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"Ich hoffe, ich nehme Nadal in der dritten Runde raus"

Mit seinem in dieser Klarheit überraschenden Erstrunden-Sieg über Adrian Mannarino (FRA-30) hat sich Jürgen Melzer etwas bewiesen.

Die Saison des 34-jährigen Niederösterreichers war alles andere als optimal verlaufen. Zweifel, ob er noch mithalten kann, waren aufgetaucht.

Gelingt ihm am Donnerstag bei den French Open auch ein Sieg über Andrej Kusnezow, winkt ihm noch einmal die ganz große Bühne.

Denn mit einem Sieg über den Russen könnte es in der Runde der letzten 32 gegen den neunfachen Paris-Champion Rafael Nadal gehen. Doch Melzer warnt vor voreiligen Schlüssen und will sich zunächst ganz auf das erste Duell mit Kusnezow konzentrieren.

"Der nimmt den Ball sehr früh, hat eine Super-Rückhand, spielt sehr flach. Trotzdem nimmt man ihn in einer zweiten Runde als Ungesetzter."

Neue Unterkunft in Paris

Seine 13. French Open, sein 51. Major-Turnier und ja, er ist schon 34. Doch Melzer glaubt noch an sich, will sich nicht zu früh in die Tennis-Pension schreiben lassen.

"Ich weiß, dass ich keine fünf French Open mehr spielen werde." Nicht zuletzt deshalb nimmt er so ein Grand-Slam-Turnier anders, weil bewusster wahr.

"Klar bin ich dankbar, dass ich diesen Sport noch immer ausüben kann, so viele ältere als mich gibt es nicht. Aber ich komme gerne hierher."

Und auf seinen alten Tage hat Melzer sogar noch einmal seine übliche Bleibe gewechselt. "Dabei bin ich eigentlich ein abergläubischer Hund", schmunzelt er.

Österreichs Nummer drei wohnt jetzt im modernen Stadtteil "La Defense", dessen Wahrzeichen "La Grande Arche", eine moderne und größere Version des Triumphbogens ist.

"Habe es nicht ganz verlernt"

Auf dem Platz war Melzer zum Auftakt fast der Alte und die Freude darüber war groß.

"Schön, dass man merkt, dass man es nicht ganz verlernt hat und noch dabei ist. Und man muss sich nicht so viele Gedanken machen, ob es noch reicht oder ob man vielleicht schon zu alt ist", stellte Melzer fest.

Ein bisschen ist es ihm in den vergangenen Wochen gelungen, die Verkrampfung zu lösen, lockerer an die Sache heranzugehen.

Seinen Kritikern muss der French-Open-Halbfinalist von 2010 nichts beweisen. Beim Rückblick im Herbst seiner Karriere ist der Faktor Thomas Muster kein unwesentlicher.

Da ist jene Schweizer Familie sehr willkommen, die Melzer schon am Montag lautstark unterstützt hat und mit "Jojo" (sein Spitzname) im Gesicht und auf den T-Shirts selbst im großen Stadion auffällt.

"Die habe ich im Urlaub vor drei Jahren kennengelernt, dass sind sehr gute Freunde von mir. Ich habe letzte Woche in Genf bei ihnen gewohnt." Das Familienoberhaupt Alain, der im Finanzbusiness arbeitet, reist Melzer auch immer wieder in der ganzen Welt nach.

"Ihn entspannt das. Er ruft mich an und sagt, ich brauche eine Woche, wo bist du? Dann kommt er", erzählte Melzer lächelnd.

"Hoffe, ich nehme Nadal raus"

Und was sagt der frühere Weltranglisten-Achte zur Formkurve von Rafael Nadal? "Ich hoffe, ich nehme ihn in der dritten Runde raus", sagte er leise.

"Er spielt sicherlich nicht so dominant wie in den letzten Jahren, da muss man kein Professor sein, damit man das mitkriegt. Er macht mehr Fehler und ist unrunder. Er ist halt auch nur ein Mensch."

Dennoch werde es schwierig sein, den Spanier gerade hier zu bezwingen. "Aber", so Melzer im Hinblick auf Novak Djokovic, dem der Paris-Titel noch in seiner Sammlung fehlt, "wenn Novak es gewinnen will, dann sollte er es heuer gewinnen."

Muster eine Last?

Hat ihn der hohe Anspruch der Fans und Medien in der Ära nach Muster gebremst? "Hätten wir Muster nicht gehabt, hätte ich ein anderes Standing."

"Aber auf der anderen Seite, wäre Tennis so populär, wenn wir Muster nicht gehabt hätten? Vielleicht schon, weil eine Nummer 8 der Welt für die Leute in Österreich etwas Besonderes gewesen wäre", konstatierte Melzer.

Wann immer Melzer sich entscheidet, seinen Schläger ins Eck zu stellen, dann wird er sich diesbezüglich nicht an Muster orientieren. Es wird kein langsames Ausklingen sein.

Nahezu festgelegt hat sich der Deutsch Wagramer, der seit Jahren in Wien lebt, dass er nach Ende seiner Einzel-Karriere nicht im Doppel weiter machen wird.

Plan für Rio 2016

Sein bester Freund, der Deutsche Philipp Petzschner, mit dem er zwei Grand-Slam-Doppel-Titel gewonnen hat, steht nicht zur Verfügung. "Würde 'Petzsche' spielen, würde ich sofort Ja sagen. Dadurch, dass er nicht spielt, glaube ich nicht. Aber ich glaube schon, dass ich Liga spielen werde."

Noch nicht aufgegeben ist das Projekt Olympia in Rio 2016 im Doppel mit Alexander Peya. "Aber da muss ich relativ hoch stehen und Alex müsste in den ersten 10 stehen", so Melzer.

Als Top-Ten-Spieler dürfte Peya sich den Doppelpartner aussuchen. Ab Wimbledon zählen die Resultate für ein Jahr. "Sollte da die Chance bestehen, und er ist erste zehn, spiele ich fix bis Rio."

Für die Zeit nach seiner Karriere will Melzer voraussichtlich seinem Bruder Gerald helfen. Auch eine zukünftige Funktion im ÖTV schließt Melzer nicht aus.

Melzers größter Fan

Doch noch geht es um Weltranglisten-Punkte, Preisgeld, Training und das Reisen um die Welt. Auch wenn die Sehnsucht, sich daheim wirklich zu Hause zu fühlen eher stärker geworden ist.

"Wenn mir zu Hause Freunde sagen, dass sie am Samstag grillen oder dass sie Champions League schauen - und ich muss sagen, ich weiß nicht, ob ich kann." Das stört ihn.