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"Viele Leute unterschätzen das Turnierleben"

“Das ist eine Katastrophe!” bringt Stefan Koubek die aktuelle Misere im österreichischen Tennis-Nachwuchs auf den Punkt.

Bei den French Open ist wie schon vor einigen Monaten bei den Australian Open kein einziger ÖTV-Junior am Start.

Blöderweise können „die Großen“ dieses Problem nicht überdecken. Melzer, Paszek und Co. strichen (ebenso wie in Melbourne) bereits in Runde eins die Segel.

Warum Koubek dafür Verständnis zeigt und wieso nicht er, sondern Andrej Pavel der neue Coach von Tamira Paszek ist, verrät der 35-jährige Kärntner im großen LAOLA1-Interview.

LAOLA1: Deine Meinung zur eher mageren Ausbeute der Österreicher in Paris?

Stefan Koubek: Ich habe von zu Hause aus auch nur die Ergebnisse mitbekommen. Die Ausbeute ist natürlich bitter. So etwas kann aber passieren. Jürgen war nicht ganz fit und konnte nur wenig trainieren. Berrer ist zudem ein zäher Hund, der bis zum Ende kämpft. Andi Haider-Maurer war auch nicht ganz fit und hatte im ersten Satz gegen Tomic Chancen. Mayr-Achleitner muss gegen Jankovic eine sehr gute Partie gespielt haben. Da hat nicht viel zur Überraschung gefehlt. Bei Tamira Paszek ist heuer leider einfach der Hund drin.

LAOLA1: Jürgen hat nach dem Erstrunden-Aus darüber geklagt, dass ihn seit Wochen eine große Müdigkeit plagt. Bluttests haben aber keine neuen Aufschlüsse gegeben. Spielt vielleicht das Alter eine Rolle?

Koubek: Sicher spielt das mit. Wenn man über 30 ist, regeneriert man einfach nicht mehr so schnell. Jürgen hat zudem zwei Monster-Jahre hinter sich, war im Einzel und im Doppel in den Top Ten. Da muss man sehr viele Matches spielen und viel trainieren. Das geht ordentlich an die Substanz. Irgendwann resigniert der Körper. Wenn dann auch noch die Erfolge fehlen, kommt schnell die Müdigkeit daher. Dieses Turnierleben unterschätzen viele Leute. Das ganze Jahr Reisen mit Jetlag und Turniere spielen ist zäh. Es ist ganz normal, dass dann einmal die Müdigkeit kommt.

LAOLA1: Sollte man dann nicht seinen Turnier-Kalender entschlacken?

Koubek: Das nimmt man sich immer vor. Das kenne ich noch aus meiner Zeit. Dann läuft es aber einmal nicht so und schon schiebt man zwei neue Turniere ein. Man hat das bei Jürgen gesehen: Die Saison hat nicht nach Wunsch begonnen und plötzlich gewinnt er in Memphis. Dann ist man motiviert und es geht weiter. Auf so ein Erfolgserlebnis hofft man jede Woche. Das ist das Schöne am Leben eines Tennis-Spielers: Auch wenn man in der ersten Runde verliert, geht es in der nächsten Woche weiter. Auf der anderen Seite muss man aber natürlich auch hin und wieder eine Pause machen. Da kann man leicht in einen Teufelskreis kommen. Bei einem Grand Slam verzichtet man sowieso nicht leicht.

LAOLA1: Wie ist es dir im Herbst deiner Karriere im Training ergangen? Hast du öfters mit der Motivation kämpfen müssen?

Koubek: Das kann natürlich passieren. Jürgen hat in seiner Karriere schon sehr, sehr viel trainiert. Es wird auch bei ihm in diese Richtung gehen, dass er vielleicht gar nicht mehr so viele Stunden investiert. Die Stunden, die er macht, macht er dafür voll konzentriert. Ein Fitnessprogramm muss man aber so oder so machen. Das Tennis ist so professionell geworden, dass man richtig Arbeit reinstecken muss. Man muss fit bleiben, um ein Turnier durchspielen zu können.

LAOLA1: Vorbild ist wohl auch in dieser Hinsicht Roger Federer.

