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"Das war nicht mal Schwangerschafts-Gymnastik"

Im vergangenen Jahr trumpfte Dominic Thiem bei den Australian Open erstmals in einem Grand-Slam-Turnier groß auf.

Nach der erfolgreichen Qualifikation scheiterte der 21-jährige Niederösterreicher erst in Runde zwei am Südafrikaner Kevin Anderson.

In diesem Jahr stehen die Vorzeichen nicht sehr gut: In Runde eins bekommt es Thiem schon mit dem an 13 gesetzten Spanier Roberto Bautista-Agut zu tun. Zudem verlief die Vorbereitung alles andere als nach Wunsch.

Stirnhöhlen-Eiterung macht Probleme

Eine Stirnhöhlen-Eiterung setzte den Youngster fast den gesamten Dezember außer Gefecht. Von der Erkrankung noch stark geschwächt verlor er in Auckland bereits in der ersten Runde gegen den jungen Deutschen Jan-Lennard Struff.

„Das war leider nicht anders zu erwarten“, analysiert Coach Günter Bresnik. „Die ersten Trainingseinheiten in Auckland konnte man nicht einmal als Schwangerschafts-Gymnastik bezeichnen. Der Saisonstart ist natürlich alles andere als erfreulich.“

Donnerstagnacht kamen die beiden in Melbourne an. Damit bleiben nur wenige Tage Zeit, um den körperlichen Rückstand halbwegs wettzumachen.

Harte Kritik an ÖTV-Präsident Leitgeb

Im großen LAOLA1-Interview spricht der 53-jährige Niederösterreicher auch über die Ernährungs-Umstellung, den Schlägerwechsel und die von vielen Experten angekündigte Rückkehr des Volley-Spiels.

Außerdem lässt Bresnik harte Kritik am scheidenden ÖTV-Präsidenten Ronnie Leitgeb anklingen: „Mich hat die Amtsperiode von Ronnie echt überrascht. Ich habe nichts gegen ihn und kenne seine Qualitäten, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das, was er in den letzten drei Jahren gemacht hat, mit einem hohen Einsatz verbunden war.“

LAOLA1: Die Generalprobe für die Australian Open ging für Dominic Thiem in Auckland mit einer Erstrunden-Niederlagen gegen Jan-Lennard Struff daneben. Wie beurteilst du die Partie?

 

Thiems körperliche Probleme bereiten Sorgen

LAOLA1: Ändert die verpatzte Vorbereitung etwas an deinen Erwartungen für die neue Saison?

Bresnik: Rankingmäßig will ich keine Prognosen abgeben. Da gehört immer auch etwas Glück dazu. Wenn du einen Lauf hast und gegen einen ebenso starken Spieler spielst und 6:7 im dritten Satz verlierst, hast du trotzdem gut gespielt, den großen Sprung nach vorne dann aber doch nicht geschafft. Es schlägt sich nicht immer in Punkten nieder. Wichtig ist jetzt einmal, dass er körperlich auf ein Top-Niveau kommt und sich spielerisch Schritt für Schritt verbessert.

LAOLA1: Die zweite Saison ist bekanntlich immer eine der schwersten. Vor allem den Nobody-Faktor hat Dominic heuer nicht mehr. Kann das ein Problem werden?

Bresnik: Das überschätzt man immer. Den Dominic kennt man, seitdem er 16 Jahre alt ist und bei den Junioren-French-Open dabei war. Da hat er einmal mit Marin Cilic trainieren dürfen und nach zwei Minuten war er in der Szene bekannt bis hin zu Rafael Nadal. Auch die heutigen Talente wie Coric oder Zverev sind auf der gesamten Tour bekannt. Den Nobody-Faktor gibt es nicht.

LAOLA1: Ihr habt im Winter einen Schlägerwechsel vollzogen. Was versprecht ihr euch davon?

