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"Auch die Top-Damen kochen nur mit Wasser"

Erst 19 Jahre ist Barbara Haas alt. Trotzdem reist die junge Oberösterreicherin bereits 25 Wochen in der Saison in der Weltgeschichte herum.

Doch Problem ist das für sie keines. „Das bin ich von klein auf gewohnt“, lächelt die Steyrerin im Gespräch mit LAOLA1.

Bereits vor einigen Jahren bekam sie den Stempel des hoffnungsvollsten heimischen Damen-Talents aufgetragen und dementsprechend früh lernte die ehemalige Weltranglisten-22. bei den Junioren die nicht zu vermeidenden Reise-Strapazen eines Tennis-Profis kennen.

Reiselust statt -frust

„Mir gefällt das aber auch. Wenn ich einmal drei Wochen zuhause bin, kribbelt es eh schon wieder“, fühlt der Amerika-Fan eher Reiselust denn –frust.

Diese Woche ist trotzdem etwas ganz Besonderes für Haas: Dank einer Wild Card darf die Weltranglisten-240. nämlich im Hauptbewerb des Generali Ladies Linz (www.generali-ladies.at) ihr Glück versuchen. In der oberösterreichischen Landeshauptstadt hat sie bei Coach Jürgen Waber ihren Trainings-Stützpunkt. Es handelt sich damit also um ein echtes Heimturnier.

„Nervös bin ich nicht, aber es ist natürlich eine andere Situation als normalerweise. Ich schlafe in meiner eigenen Wohnung. Es ist angenehm, wenn ich ein Turnier spielen und gleichzeitig zuhause sein kann“, fiebert sie ihrem Erstrunden-Auftritt am Dienstag gegen die tschechische Weltranglisten-38. Barbora Strycova (nicht vor 18:30 Uhr) entgegen.

Linz-Wild-Card wichtig für Entwicklungsprozess

„Für Barbara ist es eine tolle Belohnung für ihre Leistungen in der letzten Zeit“, ist Waber im Gespräch mit LAOLA1 froh, dass sein Schützling von Turnierdirektorin Sandra Reichel mit einer Wild Card bedacht worden ist.

„Das ist wichtig für ihren Entwicklungsprozess. Inklusive des ganzen Rundherums ist es eine tolle Erfahrung für sie“, erklärt Waber, der sich bemüht, einige Trainingseinheiten mit Top-100-Spielerinnen zu organisieren.

Haas versucht sowieso, so viel wie möglich aus diesen Tagen mitzunehmen. „Das sind schließlich die Turniere, zu denen man will. Es ist auch super, wenn ich diesen Spielerinnen im Training zuschauen kann. Man sieht, dass sie auch nur mit Wasser kochen.“

Babsi Haas mit Coach Jürgen Waber

Es sei aber richtig, dass man „so schnell wie möglich“ die 10.000er Turniere hinter sich lassen sollte. Auf Challenger-Ebene werde mittlerweile aber schon ein sehr hohes Niveau gefordert.

„Da spielen schon sehr gute Leute mit. Und man kann ja auch keine Turniere überspringen. Um bei den größeren Turnieren mitzuspielen, braucht man Siege und Punkte“, so Waber, der hofft, dass Haas mit 21, 22 Jahren den Sprung in die Top 100 schaffen könnte.

Durchschnittsalter gestiegen

Schließlich sei nicht nur bei den Herren sondern auch auf der WTA-Tour das Durchschnittsalter deutlich gestiegen. Bei den US Open standen sich beispielsweise im Endspiel die 33-jährige Flavia Pennetta und die 32-jährige Roberta Vinci gegenüber.

Waber nennt als Vergleich seinen ehemaligen Schützling Sybille Bammer, die ebenfalls erst mit 23, 24 Jahren den Durchbruch schaffte, dann allerdings schon mit knapp 31 Jahren seine Karriere beendete.

