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"Ein Profi sollte beim Training nicht ans Geld denken"

Ende 2009 machte sich ein kleiner Rennstall auf, um den Radsport-Zirkus zu erobern. Team NetApp war geboren.

Mit vergleichsweise geringem Budget, großer Motivation und noch größeren Visionen startet man 2010 erstmals auf internationaler Ebene.

Inzwischen befindet sich die Equipe im dritten Jahr und landete soeben den ersten ganz großen Coup.

Die Organisatoren des Giro d'Italia verzichteten darauf, ihre Wildcards ausschließlich an italienische Teams zu vergeben und setzen stattdessen auf NetApp.

Somit startet das Team um Ralph Denk, Enrico Poitschke und Jens Heppner erstmals bei einer großen Landesrundfahrt.

Der wohl bekannteste des Trios, Heppner, stand LAOLA1 Rede und Antwort und sprach über NetApps Ambitionen, Anforderungen an die ÖRV-Profis Matthias Brändle und Daniel Schorn, sowie seine besondere Beziehung zum Giro d'Italia.

LAOLA1: Herr Heppner, Gratulation zur Giro-Wildcard. Wie haben Sie die Nachricht aufgenommen?

Jens Heppner: Eigentlich kann ich es noch nicht so richtig glauben. Wir haben natürlich im Vorfeld viel getan dafür, aber es war doch eine Überraschung.

Jens Heppner fuhr beim Giro 2002 zehn Etappen lang in Rosa

LAOLA1: Für Sie schließt sich in gewissem Maße ein Kreis. Vor zehn Jahren waren Sie die große Überraschung und durften zehn Tage das „Rosa Trikot“ tragen.  Wie würden Sie Ihre Beziehung zur Italien-Rundfahrt beschreiben?

Heppner: Ich liebe dieses Rennen. Zwar bin ich den Giro nur fünfmal gefahren und zwar zweimal krank, aber die zehn Tage in Rosa habe ich natürlich sehr gut in Erinnerung. Die Fahrweise, die Mentalität, die Begeisterung der Leute – das ist einfach sensationell. Es macht immer wieder Spaß, dort zu fahren.

LAOLA1: Wenn Sie nun das kommende Jahr ins Auge fassen – welche Ziele verfolgt NetApp 2012?

Heppner: Wir wollen an das letzte Jahr anknüpfen mit den tollen Rundfahrt-Erfolgen von Leopold König und Jan Barta.

LAOLA1: Wie sieht es mit der Zielsetzung beim Giro aus?

Heppner: Wenn die Jungs sich so präsentieren wie im letzten Jahr, bin ich auch für den Giro optimistisch. Die Top 3 zu verlangen, wäre natürlich vermessen, aber wir wollen positiv aufzeigen. Wenn es nicht klappt, in der Gesamtwertung mitzufahren, wollen wir auf Etappensiege losgehen. Insgeheim habe ich aber schon die Hoffnung, dass wir in die Top 10 oder Top 15 fahren können. Bei Leopold König bin ich optimistisch, wenn er denn top in Form ist.

LAOLA1: Auch Matthias Brändle ist für den Giro eingeplant. Welche Anforderungen stellen Sie an ihn?

Heppner: Bei Matthias gehe ich natürlich davon aus, dass er auch dabei ist. Wir erwarten uns doch einiges von ihm, er steht auf einer Stufe mit König. Sollte Leopold etwas passieren, muss er einspringen. Sollte er besser sein, wird sowieso für ihn gefahren. Wir sind dahingehend völlig offen.

Jens Heppner im Gespräch mit Ex-Vuelta-Sieger Sean Kelly

LAOLA1: Eine dreiwöchige Rundfahrt stellt nicht nur eine physische, sondern vor allem auch eine psychische Herausforderung dar. Gibt es die Überlegung, die Profis mit einem Psychologen auf den Giro einzustimmen?

Heppner: Die Arbeit mit einem Psychologen käme noch zu früh. Jeder sollte zunächst seine Erfahrungen sammeln und erst einmal drauf losfahren. Wenn ich an meine erste große Rundfahrt zurückdenke, dann war es fast meine beste. Ich wurde bei der Tour Zehnter und ging unbefangen an die Sache heran. Das ist manchmal einfacher, als wenn Leistungsdruck auf einem lastet.