Bresnik: Ein Tapetenwechsel tut hin und wieder ganz gut. Er hat eine Zeit lang herumprobiert und dieser eine Schläger hat ihm voll getaugt. Es wäre jetzt ein bisschen unfair den Babolat-Schläger gegenüber dem alten Head-Schläger zu loben. Es gibt drei, vier Firmen, die ausgezeichnete Schläger produzieren und Head und Babolat sind zwei davon. Diese Entscheidungen spielen sich eher im emotionalen Bereich ab.

LAOLA1: Ist da nicht auch ein gewisses Risiko dabei, falls es nicht nach Wunsch läuft?

Bresnik: Die Spieler wechseln ja auch oft innerhalb derselben Firma. Es ist insofern kein Risiko dabei, weil die Firmen die Schläger den Spielern sowieso persönlich anpassen. Die können auf Zehntelgramm genau arbeiten.

LAOLA1: Vor der neuen Saison haben viele Experten eine Rückkehr des Volley-Spiels angekündigt. Glaubst du das auch bzw. forciert ihr dementsprechend die Arbeit am Volley?

Bresnik: Ob das Volley-Spiel wichtiger wird oder nicht, sei einmal dahingestellt. Du musst so oder so dein Netzspiel immer wieder verbessern. Und wenn du nur fünf Mal im Match zum Volley kommst – diese fünf Punkte musst du dann eben machen. Wenn ein Federer wieder gut spielt, wird diese Diskussion um den Volley wieder aktuell. Solche Situationen gibt es aber schon seit den 70er Jahren. Schon damals hat es einen Borg und einen McEnroe oder einen Lendl und einen Becker oder einen Sampras und einen Agassi gegeben. Dementsprechend wird sicher auch in Zukunft nicht für alle Spieler der Volley wichtig.

Günter Bresnik: Es war leider nicht anders zu erwarten. Dominic lag sowohl in der Vorbereitung auf Teneriffa als auch zwischen Weihnachten und Silvester zuhause krank im Bett. Dann sind wir nach Neuseeland geflogen und die ersten Trainingseinheiten konnte man aufgrund seines geschwächten Zustands nicht einmal als Schwangerschafts-Gymnastik bezeichnen. Dominic ist also quasi ohne Vorbereitung in die Saison gestartet. Dafür war das Match gegen Struff nicht schlecht.

LAOLA1: Was war das genau für eine Verkühlung, mit der sich Dominic herumgeplagt hat?

Bresnik: Es war mehr als eine Verkühlung, es war eine Stirnhöhlen-Eiterung. Bei jeder schnellen Bewegung glaubt man, dass es einem den Kopf zerreißt. Zudem hatte er hohes Fieber, das er nur langsam ohne Antibiotika auskuriert hat. Es lief alles sehr unglücklich. Zuerst die vier Wochen Bundesheer, dann die Erkrankung – der Saisonstart ist natürlich alles andere als erfreulich. Ich hoffe, dass er den Rückstand bald wieder aufholen kann.

LAOLA1: Wie sieht der Plan aus, um für die Australian Open noch halbwegs in Schuss zu kommen?

Bresnik: In den letzten Tagen in Auckland konnte er schon ganz gut trainieren. Aber du kannst nicht von 0 auf 100 beschleunigen. Nur schön langsam können wir das Pensum steigern.

LAOLA1: Habt ihr in der Vorbereitung trotz der gesundheitlichen Probleme irgendetwas speziell verbessern können?

Bresnik: Nein, nicht wirklich. So eine Vorbereitung, wie wir sie hatten, kann man gar nicht ernst nehmen. Die Verkühlung hat er sich ja noch beim Bundesheer eingefangen und seitdem immer mitgeschleppt. Er konnte die meisten Sachen nur im Schongang machen. Ich habe ihn schon vor dem normalen Ende der Vorbereitung nach Hause schicken müssen, weil es einfach keinen Sinn gemacht hat.