„Sybille hätte sicher noch weiterspielen können. Sie ist nur zwei Jahre jünger als Pennetta und war mit ihr und Vinci eigentlich immer auf Augenhöhe“, so Waber, der auch auf die frühen Rücktritte von Yvonne Meusburger und Patricia Mayr-Achleitner verweist. „Eigentlich haben unsere arrivierten Spielerinnen zu früh aufgehört. Dadurch entsteht natürlich ein Loch.“

Tamira Paszek als „besserer Dominic Thiem“

Die einzige Ausnahme sei Tamira Paszek, die schon im Jahr 2005 mit gerade mal 15 Jahren ihr erstes WTA-Turnier gewann. „Tamira war praktisch ein besserer Dominic Thiem. Das war damals schon beachtlich – das war schon Bencic-Niveau bzw. sogar besser“, vergleicht Waber die Vorarlbergerin mit der hochtalentierten Schweizerin, die mittlerweile schon an den Top 10 kratzt. „Leider ist es danach nicht nach Wunsch gelaufen.“

Wobei Haas das höhere Tempo durchaus gewohnt sei, da sie im OÖTV-Trainingszentrum normalerweise sowieso mit der ehemaligen Top-Spielerin Sybille Bammer trainiere, die laut Waber „auch noch auf einem sehr guten Niveau spielen kann.“

Verpasste Sensation in Bad Gastein

Im Juli hätte es beim WTA-Turnier in Bad Gastein beinahe schon mit dem ersten Sieg auf Tour-Level geklappt. Haas, damals ebenfalls dank Wild Card im Hauptfeld, musste sich in der ersten Runde der Rumänin Andreea Mitu nur knapp in drei Sätzen geschlagen geben und hatte dabei sogar zwei Matchbälle auf dem Schläger.

„Das war natürlich ein bisschen bitter“, erinnert sich Haas zurück. “Aber es hat mir gezeigt, dass ich gegen eine solche Spielerin mithalten kann. Fast hätte ich die Sensation geschafft.“

Erster Challenger-Titel in Podgorica

Obwohl es für diese nicht reichte, habe ihr diese Partie aber geholfen. „Sie hat gesehen, dass der Weg richtig ist und sie jetzt schon die Möglichkeit hat, Spielerinnen in dieser Preisklasse zu schlagen“, so Waber. „Sie hat viel Selbstvertrauen mitnehmen können und es war eine tolle Erfahrung, die ihr in Folge geholfen hat, bei kleineren Turnieren Siege einzufahren.“

Mitte August gewann Haas das Future-Turnier in Graz (10.000 Dollar), drei Wochen später feierte sie mit dem Sieg beim 25.000-Dollar-Challenger-Event in Podgorica den bislang größten Erfolg ihrer noch jungen Karriere.

Haas zeigt vor Paszeks Leistungen Respekt

Derzeit ist Paszek im WTA-Ranking nur wenige Positionen vor Haas zu finden. Von einem Kampf um die rot-weiß-rote Pole Position will der Youngster aber nichts wissen: „Davon bin ich noch weit entfernt. Tamira hat ein halbes Jahr nicht gespielt. Wenn die eine Saison durchspielt, steht sie im Ranking schnell woanders. Und dorthin muss ich erst einmal kommen“, weiß Haas um die Qualitäten der zweifachen Wimbledon-Viertelfinalistin und ehemaligen Nummer 26 der Welt.

Landsfrauen sind rar gesät

„Schade“ findet sie es allerdings schon, dass die Top 200 mittlerweile völlig ÖTV-befreit sind. „Natürlich wäre es für alle besser, wenn es eine höhere Dichte gäbe, damit man sich gegenseitig nach oben spielt“, sagte Haas, die in der Woche vor Linz mit Julia Grabher trainierte.

