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Wimbledon: Murray befreit, Williams unter Druck

Wimbledon: Murray befreit, Williams unter Druck

Es ist, als wäre die Zeit stehen geblieben.

Die Shirts, Hosen und Röcke müssen zu 90 Prozent weiß sein. Die Fans nehmen Erdbeeren mit Sahne zu sich, am Sonntag ist spielfrei.

Wimbledon hat seinen ganz eigenen Charme und wird nicht von ungefähr als "Mekka des Tennissports" bezeichnet.

Zum bereits 128. Mal findet das bedeutendste Rasenturnier der Welt in diesem Jahr im All England Lawn Tennis and Croquet Club statt.

Murray als Titelverteidiger

Für die Gastgeber ist es ein besonderes Turnier, stellen sie doch erstmals seit 77 Jahren den Titelverteidiger: Andy Murray.

Während er in den vergangenen Jahren stets mit dem immensen Druck, England endlich erlösen zu müssen, umzugehen hatte, kann er diesmal befreit(er) aufspielen.

Bei den Damen rückt einmal mehr Serena Williams in den Fokus, zumal für die US-Amerikanerin nach dem enttäuschenden Abschneiden bei den French Open Wiedergutmachung auf dem Plan steht.

Wie es um die österreichischen Vertreter bestellt ist, wer die Bürde des Favoriten zu tragen hat und wer den Top-Stars ein Bein stellen könnte: LAOLA1-Preview zum Grand-Slam-Turnier in Wimbledon:

HERREN

Es sind wieder einmal die üblichen Verdächtigen, die - mit großer Wahrscheinlichkeit - den Titel unter sich ausmachen werden. Die "Big Four" - Rafael Nadal, Novak Djokovic, Andy Murray und Roger Federer - werden auch in diesem Jahr von diversen Wettanbietern hoch gehandelt. Die Nummer eins für die Buchmacher ist die Nummer zwei der Weltrangliste - Djokovic. Der Serbe ist auf Rasen höher einzuschätzen als Sandplatz-Dominator Rafael Nadal. Im Vorjahr scheiterte der werdende Vater erst im Endspiel an Andy Murray. Nadal hingegen hat seit 2012 eine 1:3-Bilanz auf dem "heiligen Rasen" und kassierte im Vorjahr erstmals in seiner Karriere eine Erstrunden-Niederlage bei einem Major-Event. "Ich fühle mich besser als in den vergangenen Jahren", gibt sich der Spanier dennoch zuversichtlich. Vom Titel, den er 2008 und 2010 für sich in Anspruch nahm, will er freilich nicht reden. "Ich spreche davon, auf Gras besser zu spielen als zuletzt."

Derweil erwartet Djokovic, der als "Vorbereitung" seinen Junggesellenabschied auf Ibiza feierte, ein ausgeglicheneres Feld als zuletzt. "Ich denke, es ist ein offenes Turnier. Es gibt eine neue Welle von Spielern der jungen Generation, die bewiesen haben, dass sie gegen die Topspieler gewinnen können." Federer hat mit dem Sieg in Halle, seinem insgesamt siebenten, Selbstvertrauen getankt und ist bereit, auf der Insel zum (achten) großen Wurf auszuholen. "Das tut immer gut für den Kopf", erklärte der sentimentale Favorit zahlreicher Tennis-Fans in der "Tageswoche". "Jetzt kann es losgehen!" Und Murray? "Ich stehe im Rampenlicht. Wenn das Turnier aber erst mal startet, nehme ich das nicht mehr wahr. Ich spiele meine Matches, gehe heim und relaxe." Der Titelverteidiger ist froh über den Heimvorteil, der "den Unterschied ausmacht".

DAMEN

Bei den Damen geht Serena Williams einmal mehr als heißeste Sieganwärterin in ein Grand-Slam-Turnier. Die 32-Jährige ist in dieser Saison allerdings weit von ihrer Bestform entfernt. "Die ersten Monate waren alles andere als großartig", konstatiert die Weltranglisten-Führende, die in Melbourne im Achtelfinale und in Paris in der zweiten Runde scheiterte. Auf Rasen soll alles besser werden: "Ich bin wirklich gut vorbereitet und freue mich total, hier zu sein. Ich habe viel trainiert, um bereit zu sein für dieses Event."

Erste Herausforderin der fünffachen Gewinnerin ist Maria Sharapova, die zuletzt in Roland Garros ihren fünften Major-Erfolg in trockene Tücher brachte. Vor zehn Jahren ging ihr Stern mit dem Sieg in Wimbledon auf. "Ich denke oft an diesen Sieg", erklärt die Russin, die damals 17 Jahre jung war. Bereits im Viertelfinale könnte es in diesem Jahr zum Clash mit Williams kommen. Die letzten 15 Duelle gingen allesamt an das US-Girl, u.a. das Endspiel bei den Olympischen Spielen vor zwei Jahren.

Dahinter ist das Feld dicht gedrängt. French-Open-Finalistin Simona Halep muss man ebenso den Durchmarsch ins Finale zutrauen wie Ana Ivanovic, die das Vorbereitungsturnier in Birmingham für sich entscheiden konnte. Niemals abschreiben darf man zudem Petra Kvitova, die das Gefühl des Wimbledon-Sieges vor drei Jahren auskosten durfte. Hinzu kommt Sabine Lisicki, die in Wimbledon Jahr für Jahr über sich hinauswächst und nach der bitteren Final-Pleite 2013 endlich ihr erstes Major gewinnen will.