Koubek: Er hat den Vorteil, dass er immer wieder längere Pausen einlegt. Das leistet sich sonst kein anderer Spieler. Roger kommt einfach zu einem Turnier, macht sein Ding und das funktioniert. Das ist eine andere Liga.  Bei einem normalen Top-Spieler funktioniert das aber natürlich nicht. Selbst Djokovic und Nadal spielen mehr als Federer, der für mich einfach einzigartig ist. Für mich ist das nicht nachvollziehbar – obwohl ich ihn gut kenne und schon oft mit ihm trainiert habe.

LAOLA1: Du hast mit Tamira die dreiwöchige Saisonvorbereitung absolviert. Warum will es bei ihr heuer einfach nicht laufen?

Koubek: Sie trainierte sehr brav und war sehr bemüht. Leider hat sie sich dann einige Verletzungen eingefangen. So etwas wirft einen immer wieder zurück. Mit Andrej Pavel hat sie jetzt hoffentlich die für sie ideale Trainer-Lösung gefunden. Er ist ein super netter Kerl, der sich sehr gut im Tennis auskennt. Der kann sie sicher weiterbringen. Der Körper muss halt einfach mitspielen. Vom Können her ist sie eine Top 20-Spielerin.

LAOLA1: Liegt es bei Tamira wirklich nur am Körper? Gerade beim Aufschlag hat sie doch sicherlich noch Verbesserung-Potenzial?

Koubek: Wenn sie gegen eine Serena Williams spielt, dann ist der Aufschlag, vor allem der zweite, natürlich bei Weitem nicht gut genug. Daran muss sie extrem arbeiten. Da ist sicher Aufholbedarf. Ein Pavel, ein Leitgeb und auch Tamira selbst wissen das aber sicherlich.  Der erste Aufschlag braucht eine höhere Percentage und beim zweiten muss mehr kommen. Von hinten spielt sie ja sehr gut.

LAOLA1: Umso wichtiger ist es für eine Grundlinienspielerin, dass der Körper in einem Top-Zustand ist.

Koubek: Natürlich. Tamira ist aber topmotiviert und sehr ehrgeizig. Das hat man im letzten Jahr in der Rasen-Saison gesehen. Wenn sie ein ganzes Jahr gut durchspielt, dann steht sie sicherlich wieder in den Top 30.

LAOLA1: Du kennst Andrej Pavel noch von deiner aktiven Zeit. Wie kann er Tamira am besten helfen?

Koubek: Pavel war ein großer Spieler, der bei den Schlägen und auch taktisch sehr gut war. Er kennt sich im Tennis aus und weiß, woran man arbeiten muss. Er hat einen super Konditionstrainer, der auch Andy Murray trainiert. Tamira hat sehr lange über die Trainer-Frage gegrübelt. Ich war ja selbst im Gespräch, wollte aber nicht schon wieder 30 Wochen im Jahr reisen. Deshalb ist das damals nicht zustande gekommen.

LAOLA1: Eine Karriere als Touring Coach strebst du derzeit also nicht an?

Koubek: Ich bin derzeit bei Günter Bresnik Trainer in der Südstadt und war erst mit Dominic  Thiem bei einem Future. Das werde ich auch in Zukunft ab und zu einmal machen. Günter weiß aber, dass ich dem Reisen zwar nicht abgeneigt bin, es aber nicht mehr hauptberuflich machen will. Maximal zehn bis 15 Wochen im Jahr. Ich genieße es, zu Hause zu sein. Ich war jetzt eh 15 Jahre unterwegs. Die Trainer-Lehre ist auch etwas ganz anderes, als wenn man jede Woche auf ein Turnier fährt. Diese Turnierbetreuung kann ich sehr gut, weil ich es selbst jahrelang gemacht habe. Ich weiß ungefähr, was ein Spieler braucht. Jeden Tag am Platz stehen, einen Trainings-Plan erstellen und mit einem Spieler zu trainieren ist ein ganz anderes Paar Schuhe.  Das ist auch für mich ein Lernprozess. Günter Bresnik ist für mich der ideale Trainer, der mir auch das Trainer-Handwerk perfekt beibringen kann.


LAOLA1:
 Du siehst deine Zukunft also auf jeden Fall als Trainer?

Koubek: Solange es mir Spaß macht und auch mit Günter gut funktioniert, werde ich das sicherlich weitermachen. Keine Ahnung, wie es dann weitergeht. Zurzeit bin ich auf jeden Fall sehr motiviert.

