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"Für diesen Sport gibt es in Österreich keine Lobby"

Der Schnee hat ihn sogar bis nach Belgien verfolgt.

Nach einer Rennabsage und einem kurzen Zwischenstopp in seiner Wahl-Heimat Klagenfurt bereitet sich Österreichs Radsport-Ass Bernhard Eisel in den kommenden Wochen auf Teneriffa auf die Klassiker-Saison vor.

Sein 13. Profijahr soll ein glückliches werden. Mit der APA sprach der 32-jährige Steirer über neue Wege der Trainingsgestaltung, seine öffentliche Wahrnehmung und das angekratzte Image des Radsports.

Frage: Superstar Mark Cavendish hat Ihr Team Sky verlassen. Wie groß ist die Chance, dass Sie in dieser Saison wieder mehr Rennen auf Sieg fahren können?

Eisel: "Ich mache mir keine Illusionen. Wenn die Form stimmt, kann ich Rennen gewinnen. Wenn ich die nackten Zahlen sehe, dann weiß ich aber, dass es noch schnellere Männer gibt - auch bei uns im Team. Mein Joker ist die Erfahrung. Niemand erwartet von mir, dass ich noch einmal als große Sprintrakete auftauche. Mit meiner Größe ist es schon sehr schwierig, gegen die viel kleineren, besten Sprinter zu bestehen. Gegenüber einem Cavendish muss ich 300 Watt mehr treten, damit ich dieselbe Geschwindigkeit erreiche."

Frage: Bisher ist es aber nicht schlecht gelaufen.

Eisel: "In Katar hätte ich die Rundfahrt mit ein bisschen Glück auch gewinnen können. Cavendish war stark, aber ich weiß, dass man ihn schlagen kann - wenn auch nur sehr schwierig. Wir haben unser Training in der Anfahrt zu den Klassikern heuer komplett verändert. Wir lassen die Vorbereitungsrennen aus und gehen nach Teneriffa in die Höhe. Dazu machen wir viel mehr schnelle Intervalleinheiten. Wir wissen nicht, wie es aussieht - vielleicht sind wir die Matchwinner, vielleicht aber auch die große Lachnummer."

Frage: Mit diesem Risiko - mit welchen Zielen gehen Sie in die Saison?

Eisel: "Die Tour de France ist das Wunschprogramm. Von meiner Endschnelligkeit habe ich nicht wirklich etwas verloren. Ein Top-3-Platz auf einer Etappe ist drin. Ich werde mich aber jederzeit in den Dienst der Mannschaft stellen. Jedes Jahr ohne Tour ist ein verlorenes Jahr. Davor zählen vor allem die Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix, aber auch andere Klassiker in Belgien. Ich würde gerne wieder einmal ganz oben stehen."

Frage: Das würde auch Ihre öffentliche Wahrnehmung verstärken.

Eisel: "In Österreich werde ich nicht so gefeiert, damit kann ich leben. Damit lebe ich seit Jahren. Ich bin in Österreich in meiner Karriere auch wenig Rennen gefahren. Viele Leute kennen vielleicht meinen Namen und wissen, dass ich Radfahrer bin. Aber mit meinem Lebenslauf können die Wenigsten etwas anfangen. Wenn ich etwas auf Twitter poste, dann weiß ich, dass das vielleicht fünf Österreicher lesen. Das ist mir bewusst."

Frage: Woran liegt es, dass Sie als Radsportler im Ausland einen viel größeren Stellenwert genießen als in der Heimat?

Eisel: "Das hat auch mit dem Medieninteresse zu tun. In Österreich wird jeden Tag ein 24-seitiges Extra von der Ski-WM produziert, aber es gibt keinen Platz für den Radsport. Das verstehe ich nicht. Für diesen Sport gibt es in Österreich keinen Rückenwind, er hat keine Lobby."

Frage: Könnte das auch mit dem von der Dopingthematik angeschlagenen Image zu tun haben?

Eisel: "Das hindert aber niemanden daran, über den Sport per se zu berichten. Ich bin Sportler und als solcher möchte ich ernst genommen werden. Ich bin Profisportler und kein Clown. Wir bringen alle unsere Leistung."

Frage: Im Fuentes-Prozess in Spanien sind auch Athleten anderer Sportarten genannt worden, die sich verbotener Praktiken bedient haben. Ist die Außendarstellung des Radsports schlechter als er ist?

Eisel: "Das ist meine Meinung, auch wenn sie mir mit Sicherheit niemand glaubt: Es ist der mit Abstand meistkontrollierte Sport überhaupt. In den letzten Jahren ist ein neuer Radsport entstanden. Es ist ein komplett anderes Radfahren. Es liegt aber nicht an uns, mit dem Finger auf andere Sportarten zu zeigen."

Frage: Tun die jüngsten Enthüllungen dem Sport gut oder schaden sie ihm?

Eisel: "Im ersten Moment schadet es dem Image, aber es ist wichtig, dass richtig aufgeräumt wird. Die Berichte über Fuentes oder Ähnliches überfliege ich aber nicht einmal mehr. Das sind alles keine Neuigkeiten. Diese ganzen Dinge haben wir vor fünf Jahren auch schon gewusst. Da wird eine längst zurückliegende Vergangenheit aufgearbeitet."

Frage: Zurück zum Radsport in Österreich. In Wien wird in zwei Wochen die Bevölkerung befragt, ob sich die Stadt um Olympische Spiele bewerben soll. Könnte das ein Impuls sein?

Eisel: "Vielleicht. Als Sportler wird es mich zwar 2028 nicht mehr geben, aber gerne als Zuschauer. Für die Austragung von Sommerspielen muss man mittlerweile eine riesige Stadt sein, sonst kann man sich das kaum leisten. Die Stadien müssten auch weitergeführt werden. Es wäre schön, wenn der Radsport in Österreich wieder eine richtige Plattform bekommen würde. Derzeit sehe ich nur Einzelkämpfer. Es gibt keine Sportart außer dem Skisport, die wirklich etwas auf die Beine stellen kann. Das hat auch mit den öffentlichen Förderungen zu tun."