LAOLA1: Immerhin habt ihr die Ernährung umgestellt.

Bresnik: Ja, das haben wir aber schon nach Wien gemacht. Da geht es einfach darum, dass er ein bisschen weniger und manche Dinge gar nicht mehr isst. Er soll Gewicht, aber keine Substanz verlieren. Da muss man erst einmal Erfahrungswerte sammeln, wie der Körper reagiert. Dominic ist ein sehr disziplinierter Bursche. Wenn er so etwas macht, dann macht er das mit einer bewundernswerten Konsequenz. Man wird aber erst in einem halben oder dreiviertel Jahr sehen, was sich dann alles verbessert hat.

LAOLA1: Bei Djokovic hat man ja gesehen, was so kleine Mosaiksteinchen wie eine Ernährungs-Umstellung an der Weltspitze für Auswirkungen haben können.

Bresnik: Das ist richtig. Wobei es bei Dominic beim körperlichen Zustand noch nicht um Mosaiksteinchen geht, sondern um riesige Brocken. Wenn Dominic so wie im vergangenen Jahr sechs Monate gesund bleibt, dann geht da schon ordentlich was weiter. Spielerisch mache ich mir wirklich keine Sorgen, aber es ist halt bitter, wenn du dir so kurz vor einem Grand-Slam-Turnier die Vorbereitung versaust und dir dann die Zeit davon läuft.

ÖTV-Präsident Leitgeb hört im Februar auf

LAOLA1: Ist das Amt des Präsidenten zu politisch?

Bresnik: Ronnie hat das Problem nicht. Er braucht diesen Job nicht und ist dort der fachlich Kompetenteste. Ohne Einsatz geht es aber nicht. Ich wäre auch gerne Coach und würde in Wien bei meiner Familie sitzen. Das geht aber nicht. Ich bin 53 Jahre alt und toure 30 Wochen im Jahr durch die Welt. Das hätte ich mir vor fünf Jahren nicht vorstellen können. Wenn du etwas gut machen möchtest, dann musst du entsprechenden Einsatz zeigen. Sonst ist das Betrug an allen Beteiligten.

LAOLA1: Bist du dann auch der Meinung von Ronnie Leitgeb, dass das Präsidentenamt nicht mehr ehrenamtlich geführt werden soll?

Bresnik: Das ist eine klassische Ronnie-Aussage, in der unterschwellig mitschwingt: „Wenn ich es hauptamtlich mache, würde ich es besser machen!“ Das taugt mir nicht. Wenn ich eine Sache mache – hauptamtlich oder ehrenamtlich – dann mache ich sie gut. Oder ich mache sie gar nicht.

LAOLA1: Wer glaubst du, wird nächster ÖTV-Präsident?

Bresnik: Mir ist das ehrlich gesagt völlig egal. Ich habe mit dem Verband keine Berührungspunkte. Ich bin vollkommen autark und froh darüber. Ich habe Ronnie auch eine Kooperation angeboten. Wenn aber jemand einen Vertrag ein halbes Jahr später mit Bomben und Granaten kündigt, dann taugt mir so etwas nicht. Mit solchen Leuten kann und will ich nicht zusammenarbeiten. Man muss sehen, wie der nächste Präsident agiert. Ich würde schon gerne etwas für das österreichische Tennis machen und habe auch meine Ideen dazu. Aber die plaudere ich nicht aus, sondern bespreche ich unter vier Augen mit dem Präsidenten. Garantie auf Erfolg gibt es sowieso keine.

Das Gespräch führte Christian Frühwald

LAOLA1: Wobei sich in den letzten Jahren schon sehr viel auf der Grundlinie abgespielt hat.

