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"Meine persönliche Erwartung ist immer groß"

Nach der Auftaktniederlage von Andreas Haider-Maurer ruhen die heimischen Hoffnungen bei den Erste Bank Open auf Dominic Thiem und wie gewohnt vor allem auf Jürgen Melzer.

Der zweifache Stadthallen-Sieger (2009, 2010) trifft nach seinem Freilos in Runde eins am Mittwoch in der dritten Partie des Tages auf den Luxemburger Gilles Muller (ab 14:50 Uhr LIVE im LAOLA1-Ticker).

"Ein gefährlicher Gegner, der derzeit auf dem gleichen Niveau agiert wie ich", ist dem 31-jährigen Deutsch-Wagramer nach seiner Krisen-Saison bewusst.

Bei LAOLA1 spricht Jürgen Melzer vor seinem Auftaktspiel über...

...die Erste Bank Open 2012:

Es ist eine Spur langsamer als im letzten Jahr und mein bereits 13. Antreten in der Wr. Stadthalle. Auf Tom (Anm.: Muster) fehlen mir nur mehr zwei. Die Freude hierherzukommen ist in den Jahren immer größer geworden.

...die Favoriten:

Wenn man nach der Rangliste geht, ist es natürlich Juan Martin del Potro. Tipsarevic und Haas sind derzeit aber auch sehr gut in Form. Wenn del Potro nach seiner Handgelenksverletzung wirklich fit ist, ist es wohl del Potro. Es ist aber unglaublich, was Haas im Training für eine Einstellung und Intensität an den Tag legt. Der spielt Tennis mit 100 Prozent.

…seine Erwartungshaltung:

Die Erwartungshaltung ist sicher anders als zum Beispiel im Jahr 2010, als jeder erwartet hat, dass ich das Turnier gewinne. Ich kann gar nicht sagen, welche Situation angenehmer ist. Der Druck war 2010 extrem hoch, heuer sind die Erwartungen gering. Meine persönlichen Erwartungen sind in Wien aber immer groß. Ich will mich den Zuschauern von meiner besten Seite zeigen. Die beiden Siege in Peking waren sehr wichtig für mich. Vor allem in der Defensive habe ich wieder besser verteidigt, als es noch davor der Fall war.

...das nahende Ende einer verpatzten Saison:

Man freut sich nach elf Monaten natürlich auf einen Urlaub. Auf der anderen Seite habe ich jetzt am Schluss gemerkt, dass sich mein Körper wieder erfängt und ich wieder besser in den Schlag reinkomme. Ich freue mich jetzt richtig auf die letzten drei Turniere. Dann werde ich zwei Wochen abschalten, einen richtig guten Aufbau für 2013 machen und noch einmal ordentlich Gas geben. Nach Memphis habe ich nach einer Grippe, einem Bänderriss und einem Hüftproblem richtig Scheiße beieinander gehabt. Ich freue mich darauf, dass es nächstes Jahr wieder anders läuft.

...die Kritik von Thomas Muster:

Er hat mir gesagt, dass es teilweise anders geschrieben wurde, als er es gemeint hat. Tom hat nur Fakten aufgezählt. Ich habe sicherlich nicht das Tennis gespielt, was ich mir selber vorgenommen habe. Dass ich als Mitläufer und Doppelspieler ein bisschen Geld verdiene, finde ich ein bisschen überzogen. Ich kann es aber richtig einordnen und ich glaube ich weiß, was er gemeint hat. Seine Aussagen werden halt extrem ins Gewicht geworfen. Es ist kein Geheimnis, dass ich mir die Saison nach Memphis anders vorgestellt habe.

...die Wandlung vom Sportler des Jahres zum Buhmann:

Buhmann ist wieder einmal überzogen ausgedrückt. Die Erwartungshaltung der Tennis-Fans ist einfach sehr hoch. Wenn man dann nicht mehr das bringt, was man schon einmal gebracht hat, entsteht so eine Situation. Wenn man unberechtigterweise eine auf den Schädel bekommt, dann tut das weh. Man hat einfach das Gefühl, dass man das nicht verdient hat. Wenn ich kritisiert werde, dass ich gegen Bradley Khlan (Anm.: Erstrunden-Aus bei den US Open) verliere, dann geschieht das natürlich zu Recht. Da habe ich einfach schlecht gespielt. Wenn's persönlich wird, kriege ich ein Problem damit. Es steht oft, dass mir die Arbeitseinstellung fehlt. Ich weiß nicht, wie viele meiner Kritiker mich schon einmal beim Training gesehen haben. Ich weiß für mich selber, dass ich daran arbeite, besser zu werden.

...ein mögliches Karriereende:

Ich will solange spielen, wie es geht. Tennis-Profi ist der schönste Beruf, den ich mir vorstellen kann. Wie lange es funktioniert, hängt sicher mit meinem Körper zusammen. Wenn ich körperlich nicht voll da bin, wird es schwierig. Das Reisen ist natürlich anstrengend. Wenn man sich überlegt, was die Alternative wäre, schaut es aber schon wieder anders aus. Ich bin nicht der Typ, der zuhause sitzt und ab und zu Golf spielen geht. Ich glaube, dass es extrem wichtig ist, im Leben Ziele zu haben. Ich habe einmal getwittert, dass ich es am meisten hasse, wenn ich Koffer packen muss. Das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau. Dafür kriegt man auch wenig Verständnis. Ich habe noch Ziele im Tennis. Ich will mich wieder vorne etablieren und auf ein Level kommen, auf dem ich mehrere Matches in einer Woche gewinnen kann.

...sein Erstrunden-Duell mit Gilles Muller:

Die beiden gewonnenen Partien gegen ihn sind aus der Steinzeit. An Hertogenbosch kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Das Match in St. Pölten war ziemlich knapp. Muller ist auf jeden Fall gefährlich. Das ist jenes Niveau, auf dem ich mich derzeit befinde. Für einen Sieg brauche ich eine ordentliche Leistung. Wenn er nicht alle Ecken anserviert, werde ich die Partie wohl gewinnen. Wenn er stark aufschlägt, wird es sehr eng werden.

Aufgezeichnet von Christian Frühwald