LAOLA1: Wie wichtig ist es, erfahrene Teamkapitäne oder Sportliche Leiter zu haben?

Heppner: Das ist natürlich sehr wichtig. Gerade in gewissen Rennsituationen. Erfahrene Leute, ob nun Profis oder Sportliche Leiter, sind da ganz sicher kein Nachteil. Die Fahrer müssen psychisch darauf eingestellt werden, wie sie fahren müssen.

LAOLA1: NetApp ist inzwischen zum Aushängeschild des deutschen Radsports avanciert. Spürt man im Team diesen Druck?

Heppner: Diejenigen, die beim Giro starten, werden sicher ziemlich nervös sein und sich selbst einen gewissen Druck aufbauen. Es ist aber auch normal, da man nicht enttäuschen will. Sich selbst, aber auch die Teamleitung. Die Rennfahrer wollen auch etwas zurückgeben, nachdem die Teamleitung alles unternommen hat, damit die Profis fahren können.

LAOLA1: 2012 ist die dritte Saison seit Teamgründung. Wie schätzen Sie die bisherige Entwicklung ein?

Heppner: Ich bin schon ganz zufrieden. Letztes Jahr lief es ganz gut bei der Tour of California, der Tour de Suisse und der Österreich-Rundfahrt. Dort konnten Achtungserfolge erzielt werden. Sicherlich wäre der eine oder andere Sieg noch wünschenswert gewesen. Wir haben nun sieben Leute im Kader ausgetauscht und hoffen doch auf ein paar Siege.

LAOLA1: Welche Rennen abseits der Italien-Rundfahrt genießen in diesem Jahr besondere Priorität.

Heppner: Natürlich die Österreich-Rundfahrt. Im Vorfeld wäre es zudem schön, noch für den einen oder anderen Klassiker eine Wildcard zu bekommen und dort mehr zu leisten, als bloß mitzufahren.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Christoph Nister

LAOLA1: Er ist einer der wenigen im Team, der den Giro schon einmal in Angriff nahm. Ein großer Vorteil?

Heppner: Sicherlich kommt ihm zugute, dass er Giro und auch Vuelta schon bestritten hat. Jede große Rundfahrt bringt einen Profi nach vorne. Einerseits durch die Rennhärte, andererseits durch die Erfahrung auf dem einen oder anderen Berg. Man weiß, wie gefahren wird und wo man attackieren kann. Man wird einfach cooler.

LAOLA1: Neben Brändle tritt mit Daniel Schorn ein zweiter Österreicher für NetApp in die Pedale. In der Vergangenheit wurde er immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen. Steht er von einem richtungsweisenden Jahr?

Heppner: Ich denke schon. Sein Vertrag läuft aus. Letztes Jahr hatte er natürlich Pech, aber ich glaube schon, dass er hart trainieren muss, um dem Talent, das man ihm nachsagt, gerecht zu werden. Wenn er das schafft und im Sprint beweisen kann, dass er zu den Besten gehört, hat er realistische Chancen, mit zum Giro zu kommen. Er ist nun mal einer derjenigen, die sehr schnell sind und andererseits gut über die Berge kommen.

LAOLA1: Was heißt das konkret in Form von Ergebnissen?

Heppner: Er muss seiner Sprinterrolle gerecht werden. Die eine oder andere Podiumsplatzierung ist dafür notwendig.

LAOLA1: Team NetApp gehört zu den vier Zweitligisten im Giro-Aufgebot. Wie schwer ist es, den Großen, die vor allem finanziell ganz anders aufgestellt sind, Paroli zu bieten?

Heppner: Das Budget spielt in so einem Fall nicht die entscheidende Rolle. Jeder Radfahrer sollte sich optimal auf eine Saison oder ein Rennen vorbereiten, unabhängig davon, wie viel er verdient. Ein Profi sollte beim Training nicht ans Geld denken. Wir als Team NetApp haben in der Vorbereitung alles dafür getan, damit die Jungs gut in die Saison starten. Was das betrifft, stehen wir den Großen in nichts nach.