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"Muss hin und wieder eine Emotion reinbringen"

Am Freitag um 14 Uhr (im LAOLA1-LIVE-Ticker) wird Clemens Trimmel in der Arena Nova von Wr. Neustadt erstmals auf seiner Betreuerbank Platz nehmen und versuchen, das österreichische Team zu einem Sieg über Russland zu führen

Der 33-jährige Wiener ist damit der jüngste Non-Playing-Captain in der ÖTV-Geschichte.

Im LAOLA1-Interview spricht die ehemalige Nummer 147 der Welt über die Chancen auf den erstmaligen Viertelfinal-Einzug seit 1995, seine Philosophie und warum der ehemalige Angestellte einer Dotcom auf ein Handy-Verbot setzt.

LAOLA1: Clemens, du stehst vor deinem Debüt als Davis-Cup-Kapitän. Wie fühlst du dich dabei?

Clemens Trimmel: Sehr positiv. Wir haben sehr intensiv und hart trainiert. Das Gefüge zwischen Spieler und Betreuerstab funktioniert sehr gut. Mein Ziel ist es, das volle Potenzial abzurufen. Ich will am Sonntag Abend sagen können, dass wir alles Menschenmögliche versucht haben, um den Länderkampf zu gewinnen. Wenn wir gewinnen, ist es super. Wenn nicht, ist es traurig, aber das Leben geht weiter. Wir wollen uns aber auf keinen Fall vorwerfen lassen, dass wir uns nicht top vorbereitet haben.

LAOLA1: Du warst selbst zwei Mal als Spieler dabei. Welche Bedeutung hat der Davis Cup für dich?

Trimmel: Ich war sogar drei Mal als Spieler dabei, zwei Mal bin ich eingesetzt worden. Es ist einfach ein hochemotionaler Bewerb. Für mich ist er einer der wichtigsten Mannschaftsbewerbe weltweit. Das kann man am großen Medien-Interesse erkennen. Die Top-Nationen sind normalerweise mit ihren Top-Spielern am Start. Daran sieht man die Wichtigkeit dieses Bewerbs. Man vergisst immer, dass wir in der Weltgruppe zu den besten 16 Nationen der Welt gehören. Darauf können wir jetzt schon stolz sein. Trotzdem ist unser Ziel natürlich das Viertelfinale.

LAOLA1: Tennis ist im Normalfall eine Einzelsportart. Ist es schwierig, aus einer Gruppe Einzelspieler ein Team zu formen?

Trimmel: Ich glaube, dass sich ein Großteil der Spieler sogar darüber freut, zwei oder drei Mal im Jahr zu einem Team-Event fahren zu können. Du bist das ganze Jahr auf der Tour alleine unterwegs und musst ein großer Egoist sein. Der Davis Cup gibt den Spielern die Möglichkeit, eine Woche im Team zu arbeiten. Das ist ja nicht nur der Länderkampf am Wochenende. Wir haben auch einen Betreuerstab, der sich blendend um unsere Spieler kümmert. So etwas hat man auf der Tour ja nicht. Ich weiß, dass unsere Spieler diesen Service genießen. Die Leute freuen sich richtiggehend auf den Davis Cup.

LAOLA1: Du hast nach der Auslosung gesagt, dass du gegen Russland eine 50:50-Chance siehst. Hat sich daran etwas geändert?

Trimmel: Nein. Wenn alle unsere Spieler eine Top-Leistung bringen, haben wir sicher eine 50:50-Chance. Dazu stehe ich nach wie vor.

LAOLA1: Dein Gegenüber auf der russischen Bank ist mit Shamil Tarpishev ein etwas anderer Typ als du. Was kannst du über ihn sagen?

Trimmel: Ich kenne ihn noch nicht. Erfahrung auf der Bank hat er natürlich viel mehr als ich – das ist kein Thema. Wir auf der Bank werden das Spiel allerdings auch nicht gewinnen.

LAOLA1: Bei der Aufstellung hattest du im Gegensatz zu den Russen keine großen Möglichkeiten. Die zwei Einzelspieler standen praktisch fest und auch das eingespielte Doppel-Duo Marach/Peya bot sich an. Ein Vorteil oder ein Nachteil?

Trimmel: Ehrlicherweise hätte ich lieber die Qual der Wahl mit 15 Top-100-Spielern. Das haben wir aber im Moment leider nicht. Ob es jetzt ein Vor- oder Nachteil ist? Es erleichtert zumindest einmal die gezielte Trainingsarbeit. Es ist relativ klar abgesteckt wer im Single und im Doppel spielt. Wobei wir im Doppel mit drei Weltklasse-Spielern mehrere Optionen zur Verfügung hätten.

LAOLA1: Was sagst du zur Aufstellung von Igor Kunitsyn?

