news

Wegen sieben Sekunden: King wird rausgeworfen

Wegen sieben Sekunden: King wird rausgeworfen

Acht lange Jahre hatte er als Profi darauf hintrainiert.

In diesem Jahr sollte es endlich klappen. Ted King wurde erstmals für die Tour de France nominiert.

Ein Traum - und das zum 100. Jubiläum der bedeutendsten Rad-Rundfahrt der Welt.

Ein Traum, der sich für den US-Amerikaner nach nur wenigen Tagen als Alptraum entpuppte.

Vom Traum zum Alptraum

Die Pariser Champs Élysées war sein Ziel. Die Prachtstraße inmitten der französischen Hauptstadt bildet alljährlich den krönenden Abschluss nach dreiwöchiger Qual.

Für King ist die Tort(o)ur jedoch viel früher zu Ende. Nach dem vierten Tag, um genau zu sein. Die Verantwortlichen disqualifizierten den 30-Jährigen und warfen ihn damit aus dem Rennen.

Lächerliche sieben Sekunden fehlten dem Cannondale-Profi im Mannschaftszeitfahren, um die Karenzzeit zu unterbieten. Sieben Sekunden, die ihn um all die harte Arbeit der vergangenen Wochen, Monate und Jahre brachten.

Ted King zeigt seine Verletzungen

Am ersten Tag gestürzt

Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? King gehörte zu den Dutzenden Opfern des schweren Massensturzes auf der ersten Etappe von Porto-Vecchio nach Bastia.

Dabei zog er sich zahlreiche Hautabschürfungen und Schnittwunden zu, zudem erlitt er Prellungen und eine Schultereckgelenksprengung (siehe Bild).

Von Aufgeben jedoch keine Spur. King, der keine Ambitionen auf das Gesamtklassement hatte und auch nicht zu den Top-Zeitfahrern oder -Sprintern zählte, wollte seine Aufgabe als Wasserträger für Peter Sagan zur Zufriedenheit seines Teams erledigen.

Er wollte Teil der Tour sein und die drei Wochen trotz aller Anstrengungen genießen. So biss er tapfer auf die Zähne und setzte die „Große Schleife“ trotz Schmerzen fort.

Das Unheil nahm seinen Lauf

Auf dem zweiten Teilstück verlor er mehr als 17 Minuten auf die Schnellsten, auf dem dritten noch einmal mehr als neun. Im Gesamtklassement fand er sich an 189. Position wieder - bei noch 196 teilnehmenden Fahrern.

Am Mittwoch nun das Teamzeitfahren. Von Beginn an stellte sich die Frage, wie lange er mit seinen Mannschaftskollegen würde mithalten können.

Nun, es waren nur wenige der 25 zu absolvierenden Kilometer, als Edward Carrington King, so sein vollständiger Name, den Anschluss verlor. Deshalb aufzugeben, kam für den kernigen US-Amerikaner allerdings nicht in Frage.

Aufgrund der großen Schmerzen in aerodynamischer Zeitfahr-Position sah er sich gezwungen, auf das gewöhnliche Straßenrad zu wechseln.

Keine Gnade für Ted King

Gesagt, getan, machte er sich solo auf den Weg und kämpfte um jede Sekunde, denn er wusste, es würde eng mit der Karenzzeit. Letzten Endes zu eng, denn wie eingangs erwähnten fehlten im einige Sekunden.

Wer nun glaubt, die für die Tour verantwortliche ASO würde angesichts der Vorgeschichte ein Erbarmen haben, irrt - King wurde aus der Ergebnisliste genommen.

Dabei hatte Peter Luttenberger die Entscheidungsträger noch vor wenigen Tagen gelobt. " Ich muss den Tour-Verantwortlichen ein positives Zeugnis ausstellen. Natürlich suchen sie das Spektakel, aber sie gehen immer sehr respektvoll mit den Fahrern um. Sie achten sehr auf die Sicherheit und gehen auf die Strapazen ein", so der Steirer.

„Lasst uns Menschlichkeit wählen“

Davon kann inzwischen keine Rede mehr sein. Einige Fahrer hingegen schlossen sich mit King solidarisch und sprachen diesem via "Twitter" ihre Unterstützung aus.

Von einem Fan bezüglich eines Protestes angesprochen, meinte etwa Jens Voigt, der selbst bereits mehrfach schwer bei der Tour stürzte und einmal aus dem Zeitlimit fiel: "Ich bin absolut dafür zu haben."

Damit nicht genug, legte der mit 41 Jahren älteste Teilnehmer der "Grande Boucle" nach. "Lasst uns Menschlichkeit statt dieser idiotischen Regeln wählen!! Wir unterstützen ihn, um drin zu bleiben."

Wenig Verständnis für die ASO

Auch Janez Brajkovic aus dem Astana-Rennstall sprach sich klar für einen Verbleib Kings aus. "So falsch, Ted King auszuschließen wegen der Karenzzeit. Die Organisation sollte etwas nachsichtiger sein nach allem. Erinnert euch an Etappe 1."

Unterstützung gab es zudem von Michelle Cound, der Verlobten von Topfavorit Chris Froome, die sich ebenfalls für den Geschassten stark machte. "Sieben Sekunden? Ernsthaft?!? #LasstTedfahren."

Die ASO machte jedoch nicht den geringsten Anschein, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. So wollte sie auch nichts davon wissen, als das Team Cannondale mit ihr sprechen wollte.

Keine Lust auf Erklärungen

"Sie wollten unsere Erklärung gar nicht hören", so Pressesprecher Paolo Barbieri. "Ted fuhr mit einer verletzten Schulter und auf einem Straßenfahrrad. Er war wirklich tapfer."

King habe nicht aufhören wollen, um seine Chance zu kämpfen. "Das sind die wahren Qualitäten im Radsport, aber sie (die Tour-Bosse, Anm.) wollten ihre Meinung nicht ändern. Es war Teds Traum, die Tour zu fahren. Wir können es nicht glauben."

Streng genommen hält sich die Amaury Sport Organisation an die Richtlinien. Dennoch stellt sich die Frage, ob ihr denn ein Zacken aus der Krone gefallen wäre, wenn sie ein Auge zugedrückt hätte.

Anstatt einem Fahrer bei der Erfüllung seines Lebenstraumes zu helfen, hat sie diesen zerstört. King bleibt nichts anderes übrig, als die Heimreise anzutreten.

 

Christoph Nister