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"Habe alle Wehwehchen in den Griff bekommen"

Jürgen Melzer hat im Herbst seiner Karriere noch einmal alles auf eine Karte gesetzt.
 
Mit einer völlig neuen Saisonvorbereitung mit seinem neuem Trainer Alexander Waske in dessen Akademie in Offenbach absolvierte er vier Wochen lang eine der "intensivsten Aufbauzeiten" seiner Karriere.
 
Der 31-jährige Niederösterreicher, der als Top-30-Spieler in seine bereits 15. Saison als ATP-Profi startet, sieht frisch motiviert der nächsten Saison entgegen.
 
Melzer feilt an Rückhand und Aufschlag
 
Mit Waske, mit dem er 2005 bei den Australian Open bis ins Halbfinale vorgestoßen war, besprach der frühere Weltranglisten-Achte und French-Open-Halbfinalist seine Tennisphilosophie und feilte besonders an Rückhand und Aufschlag.
 
Im Gespräch mit der APA äußerte sich Melzer erstmals über die Möglichkeit, seine Karriere vielleicht doch nach dem Einzel mit dem Doppel ausklingen zu lassen, spricht über die "innerliche Ruhe", die ihm die Hochzeit mit seiner Frau Iveta (vormals Benesova) gebracht hat, und wähnt sich im für ihn wohl "schönsten Beruf".
 
Am Christtag fliegt Melzer zum Saisonbeginn nach Australien.
 
Frage: Wie läuft Ihre Vorbereitung mit neuem Trainer und neuem  Umfeld?
 
Jürgen Melzer: "Es lauft ganz gut. Die Vorbereitung ist hart. Sie ist anders als in den letzten Jahren. Es ist auch anders, in einer Art Gruppe zu trainieren. Natürlich ist es individuell, aber wir sind doch relativ viele Leute hier."
 
Frage: Da sind ja auch bekannte Namen dabei, oder?
 
Melzer: "Ja, (Andrea) Petkovic und (Angelique) Kerber, Benjamin Becker war auch hier. Das sind die, die man eher kennt. Es entsteht eine gewisse Gruppendynamik und man pusht sich gegenseitig. Es ist halt einfach eine richtige Akademie."
 
Frage: Inwiefern ist das Training anders als früher?
 
Melzer: "Wir haben an meiner Rückhand etwas umgestellt. Ich habe da sehr oft Rückenlage bekommen. Wir haben daran gearbeitet, dass wegzukriegen. Es ist eine Herausforderung, Muster, die man doch sehr lange gemacht hat, zu verändern. Aber das ist das Schöne im Alter, dass es immer noch Herausforderungen gibt."
 
Frage: Haben Sie auch beim Aufschlag etwas geändert?
 
Melzer: "Der Wurf ist ein bisschen weiter nach links und ein bisschen weiter nach hinten, weil ich den Ballwurf sehr oft zu weit nach vorne gehabt habe. Und wir haben natürlich konditionell gearbeitet: Die ersten drei Wochen waren sehr hart."
 
Frage: Besonders nach Ihrer Hochzeitsreise auf die Malediven, oder?
 
Melzer: "Ja, wobei deswegen macht man ja den Urlaub, damit man dann entspannt ist. Ich habe mich auf die Vorbereitung wieder gefreut und ich  habe wieder ein Ziel vor Augen: Meinen Körper wieder so in Schuss zu  kriegen, dass ich wieder auf einem Level spielen kann, das mir  entspricht."

Jürgen Melzer will wieder in die Top 20

Frage: Der Davis Cup in Kasachstan Anfang Februar wird auf Sand ausgetragen. Wie sehen Sie die Chancen?

Melzer: "Ich verstehe es bis jetzt nicht, warum. Ich finde, dass sie auf Hartplatz gefährlicher sind, wie ein Kukuschkin oder ein Korolew. Man darf die nicht unterschätzen, wenn sie einen Lauf haben, kann es gefährlich werden."

Frage: Die Chance auf das zweite Weltgruppen-Viertelfinale in Folge ist dennoch nicht so klein.

Melzer: "Keine Frage, wir haben eine sehr gute Chance, dort zu bestehen. Mir taugt es, dass wir dorthin fahren können, und sagen, wir müssen nicht auf etwas hoffen, sondern wenn wir unsere Leistung bringen, dann gewinnen wir das."

Frage: Entscheiden Sie: Lieber noch Turniersiege auf bisherigem Niveau oder wieder einen weiten Vorstoß bei Majors?

Melzer: "Ich will mich nicht festlegen. Das Ziel muss wieder sein, in der zweiten Woche bei einem Grand Slam zu spielen. Ich bin jetzt nach Offenbach gegangen, habe mich da jetzt alleine vier Wochen vorbereitet. Das macht man ja nicht zum Spaß. Ich bin von meiner Frau weg, ich bin von meiner Familie und Freunden weg - das war jetzt schon ein gewisses Opfer. Ich habe sonst alle meine Vorbereitungen immer zu Hause gemacht."

Frage: Sehen Sie 2013 eventuell schon als Ihr vorletztes Jahr auf der Tour oder denken Sie über 2014 hinaus?

