erstmals in ihrer Vereinsgeschichte in der CL-Vorrunde zu scheitern.

Die bittere Konsequenz daraus: Um die Chance auf den Aufstieg nicht leichtfertig zu vergeben, werden alle drei Teams danach trachten, gegen Aich/Dob keine Punkte liegen zu lassen.

Die Hoffnung, auf einen leichtfertigen Gegner zu treffen, ist für den heimischen Meister praktisch gleich null. Der sportliche Super-GAU – ohne Punkte auszuscheiden – scheint somit durchaus realistisch.

Der finanzielle Ruin?

Zur sportlichen Lage gesellt sich die Reisebelastung hinzu. Die Auswärtsfahrten nach Kazan (rund 3.000 km entfernt) und Novosibirsk (rund 5.000) stellen enorme Herausforderungen für das Budget des erstmaligen Meisters dar.

„Für uns geht es ums Überleben“, bringt Micheu die prekäre Situation auf den Punkt. „Wenn wir keine Unterstützung vom Land oder anderen Stellen bekommen, sind wir am Ende.“

Der ebenfalls bei der CEV-Gala anwesende Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser gibt sich diesbezüglich noch eher zugeknöpft:  „Wir werden alles tun, um diese einmalige Chance zu nützen. Es hängt aber auch davon ab, ob Kärntner Firmen bereit sind, ihren Teil beizutragen.“

Zwei Vereine, ein Schicksal

Bei Micheu sorgte Kaisers diplomatische Worthülse freilich für keine Erleichterung. Zumal er nach dem Abgang seines Glücksgriffs Wojciech Wlodarczyk (POL) nach einem neuen Angreifer sucht.

Ob seine Truppe für die neue Saison erneut so schlagkräftig wird, wie jene des Vorjahres, traut er sich angesichts der noch nicht abgeschlossenen Kaderplanungen noch nicht zu sagen.

Eines steht aber bereits fest, dass die CL-Partien im Sportpark Klagenfurt ausgetragen werden müssen. Womit Aich/Dob etwas gemeinsam hat mit Hypo Tirol, denn auch die Innsbrucker müssen im höchsten europäischen Klub-Wettbewerb von ihrer gewohnten Spielstätte, der USI-Halle (1.500 Plätze), Abstand nehmen und stattdessen in die über 7.000 Zuschauer fassende Olympia-World ausweichen. Dies war eine Bedingung des europäischen Verbands, damit den Tirolern die Wild Card zugesprochen wurde.

Kronthaler blieb liegen

Die Sechs von Coach Stefan Chrtiansky spielt in der mindestens 40m langen Olympia-World (CEV-Vorschrift) gegen Jastrzebski Wegiel (POL), Halkbank Ankara (TUR) und Tomis Constanta (ROU).

Die Führungsriege des zuletzt dominanten heimischen Klubs zeigte sich durchwegs zufrieden. „Es ist keine leichte Gruppe, aber wir hätten es auch schwerer erwischen können“, meinte Organising Director Hupfauf, der im Namen des abwesenden Managers Hannes Kronthalers sprach.

Eine Autopanne hatte den Klubchef am rechtzeitigen Erscheinen  gehindert. Angesichts dessen, dass die Tiroler in den vergangenen zwei Jahren in der Gruppenphase je einmal Novosibirsk und Kazan zogen, scheint es, als ob Kronthalers Fernbleiben Glücksgöttin Fortuna durchaus gefallen hat.

Ankara im Kaufrausch?

Nichtsdestoweniger scheint ein Weiterkommen, was nur den sieben Gruppensiegern sowie den fünf besten Zweitplatzierten zuteil wird, eher schwierig. Während in Polen Volleyball generell ein immens hohes Ansehen genießt, scheint in Ankara der Kaufwahn ausgebrochen zu sein.

Gerüchten zufolge sollen die Türken auf großer Shoppingtour sein. Vorzugsweise beim italienischen Spitzenklub Diatec Trentino, wo mit Osmany Junatorena nicht nur der „spektakulärste Spieler der vergangenen CL“ – so der Preis mit dem der Kubaner am Freitag ausgezeichnet wurde – auf der Wunschliste stehen soll, sondern auch Trentinos Aufspieler und Trainer.

Sollte dem tatsächlich so sein, ist Ankara ein Kandidat für das Final Four.

Das Orakel aus dem „Heiligen Land“

Keine Unbekannte stellt Constanta dar. „Gegen sie sind wir in der Vergangenheit im CEV-Cup einmal ausgeschieden und einmal weitergekommen“, erinnert sich Hupfauf, der vom Tiroler Aufstieg bis zu null Punkten alles für möglich hält.

Eine etwas vage Prophezeiung, zumal der Tiroler doch über beinah hellseherische Fähigkeiten verfügt. „Ich habe Martin Micheu bereits am Nachmittag gesagt, dass er zur Auslosung gar nicht mitzugehen braucht, weil er sowieso Trentino, Kazan und Novosibirsk bekommt“, grinst er neckisch in Richtung seines Funktionärskollegen.

Wenn auch aus Trentino letztlich Macerata wurde, ein Hammerlos bleibt es allemal.

Reinhold Pühringer

Gruppe A Copra Elior Piacenza (ITA)
Tours VB (FRA)
ACH Volley Ljubljana (SLO)
Marek Union-Ivkoni Dunitsa (BUL)
Gruppe B Belogorie Belgorod (RUS)
Noliko Maaseik (BEL)
Olympiacos Piraeus (GRE)
VK Ostrava (CZE)
Gruppe C Asseco Resovia Rzeszow (POL)
Paris Volley (FRA)
Budvanska Rivijera Budva (MNE)
Jihostroj Ceske Budejovice (CZE)
Gruppe D Diatec Trentino (ITA)
Arkas Izmir (TUR)
Berlin Recycling Volleys (GER)
Energy Investments Lugano (SUI)
Gruppe E Lube Banca Marche Macerata (ITA)
Zenit Kazan (RUS)
Posojilnica Aich/Dob (AUT)
Lokomitiv Novosibirsk (RUS)
Gruppe F Jastrzebski Wegiel (POL)
Halkbank Ankara (TUR)
Tomis Constanta (ROU)
Hypo Tirol Innsbruck (AUT)
Gruppe G Zaksa Kedzierzyn-Kozle (POL)
Knack Roeselare (BEL)
VfB Friedrichshafen (GER)
Galatasaray Istanbul (TUR)