Die Alterskollegin aus Dornbirn schaffte vor Kurzem den Sprung in die Top 500. „Ab und zu trainiert man gemeinsam, aber so viele Österreicherinnen gibt es ja nicht und dementsprechend oft ist man bei den Turnieren dann alleine.“

Trotz des Alleinkämpfer-Status sind Coach und Schützling mit der spielerischen Entwicklung zufrieden. „Taktisch, technisch, mental und körperlich – ich habe mich heuer in allen Bereichen kontinuierlich weiter entwickelt“, konstatiert Haas.

Vergleiche mit Simona Halep

Der Betreuer vergleicht seinen Zögling vom Spielstil meist mit der Weltranglisten-Zweiten Simona Halep, die ebenso zierlich wirkt, mit ihrer Schnelligkeit und ihrem Kampfgeist aber auch den Power-Ladies Paroli bieten kann.

„Das war sicherlich ein Meilenstein für sie“, freut sich Waber, für den in erster Linie die Entwicklung im Vordergrund steht. „Die Art und Weise, auf die sie in Podgorica gewonnen hat, war auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.“

Schett: „Nicht zu viel Zeit verlieren“

Als Nummer 240 der Welt steht Haas mittlerweile kurz vor dem erstmaligen Sprung in die Top 200. Ende 2014 stand sie noch auf Position 353, 2013 schloss sie als Nummer 762 ab.

Der Aufwärtstrend ist klar erkennbar. Für manche Experten erfolgt dieser allerdings zu langsam. So fordert beispielsweise die ehemalige Weltranglisten-Siebente Barbara Schett mehr Tempo.

„Meine Devise ist immer, nicht zu viel Zeit bei diesen Challengern zu verlieren“, erklärte die Linzer Turnier-Botschafterin vor einigen Tagen im Gespräch mit LAOLA1. „Wenn man dort hängen bleibt, ist es schwierig, wieder heraus zu kommen. Der Transfer zur WTA-Tour muss binnen ein, zwei Jahren passieren.“

Coach Waber relativiert

Coach Waber kann diese Aussage nur teilweise nachvollziehen: „Es gibt nur wenige Ausnahme-Spieler, die ruckizucki durchwandern und auf WTA-Ebene spielen. Barbara ist jetzt 19 Jahre alt und gehört in ihrem Jahrgang zu den geschätzt besten 25, 30 der Welt. Das ist in Ordnung und alle in diesem Kreis haben die Chance, eines Tages Tennis zu ihrem Beruf machen zu können.“

„Von der Spielanlage ist sie mir sehr ähnlich“, stimmt Haas zu. „Sie punktet auch nicht mit ein oder zwei Schlägen, sondern muss sich – ebenso wie ich – die Punkte herausspielen.“ Neben der Rumänin verfolgt sie auch gerne Spiele der ebenso laufstarken Dominika Cibulkova.

Mit einer Maria Sharapova oder Serena Williams will sich Haas hingegen nicht vergleichen lassen. „Die haben ganz andere Voraussetzungen. Ich werde nie eine sein, die 15 Asse in einem Match serviert. Das wird nie passieren. Und wenn es passiert, müssen wir uns den Tag gut aufschreiben“, scherzt die sympathische Blondine.

Keine Ranking-Ziele

Vorerst steht in Linz sowieso erneut „Erfahrung sammeln“ im Vordergrund: „Babsi hat nichts zu verlieren. Wer etwas von ihr erwartet, versteht nichts vom Tennis. In einem Spiel kann viel passieren, aber man muss ehrlich sagen, dass sie sicher noch nicht auf diesem Level ist.“

Waber weiter: „Ich bin zuversichtlich, dass sie ihren Weg gehen wird und sie – sofern ihr keine Verletzungen dazwischen kommen – ihre Ziele erreichen wird.“

Wie ihre Ziele im Detail aussehen? „Ranking-Ziele will ich vorerst keines nennen“, so Haas, die aber in Zukunft auf jeden Fall einmal ohne Wild Card in Linz spielen und bei den Grand-Slam-Turnieren an den Start gehen will. „Und dann geht es hoffentlich erst so richtig los!“

Christian Frühwald