STATISTIK

Tennis ist ein Paradies für Statistik-Freaks, daher wollen auch wir einen genauen Blick auf die Zahlen werfen. Mit sieben Siegen am "heiligen Rasen" ist Roger Federer nicht nur der erfolgreichste aktive Spieler, sondern gemeinsam mit Pete Sampras und William Renshaw auch der erfolgreichste der langen Wimbledon-Historie. Bei den Damen teilen sich Serena und Schwester Venus Williams mit je fünf Triumphen Platz eins unter allen Aktiven. Insgesamt treten in diesem Jahr neun Spieler an, die das Turnier schon einmal für sich entscheiden konnten - vier bei den Damen (Venus Williams, Serena Williams, Maria Sharapova und Petra Kvitova), fünf bei den Herren (Roger Federer, Rafael Nadal, Andy Murray, Novak Djokovic und Lleyton Hewitt). Vorjahressiegerin Marion Bartoli ist indes nicht dabei, die Französin hat ihre Karriere beendet.

Ein besonderes Schmankerl liefert die offizielle ATP-Seite. Dieser ist zu entnehmen, dass Roger Ferderer der beste Rasen-Spieler der Gegenwart ist mit einer Siegquote von 87,4 Prozent, in der All-Time-Bestenliste aber "nur" an Position sieben liegt. Abgesehen vom Schweizer schafft es mit Andy Murray (Rang 23, Siegquote von 83,1 Prozent) lediglich ein weiterer Aktive in die Top 50. Mit 14 Erfolgen ist Federer gemessen an Turniersiegen übrigens der erfolgreichste Akteur auf Rasen.

DARK HORSES

Angesichts der Dominanz der "Big Four" in den letzten Jahren - seit 2004 gingen 38 der 42 Major-Titel an dieses elitäre Quartett - fällt es schwer, weitere Mitfavoriten auszumachen. Zu nennen ist an dieser Stelle definitiv Grigor Dimitrov, der mit seinem Sieg im Queen's Club seine tolle Form untermauerte. Auch Feliciano Lopez sollte man nicht außer Acht lassen, der Spanier unterlag Dimitrov im Endspiel und gewann seinerseits in Eastbourne. Und dann wäre da noch Philipp Kohlschreiber, dem man zumindest zutrauen muss, einen der Großen aus dem Bewerb zu kegeln. Der Deutsche spielt seit Wochen ein höchst ansehnliches Tennis, nur zum großen Wurf wollte es noch nicht reichen. Einen besseren Ort als Wimbledon könnte es dafür kaum geben.

Bei den Damen ist die Spitze deutlich breiter, sodass Überraschungen schon fast an der Tagesordnung stehen. Interessant zu beobachten sein wird das Comeback von Victoria Azarenka nach langer Verletzungspause. Alles zuzutrauen ist Venus Williams, die jedoch in den letzten Jahren aufgrund zahlreicher Verletzungen nur selten ihr Potenzial abrufen konnte. Einiges möglich ist auch für Kirsten Flipkens, die sich auf dem Grün in London besonders wohl fühlt und im Vorjahr bis in die Vorschlussrunde stürmte, in der sie der späteren Siegerin Bartoli unterlag. Und dann wäre da noch Flipkens' erste Gegnerin, die bereits zweimal die Runde der letzten Acht erreichte. Es ist die Wundertüte aus österreichischer Sicht, Tamira Paszek.

DIE ÖSTERREICHER

Damit wären wir auch schon bei den ÖTV-Assen. Paszek hat den harten Weg der Qualifikation nehmen müssen, diesen aber heil überstanden. 2011 und 2012 war sie unter den letzten Acht, dann folgte eine Verletzungsseuche, die ihresgleichen sucht. Inzwischen ist die 23-jährige Vorarlbergin wieder zurück. Bei ihrem Lieblingsturnier hofft sie, den nächsten Schritt zu alter Stärke nehmen zu können, obwohl es die Auslosung nicht gut mit ihr meinte. Dieses Schcksal teilt sie mit Patricia Mayr-Achleitner, die die an 32 gesetzte Russin Elena Vesnina zugelost bekam. Dagegen sollte Vania King als erste Hürde für Yvonne Meusburger zu nehmen sein. Dann allerdings winkt oder besser gesagt droht ihr ein Duell mit Li Na, ihres Zeichens Nummer zwei der Welt.

Großes Pech hatte Jürgen Melzer, der gleich in seinem ersten Match einen "Riesen" aus dem Weg räumen muss. Jo-Wilfried Tsonga türmt sich vor dem Niederösterreicher auf und geht als klarer Favorit in das Spiel. Deutlich besser stehen die Chancen für Andreas Haider-Maurer, der es mit dem Briten Kyle Edmund zu tun bekommt. Und dann wäre da noch Youngster Dominic Thiem, der laut Papierform gegen die Nummer 237 der Welt, Qualifikant Luke Saville, Favorit sein sollte. Das sieht der 20-Jährige allerdings differenziert: "Der ist ein paar Monate jünger als ich, aber ein viel routinierterer Rasenspieler", stellt Thiem klar. "Er hat hier in der Quali ziemlich gute Leute geschlagen. Das wird also ein ganz schweres Match für mich." Wie sich Thiem, Melzer, Paszek und Co. schlagen, könnt ihr im LAOLA1-LIVE-Ticker zum Grand-Slam-Turnier in Wimbledon verfolgen.


Christoph Nister