Trimmel: Wir waren alle ziemlich überrascht, dass statt Mikhail Youzhny Igor Kunitsyn aufgestellt wurde. Nichtsdestotrotz sind wir auf alle Spieler vorbereitet und eingestellt. Ob Youzhny aufgrund seiner Schulterprobleme nicht aufgestellt wurde – damit beschäftige ich mich jetzt überhaupt nicht. Unser Fokus liegt auf Tag 1 und Tag 2. Sich jetzt auf irgendwelche Spekulationen einzulassen, ob Davydenko oder Youzhny am Sonntag vielleicht doch noch zum Einsatz kommen, das bringt überhaupt nichts. Wir müssen vom ersten Punkt weg Vollgas geben.

Trimmel (r.) mit Andreas Haider-Maurer

LAOLA1: Du wirkst beim Training, als ob du auf dem Platz ein bisschen lauter als dein Vorgänger Gilbert Schaller bist. Ist das so oder täuscht dieser Eindruck?

Trimmel: Ich war bei meinem Vorgänger nie dabei. Ich glaube, dass es gut ist, hin und wieder eine Emotion reinzubringen. Ich will während der Partie auf den Spieler eingehen, wie er es sich wünscht.  Auf der anderen Seite will ich mich aber auch nicht verstellen. Jeder Spieler ist in dieser Beziehung anders. Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich mit den Spielern im Vorfeld abspricht, wie die gegenseitigen Erwartungen sind. Wie soll ich mich am Platz verhalten, wie sollen sie sich am Platz verhalten? Mein Ziel muss es sein, in Druck-Situationen den Druck von meinen Spielern zu nehmen. Alle Charaktere im Team sind sehr angenehm. Wir haben einen sehr guten Teamgeist. Wenn es wirklich einmal eng wird, kann so etwas entscheidend sein.

LAOLA1: Wie stehst du zur Position des Davis-Cup-Kapitäns?

Trimmel: Manche haben den Job als Handtuch-Halter bezeichnet, manche überbewerten diese Position. Ich sehe es in der Mitte. Ich bin nicht dazu da, einen Spieler in einer Woche technisch weiter zu bringen. Ich sehe meine Aufgabe darin, dass die Spieler am Freitag top vorbereitet auf ihre Aufgabe sind.

LAOLA1: Die russischen Spieler sind nur ein bisschen jünger als du. Kennt ihr euch noch von der Tour?

Trimmel: Als ich aufgehört habe, waren schon ein paar auf der Tour dabei. Bei Youzhny kann ich mich noch erinnern, als er bei einem Challenger-Turnier auf einem Nebenplatz gespielt hat. Damals hat mein Trainer zu mir gesagt: „Auf den pass' auf! Der wird noch gut!“ Im Leben trifft man sich halt öfters zwei Mal. Gegen einen Davydenko habe ich selber noch gespielt. Mehr als Smalltalk wird es aber nicht geben.

LAOLA1: Joakim Nyström unterstützt dich zum ersten Mal als Assistenz-Coach. Wie verläuft die Zusammenarbeit?

Trimmel: Er macht ja diese Arbeit nicht zum ersten Mal. Schon vor Jahren war er Assistenz-Coach im österreichischen Team. Er kennt das im Prinzip in- und auswendig. Ich kenne Joki schon… Wobei man fairerweise sagen muss: Er kennt mich schon ewig.  Er hilft mir in gewissen Trainings-Situationen. Vier Augen sehen einfach mehr als zwei. Es ist auch gut für die Spieler, wenn auf jeder Seite ein Coach steht. Jokis Erfahrung hilft uns in vielen Situationen.

LAOLA1: Du hast auch ein paar neue Regeln eingeführt. Unter anderem gilt jetzt ein Handy-Verbot während des Essens. Wie bist du darauf gekommen?

Trimmel: Mir ist wichtig, dass die Spieler miteinander reden. Heutzutage hängen eh nur mehr alle vor ihren Telefonen und im Internet. Wenn gegessen wird, wird gegessen. Es hat niemand etwas davon, dass er es als Tricotronic (Anmerkung für jüngere Generationen: Game Boy-Vorgänger) verwendet. Mir ist einfach wichtig, dass in dieser Woche diszipliniert und konsequent gearbeitet wird. Allerdings darf dabei auch der Spaß nicht zu kurz kommen.

LAOLA1: Angeblich gab es eine Einladung an Dominic Thiem, als Sparring-Partner dem Davis-Cup-Team zur Verfügung zu stehen. Er bzw. sein Betreuerteam habe diese aber ausgeschlagen. Stimmt das?

Trimmel: Das stimmt. Es gab eine Einladung und diese wurde nicht angenommen. Beim nächsten Mal werden wir ihn aber wieder einladen. Ich will aber niemanden zwingen, ein Teil des Teams zu sein. Mit Maximilian Neuchrist haben wir einen guten Sparring-Partner dabei. Zudem ist auch Julian Knowle mit dabei, der meinem erweiterten Kader angehört. Zu Hause ist es natürlich leicht, ein größeres Team zusammen zu bekommen. Auswärts ist so etwas schwieriger zu bewerkstelligen. Es ist auf jeden Fall meine Philosophie, junge Spieler in das Team zu integrieren.

Das Gespräch führte Christian Frühwald