LAOLA1: Mit Dominic Thiem habt ihr zudem ein gutes Pferd im Stall.

Koubek: Das auf jeden Fall. Er ist Günters Baby. Günter hat in ihn schon sehr viele Jahre investiert. Dadurch ist er top vorbereitet auf die Tour. Bei diesem „Projekt“ mitzuhelfen ist auch für mich super. Er ist ja quasi schon ein fertiger Spieler und muss jetzt nur mehr dieses Turnierleben lernen, wie man  sich auf der Männer-Tour durchbeißt. Bei den Futures hat er schon ordentlich aufgezeigt. Jetzt muss er so schnell wie möglich auf die Challenger wechseln.

LAOLA1: Kannst du dich auch noch an deine Zeit auf der Future-Tour erinnern?

Koubek: Natürlich, er fragt mich oft, wie es damals bei mir war. Bei mir war die Dichte nicht ganz so groß wie jetzt, es war vielleicht ein bisschen einfacher. Die Zeiten ändern sich, aber trotzdem war es irgendwie das Gleiche wie bei mir. Bei mir hat es auch ein paar Jahre gedauert und dann ist es sehr schnell nach oben gegangen. Das kann bei Dominik auch so sein, wenn einmal der Knoten platzt.

LAOLA1: Ronnie Leitgeb hat gemeint, dass das wirklich Schlimme an der derzeitigen Situation ist, dass wir bei den Junioren nicht einmal einen Spieler am Start haben. Siehst du das auch so?

Koubek: Natürlich ist das eine Katastrophe. Es gibt niemanden. Bei der U18 ist ein richtiges Loch, da ist gar nichts nachgekommen. Bei den Damen haben wir eine Babsi Haas, die gut drauf ist. Ansonsten ist nicht viel da. Der Fehler lag sicherlich beim Leistungszentrum in der Südstadt. Da müssen Spieler nachkommen und auf das Ganze vorbereitet werden.

LAOLA1: In erster Linie ist es deiner Meinung nach also ein Verbandsproblem.

Koubek: Sicherlich. Es ist nichts vom Verband gekommen und auch private Initiativen haben gefehlt. Diese Kombination hat uns das jetzige Problem beschert.

LAOLA1: Durch die fehlerhafte Arbeit in der Südstadt geht jetzt der Trend wieder zu den Bundesländern, wo jedes sein eigenes Süppchen kocht. Eine gute Idee?

Koubek: Die Entwicklung ist deswegen dorthin gegangen, weil die Südstadt keinen guten Ruf mehr hat. Zu meiner Zeit war die Südstadt eine der besten Möglichkeiten, sich auf die Tour vorzubereiten. Das hat sich geändert. Die Südstadt muss wieder ein Leistungszentrum werden, wohin die Jungen wollen, weil dort gut gearbeitet wird und nicht, weil es nichts kostet.

LAOLA1: Du bist in der Südstadt jeden Tag vor Ort. Hast du das Gefühl, dass sich unter der neuen Führung schon etwas getan hat?

Koubek: So schnell geht das nicht. Man kann als Präsident nicht alles auf einen Schlag ändern. Es muss natürlich einiges geändert werden. Ich kenne nur Gerüchte. Ronnie ist bemüht, etwas auf die Beine zu stellen. Mit dem nötigen Geld kann man aus der Südstadt sicher wieder einiges machen.

LAOLA1: Leitgeb hat gesagt, dass er auch ehemalige Spieler einbinden will. Da würde sich ja auch ein Stefan Koubek anbieten.

Koubek: Ich habe schon mit Ronnie gesprochen. Das war aber schon vor einigen Monaten, als ich noch nicht wusste, was ich in Zukunft machen will. Damals hatte ich gerade meine aktive Karriere beendet. Jetzt habe ich einmal bei Günter angefangen und wenn ich da auf den Platz komme, weiß ich, dass ich etwas bewegen kann. Es passiert nichts, wenn man sich hinsetzt und darüber redet, wie man es besser machen soll. Ich muss selbst noch üben, damit ich ein guter Trainer werde. Wissen und Erfahrung sind ja genug da. Wenn ich das  richtig einbringen kann, kann ich sich ein sehr guter Trainer werden und eine zweite Karriere starten.

Das Gespräch führte Christian Frühwald