Melzer: "Das ist so ein schöner Job, warum soll ich nicht weiterspielen? Nur, wenn du von jeder Woche auf die andere eine neue Verletzung aufreißt, dann wird es mühsam. Aber ich werde ziemlich sicher nie wieder so einen schönen Beruf haben, deshalb wäre es dumm, aufzuhören."

APA: Wie wichtig war der Wechsel zu Alexander Waske?
 
Melzer: "Der Wechsel war für mich insofern wichtig, um einfach noch  einmal neue Motivation zu bekommen. Wir haben uns lange über mein Tennis unterhalten und er sieht mich so wie ich mich sehe. Daran arbeiten wir. Es sind sehr viele Stunden: Es ist sicher von der Stundenanzahl her eine meiner intensivsten Aufbauzeiten."
 
APA: Wie viele Stunden sind das in etwa?
 
Melzer: "Etwa sieben am Tag. Immer mit einer halben Stunde  aufwärmen, zweimal zwei Tenniseinheiten, eine Kraft-, eine Ausdauereinheit."
 
Frage: Was kann man denn spielerisch von Jürgen Melzer 2013 erwarten?
 
Melzer: "Sicherlich aggressiver, aber auch wieder sicherer von den Schlägen her."
 
Frage: Ist das nicht ein bisschen ein Widerspruch?
 
Melzer: "Na ja, wenn man sagt, wie habe ich in Memphis (Turniertitel 2012, Anm.) gespielt? Drei, vier solide Schläge von hinten und wenn ich eine Chance gekriegt habe, habe ich sie genommen. Das muss wieder das Ziel sein: Ein solides Spiel von hinten und mir dann meine Chancen erarbeiten. Die muss ich dann aber auch nützen. Vor allem ist es auch das Ziel, körperlich nicht jede Woche schauen zu müssen, ob ich überhaupt spielen kann."
 
Frage: Die Zusammenarbeit mit Alexander Waske ist fixiert?
 
Melzer: "Es ist noch nicht abgemacht. Die letzten Details werden geklärt."
 
Frage: Mit Ihrem Manager Ronnie Leitgeb geht es weiter - wie sieht es mit Ihrem sonstigen Team aus?
 
Melzer: "Mein Konditionstrainer hier, Christian Rauscher, ist selbst Physiotherapeut. Und für die Grand-Slam-Turniere und die Woche davor betreut mich ein Osteopath, Mathieu Grand-Girard, ein Franzose, der nach Österreich gezogen ist. Mit ihm habe ich schon etwas gemacht. Er hat auch mit Kavlak und Pelivan (österreichische Fußball-Legionäre, Anm.) in der Türkei gearbeitet."
 
Frage: Welche Turniere stehen in den ersten Wochen auf dem Plan?
 
Melzer: "Ich werde Brisbane, Auckland und Melbourne spielen. Dann ist Davis Cup."
 
Frage:: Werden Sie die Einsätze wie andere Spieler über 30 reduzieren?
 
Melzer: "Heuer waren es nicht so viel, weil ich viel verletzt war. Aber mein Körper fühlt sich jetzt sehr gut an. Wir haben alle Wehwehchen in den Griff bekommen und wirklich hart trainiert. Daher möchte ich auch ein bisschen was spielen."

Frage: Die Frustrationen, die der Job auch mit sich bringt, machen den Blick in Richtung Karriere-Ende also nicht leichter?
 
Melzer: "Ich blicke dem Karriere-Ende leichter entgegen, weil ich einfach in meinem Beruf etwas erreicht habe. Dass ich nicht ewig spielen kann, weiß ich..."
 
Frage: ... außer Sie spielen nur Doppel weiter...
 
Melzer: "Das habe ich vor zwei, drei Jahren ausgeschlossen, mittlerweile.. Vielleicht hänge ich noch ein, zwei Saisonen dran. Das hängt von vielen Dingen ab."
 
Frage: Sie haben Ihre Hochzeitsreise hinter sich. Hat diese private
Entwicklung den Blick auf das Tennis irgendwie verändert?
 
Melzer: "Ich glaube schon, eine Heirat macht man nicht einfach so. Innere Ruhe gibt es einem, finde ich. Ich freue mich auf die gemeinsame Zukunft mit meiner Frau, nichtsdestotrotz will ich in meinem Beruf erfolgreich bleiben. Man muss dieser Sache hundert Prozent geben. Wenn man das nicht macht, dann gewinnt man, vor  allem in meinem Alter, wenig."
 
Frage: Planen Sie nun auch, ein gemeinsames Nest zu bauen?
 
Melzer: "Nein, im Moment noch nicht. Wir behalten unsere beiden Wohnsitze noch."
 
Frage: Noch eine Frage zu Ihrer Frau, die sowohl bei der WTA als auch
auf ihrem Twitter-Account noch Benesova heißt - sie hat aber doch
Ihren Namen angenommen?
 
Melzer: "Sie heißt Melzer, aber es dauert so lange. Den Twitter-Account wird sie nicht ändern, aber auf der WTA-Tour kann man es erst ändern, wenn man den Pass hat und es dauert sehr lange, bis alles übersetzt worden ist. Vor Februar hat sie gar keinen Pass, laut dem sie Melzer heißt."
 
Frage: Gibt es beim Ehepaar Melzer denn für die Zeit nach der Karriere
einen Kinderwunsch?
 
Melzer: "Den wird es irgendwann geben, ja klar."