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Leitgeb: "Die Grenze des mental Belastbaren"

Leitgeb:
Ronnie Leitgeb ist eigentlich zu spät zu den French Open angereist.
 
Der frisch gebackene ÖTV-Präsident und Manager von Jürgen Melzer und Tamira Paszek hatte fix gerechnet, dass keiner seiner Schützlinge schon am ersten Tag wird spielen müssen.
 
So hat Leitgeb Melzers Fünfsatz-Aus versäumt und auch sonst ist der Niederösterreicher weniger erfreut über die aktuellen Entwicklungen.
 
Melzer nahe einem Burn-out
 
Im Gespräch mit der APA sieht Leitgeb Melzer nach dessen Verletzungsserie nahe an einem Burn-out und möchte ihn nach dem Doppel-Ausscheiden in Paris in Österreich etwas Ruhe zukommen lassen.
 
Außerdem bemängelt er, dass in Roland Garros kein einziger ÖTV-Jugendlicher am Start ist und schließlich kritisiert er nach vollständiger Bestandsaufnahme neuerlich die völlig veraltete Anlage in der Südstadt.
 
Für Tamira Paszek hofft er, dass die Probephase mit dem neuen Coach Andrei Pavel sich bewährt, und die Vorarlbergerin wieder zu alten Stärken findet.
 
Frage: Die Zwischenbilanz der French Open liest sich aus ÖTV-Sicht ernüchternd. Wie sehen Sie die Lage?
 
Leitgeb: "Es ist natürlich enttäuschend und man muss schauen, was die Hintergründe sind. Jürgen ist einfach nicht fit hierhergekommen, das war ein Risiko. Es war auch ein bisschen enttäuschend von der Spielansetzung her. Wir sind nie davon ausgegangen, dass er am Sonntag bereits spielen wird. Bei Patricia (Mayr-Achleitner, Anm.) war es eine tolle Leistung, da hat am Schluss ein bisschen gefehlt und Andi Haider-Maurer ist auf einen Spieler gekommen, der ein sehr unangenehmes Spiel hat. Es hat alles seine Gründe, aber insgesamt ist es schon etwas, worüber man nachdenken muss. Was mir noch viel mehr Sorgen macht, ist, dass wir nicht einen einzigen Jugendlichen im Jugendbewerb haben, das ist das Dramatischere."
 
Frage: Sie haben im Vorgespräch erwähnt, dass Jürgen Melzer nahe an einem Burn-out sei?
 
Leitgeb: "Wenn man über einen so langen Zeitraum immer wieder einen Anlauf nimmt, verletzt ist, wieder einen Anlauf nimmt, verletzt ist, dann führt das natürlich schon an die Grenzen des mental Belastbaren. Da müssen wir jetzt schauen, dass ein bisschen Ruhe reinkommt. Er muss von der Psyche und von seinem Körper her gestärkt werden und das braucht einfach Zeit. Tennis ist halt so brutal,  dass es dir keine Zeit gibt, weil die Saison extrem lang ist. Es jagt ein Masters-Turnier das andere, ein Grand Slam-Turnier das andere, speziell in dieser Phase, und du hast keine Chance zu sagen, ich mache jetzt einmal vier bis sechs Wochen eine Vorbereitung. Vielleicht ist es auch ein Hinweis, was in Paris passiert ist. Jürgen muss Richtung Wimbledon körperlich zu sich finden. Vielleicht kann man auch nicht jedes Vorbereitungsturnier für Wimbledon spielen, das werden die nächsten Tage ergeben."
 
Frage: Muss man dem Team um Jürgen etwas ankreiden?
 
Leitgeb: "Das Team ist auch durch den Wind gebeutelt. Du kannst dem Team einen Vorwurf machen, wenn der Sportler fit ist und es wird zu wenig gearbeitet, aber den kann man nicht machen. Es stehen dauernd Verletzungen im Weg, Jürgen braucht im Moment mehr ein Rehab-Team als ein Trainer-Team."
 
Frage: Wie geht man also nun vor?
 
Leitgeb: "Man muss Prioritäten setzen, damit Jürgen sich körperlich erfängt. So geht es einfach nicht, wenn jemand mit seiner Grundlagenausdauer auf einmal so eingeht. Da muss man fragen, was  ist der Hintergrund."
 
Frage: Trotz teilweiser guter Nachrichten läuft es derzeit aber nicht nach Wunsch.
 
Leitgeb: "Das ist der Sport, es ist ein Auf und Ab. Es gibt Dinge, für die ich nicht geradestehen kann. Dass heuer kein Jugendlicher hier ist, ist die Arbeit der letzten acht Jahre, aber ich möchte nicht nach hinten, sondern nach vorne schauen und sehen, was sind die Lösungsansätze.  eine sind eine bessere Kommunikation mit den Trainern an der Basis, die die Jugendlichen fürs Tennis vorbereiten und ein schlüssiges Sportprogramm vom Eintritt in den Sport bis zur Nationalmannschaft. Das soll bis zum Länderkuratorium Mitte Juli stehen. Bis jetzt war alles nur organisatorisches Geplänkel, jetzt kommt die Umsetzung ab September."

Frage: Was wollen Sie für die Infrastruktur tun?
 
Leitgeb: "Ich glaube, dass es am Rande des Skandals ist, wie der österreichische Tennisverband in den letzten 20 Jahren von der Hardware-Seite her behandelt worden ist. Allein die Tatsache, dass der ÖTV im nationalen Leistungszentrum in der Südstadt Untermieter ist, ist eine Perversion. Aber auch wie die ganze Anlage jetzt veraltet ist."
 
Frage: Noch einmal zurück zum aktuellen Spitzensport: Wird es mit Tamira Paszek, vielleicht auch mit dem neuen Trainer, nun bald wieder bergauf gehen?
 
Leitgeb: "Es war einmal die schwierigste Aufgabe für Tamira, den richtigen Trainer zu finden, der das internationale Format hat, dem sie vertraut, und der auch bereit ist, mit Tamira zu arbeiten. Mit Andrei Pavel haben wir einen absoluten Spitzenmann, der jetzt in der Probephase bis nach Wimbledon ist. Dann werden wir entscheiden, ob und in welcher Form das eine Dauerlösung werden kann. Ich glaube, dass auch Tamira über ein konsequentes System und einen  konsequenten Weg wieder zu dem zurückfindet, was sie eigentlich kann. Sie schlägt sich im Moment unter ihrem Wert."
 
Frage: Ist es möglich, dass ihre ATP-Lizenz aus Nizza wieder nach Österreich wandert?
 
Leitgeb: "Das ist nicht undenkbar. Darum habe ich die Lizenz nicht verkauft, sondern nur geparkt. Der Vertrag läuft noch zwei Jahre, in der Zeit muss man sich Gedanken machen: Gibt es eine Infrastruktur in Österreich, gibt es ein Stadion, gibt es die Sponsoren."