Bresnik: Das hängt von den Belägen und den Bällen ab. In Auckland war es zum Beispiel sehr schnell. Sogar so schnell, dass es dann sogar nur auf den Aufschlag ankam, weil es meist zu gar keinem Volley mehr kam. So etwas kommt immer in Schüben. Eine Zeitlang dominieren die Aufschläger, dann wieder die Rückschläger. Wo es hingeht, weiß ich nicht. Es ist aber notwendig, dass man über so ein komplettes Spiel verfügt, dass man für alle Eventualitäten gerüstet ist und auf allen Belägen spielen kann. Dafür braucht man auch definitiv ein gutes Volley-Spiel.

LAOLA1: Du hast selbst im Dezember ausgeschlossen, aufgrund von Zeitmangel Davis-Cup-Kapitän werden zu wollen. Steht ihr mit dem ÖTV in Kontakt, bezüglich eines neuen Kapitäns? Schließlich wird Dominic in den nächsten Jahren wohl kein unwesentlicher Bestandteil des Teams sein.

Bresnik: Der Verband ist derzeit ein Schiff ohne Steuermann und Kapitän. Ich würde deshalb nur jemanden für diese Saison einsetzen und keinen langfristigen Vertrag abschließen. In der momentanen Situation ist Stefan Koubek für mich die beste Lösung. Ich glaube, dass er auf der Bank sehr gut ist.

LAOLA1: Mit Dominik versteht er sich wahrscheinlich auch sehr gut, schließlich ist er als dein Schützling jahrelang ein Stallkollege von ihm gewesen.

Bresnik: Um das geht es gar nicht. Wir wissen noch gar nicht, ob Dominic gegen Schweden spielt, da ja in der folgenden Woche das ATP-1000-Turnier in Indian Wells ist. Wenn ich dort am Donnerstag spielen soll, kann ich nicht am Montag aus Wien abreisen. Können tu ich es schon, nur bin ich dann extrem schlecht vorbereitet. Stefan ist ein Tennis-Experte, der das Spiel sehr gut liest – sowohl vom eigenen als auch vom gegnerischen Spieler. Das ist für mich das Wichtigste und nicht, ob er sich gut mit den Spielern versteht. Das wäre dann vielleicht ein zusätzliches Plus. Ich halte aber nichts von der „Verhaberung“ des Davis-Cup-Kapitäns.

LAOLA1: Du hast die schwierige Situation im Verband bereits angesprochen. Was würdest du der zukünftigen Führung des ÖTV, die es ja noch gar nicht gibt, für die Zukunft raten?

Bresnik: Ich kann nur so viel sagen, dass es wichtig ist, wenn jemand einen Job übernimmt, bei dem er sich in manchen Bereichen nicht auskennt, dann wäre es gut, wenn er zwei, drei Experten darüber befragen würde, was diese für gut halten. Und aus diesem Feedback kann man sich dann etwas zusammenschnitzen. Dass es in Österreich nur zwei, drei Leute gibt, die sich im Spitzensport wirklich auskennen, ist eh bekannt. Das ist in den letzten Jahren nicht passiert.

LAOLA1: Wie schaut deine Bilanz der Ronnie-Leitgeb-Ära aus?

Bresnik: Mich hat die Amtsperiode von Ronnie echt überrascht. Ich habe nichts gegen ihn und kenne seine Qualitäten, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das, was er in den letzten drei Jahren gemacht hat, mit einem hohen Einsatz verbunden war. Ronnie sollte schon wissen, wie es geht. Es gab so viele schlechte Entscheidungen. Clemens Trimmel ist zum Beispiel ein netter Kerl, den ich wirklich mag. Jahrelang wurde er aber falsch eingesetzt und jetzt, wo er sich auskennt, wird er rausgeschmissen. Wobei ich die internen Dinge nicht kenne und mir deshalb darüber kein Urteil anmaßen will. Ronnie hat diese Entscheidungen vielleicht nicht selber getroffen, aber er hat sie zumindest mitgetragen. Ich bin kein Freund von dieser Einstellung. Wenn ich von einer Entscheidung nicht überzeugt bin, trage ich sie keine Sekunde mit.