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Ausreißer-König Voeckler: Keine Träume, aber ein Ziel

Ausreißer-König Voeckler: Keine Träume, aber ein Ziel

Seit Bernard Hinault im Jahre 1985 gelang es keinem Franzosen mehr, die Tour de France zu gewinnen.

Auch in diesem Jahr ist ein französischer Sieg bei der "Grand Boucle" sehr unwahrscheinlich, ein Top-Ten-Platz wäre bereits ein großer Erfolg für die Radsport-Nation.

Einer, der vor drei Jahren am Tour-Sieg schnuppern durfte, ist Thomas Voeckler. 2011 wurde er - dank eines großen Vorsprungs, den er sich auf der neunten Etappe mit Hilfe einer Ausreißergruppe erarbeitet hatte - Vierter des Gesamtklassements.

Normalerweise konzentriert sich der Liebling der Franzosen bevorzugt auf Etappensiege und Ausreiß-Attacken. Das Gesamtklassement überlässt er lieber seinem Europcar-Kollegen Pierre Rolland.

Im exklusiven LAOLA1-Interview spricht der 35-Jährige über seine größte Stärke, die Besonderheit der Tour de France und die schlimmsten Momente seiner Karriere.

LAOLA1: In der Saison 2014 hast du noch keinen Sieg feiern dürfen, welche Bilanz ziehst du bislang?

Thomas Voeckler: Der erste Teil meiner Saison verlief enttäuschend. Zweimal war ich nicht weit von einem Sieg entfernt, aber damit kann ich nicht zufrieden sein. Ich hoffe, dass sich das in nächsten Wochen ändern wird. Auch meine Dauphiné war sehr durchschnittlich, könnte man sagen. Ich konnte mich nicht so in Szene setzen, wie ich es mir gewünscht hätte.

LAOLA1: Wir würdest du deine aktuelle Form beschreiben, wie geht es dir nach deinem Schlüsselbeinbruch im Januar?

Voeckler: Ich befinde mich in einer guten Verfassung, der Bruch ist nur noch eine alte Erinnerung. Aber ich muss doch seit einigen Jahren feststellen, dass mein Körper mit inzwischen 35 Jahren mehr Zeit zur Regeneration braucht…

LAOLA1: Was erwartest du dir von der Tour de France?

Voeckler: Nach allem, was ich bereits bei der Tour erlebt habe, ist mein einziges Ziel, Spaß zu haben. Hat man Spaß, kommen die guten Resultate beinahe automatisch.

LAOLA1: Wie ist die Rollenverteilung bei euch im Team?

Voeckler:  Ich habe mich nie in der alleinigen Leader-Rolle bei der Tour de France gesehen. Wir haben Coquard für die Sprints mit zwei bis drei Teamkollegen, Rolland für das Gesamtklassement mit drei bis vier Teamkollegen und dazu mich als "freies Elektron".

LAOLA1: Es wird deine 12. Teilnahme sein. Was bedeutet die Tour de France für dich? Was macht sie einzigartig?

Voeckler: Es ist das einzige Radrennen, welches die Grenzen der Radsportwelt verlässt und ganz einfach die ganze Welt erreicht.

LAOLA1: Vor zehn Jahren hast du das erste Mal durch deine Erfolge bei der Tour de France auf dich aufmerksam gemacht. Welche Erinnerungen hast du an diese Zeit?

Voeckler: Ich erinnere mich an den harten Kampf, den ich führen musste, um das Gelbe Trikot zu behalten und wie ich plötzlich entdeckte, wie es sich anfühlt, berühmt zu sein.

LAOLA1: 2011 wurdest du Gesamtvierter der Tour de France – was hat sich an deiner Fahrweise und deinem Training für dich geändert, seit du gesehen hast, dass du mit den besten Kletterern mithalten kannst?

Voeckler: Ich habe nicht wirklich etwas an meinem Training geändert, im Gegenteil – seitdem fahre ich seltener Rennen mit vielen Bergen mit vollem Ehrgeiz.

LAOLA1: Was bedeutet es, der Liebling der französischen Fans zu sein? Welche Verantwortung geht damit einher?

Voeckler: Ich fühle mich nicht so, als würde ich viel Verantwortung tragen. Berühmt sein hat seine schönen, aber auch seine Schattenseiten, wie etwa im Privatleben…

LAOLA1: Seit vielen Jahren gehörst du zu den aktivsten Fahrern des Pelotons. Was charakterisiert dich als Fahrer und worin siehst du deine größte Stärke?

Voeckler: Mich machen meine Offensivfreudigkeit und Angriffslust aus, meine größte Stärke ist meine absolute Entschlossenheit.

LAOLA1: Denkst du mit 35 Jahren schon an dein Karriereende?

Voeckler: Ja, klar denke ich daran und an den Umstellungsprozess, den dieses mit sich ziehen wird… Aber solange ich noch auf dem Rad sitze, ignoriere ich das, egal, ob ich noch ein, zwei oder vier Jahre fahren werde.

LAOLA1: Welcher französische Fahrer hat für dich das größte Potenzial?

Voeckler: Barguil (Warren Barguil fährt für das Team Giant-Shimano und gewann im letzten Jahr zwei Etappen der Vuelta, Anmerk.).

LAOLA1: Nach einigen Jahren der Dürre im französischen Radsport ist dieser nun neu erstarkt. Warum? Was hat sich geändert?

Voeckler: Ich glaube einfach, dass die neue Generation begabter und talentierter ist als meine.

LAOLA1: Wer sind für dich die Tour-Favoriten 2014? Aus französischer Sicht?

Voeckler: Chris Froome ist für mich eindeutig der Favorit. Romain Bardet fährt in die Top Fünf.

LAOLA1: Warum bist du Radsportler geworden?

Voeckler: Schon mit 14 wusste ich, dass ich diesen Job machen möchte. Warum? Das weiß ich nicht.

LAOLA1: Erzähle uns von deinem besten und deinem schlimmsten Moment deiner Karriere.

Voeckler: Schlimmste Momente hatte ich drei – das waren meine drei Schlüsselbeinbrüche 2009, 2013 und 2014. Der beste Moment war mein französischer Meistertitel 2010 in der Vendée vor heimischem Publikum. Die Straße, in der sich das Ziel befand, trägt sogar meinen Namen!

LAOLA1: Was ist dein größter Traum?

Voeckler: Ich habe keine Träume, aber ein Ziel: Ich möchte an dem Tag, an dem ich mein Rad in Ecke stelle, sagen können, dass ich immer alles gegeben habe.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Henriette Werner