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Zoncolan & Co: Die letzte Giro-Woche hat es in sich

Zoncolan & Co: Die letzte Giro-Woche hat es in sich

Es ist der letzte Ruhetag des diesjährigen Giro d’Italia und man kann durchaus von der Ruhe vor dem Sturm sprechen.

Am Dienstag folgt gleich die Königsetappe der 97. Italien-Rundfahrt: Zunächst wartet der gefürchtete Gavia-Pass (2.618 m), direkt im Anschluss folgt der Anstieg auf 2.758 m Höhe zum Stilfser Joch - dem höchsten Punkt des Giro. Zum Schluss geht es hinauf ins Martelltal auf 2.059 m.

Im Vorjahr war diese Etappe einem plötzlichen Wintereinbruch zum Opfer gefallen, auch heuer droht wieder eine wetterbedingte Änderung. Sicher ist, dass die Passtraßen noch immer von meterhohen Schneewänden flankiert werden.

Mittwoch gibt es eine kleine Verschnaufpause, danach warten drei weitere schwere Bergetappen – inklusive eines Bergzeitfahrens zur Cima Grappa sowie der Ankunft auf dem berühmt-berüchtigten Monte Zoncolan mit einer Steigung von bis zu 22 Prozent - auf die Fahrer. Am letzten Tag führt eine Flachetappe nach Triest.

Kein klarer Favorit

Die Favoriten auf den Gesamtsieg liegen vor diesen schweren Prüfungen noch relativ eng zusammen, jeder von ihnen offenbarte schon die eine oder andere Schwäche.

Bislang gibt es keinen, der unantastbar wirkt. Zwar geht der Kolumbianer Rigoberto Uran als Spitzenreiter in die letzte Woche, doch das Rosa Trikot sitzt dem Omega-Pharma-Fahrer nicht allzu fest auf den Schultern.

Der Spitzenreiter aus dem belgischen Omega-Pharma-Team liegt gerade einmal 1:03 Minuten vor Ex-Tour-Sieger Cadel Evans (BMC).

Der Australier, der im Vorjahr beim Gesamtsieg von Vincenzo Nibali hinter Uran – damals noch im Sky-Trikot - Gesamt-Dritter wurde, trug heuer bereits vier Etappen lang das Rosa Trikot, bevor er es im Zeitfahren an Uran verlor.

Uran wirkt angreifbar

Auch Uran verlor auf der 14. Etappe bereits Zeit auf die Konkurrenten im Kampf um das Gesamtklassement, darunter 25 Sekunden auf Landsmann Nairo Quintana (MOV), der derzeit auf Rang fünf liegt (+2:40).

Aus diesem Grund will er von einer Vorentscheidung noch lange nichts wissen: "Es dauert noch eine Woche und jeder einzelne Tag ist wichtig", so der 27-Jährige, der auf der 15. Etappe am Plan di Montecampione zudem 42 Sekunden auf Tagessieger Fabio Aru einbüßte.

Da Evans noch mehr Zeit (+1:13) verlor, baute er seine Gesamtführung – zumindest auf den Zweitplatzierten - dennoch aus.

In Lauerstellung

Hinter den beiden lauert der Pole Rafal Majka auf Rang drei. Der 24-jährige Führende der Nachwuchswertung hat 1:50 Minuten Rückstand auf Uran und gibt sich selbstbewusst: "Ich weiß, dass ich stark bin. Ich will die Rundfahrt unter den besten Drei beenden. Auf Nicolas Roche und (Michael) Rogers ist Verlass, sie helfen mir, wo sie nur können, da ich noch ein bisschen unerfahren mit einer solchen Situation bin", so der letztjährige Siebente.

Der Tinkoff-Saxo-Fahrer wurde sogar Vierter im Zeitfahren und das, obwohl der einsame Kampf gegen die Uhr sonst nicht zu seinen Paradedisziplinen zählt.

Er fühlt sich auf den ganz schwierigen Anstiegen am wohlsten. "Weil ich vom Körperbau her leicht bin, bevorzuge ich eher steile Anstiege, wo es richtig zur Sache geht. Je schwerer, desto besser."

Der Monte Zoncolan fordert den Fahrern alles ab

Unterschätzt

Von Rang sieben auf Position vier verbessert hat sich der Etappensieger der 15. Etappe, Fabio Aru (AST/+2:24).

Auf dem Italiener ruhen - abgesehen von Landsmann Domenico Pozzovivo (ALM/+2:42), der auf Platz sechs rangiert - die Hoffnungen der italienischen Fans.

"Ich hätte nicht gedacht, dass er so stark ist. Ich konnte ihm nicht folgen", musste Leader Uran anerkennen.

Vorfreude auf Qualen

Der fünftplatzierte Quintana, der bei der letztjährigen Tour de France sowohl das Trikot des besten Bergfahrers als auch das des besten Jungprofis gewann und hinter Sieger Chris Froome starker Zweiter wurde, freut sich vor allem auf die vorletzte Etappe.

"Ich mag die Zoncolan-Etappe, weil sie nach 20 Tagen Giro alles von einem abfordert. Es ist absolut nicht leicht, dort hinaufzufahren. Es ist eine große Herausforderung und ich bin gespannt, wie mein Körper damit nach all den Strapazen zuvor zurechtkommt", so der 24-Jährige.

Angriffslustig

Dahinter liegt die talentierte niederländische Nachwuchshoffnung Wilco Kelderman (BEL) mit gut drei Minuten Rückstand vor dem Franzosen Pierre Rolland (EUC/+4:47 Minuten) Der Franzose attackiert beinahe täglich in den Bergen und präsentierte sich in einer sehr guten Form.

Zoidl-Teamkollege Robert Kiserlovski als Neunter (+5:44) und Wout Poels (OPQ/+5:44) runden die Top Ten derzeit ab.

Preidler überzeugt

Aus österreichischer Sicht verlief der Giro bislang nicht ganz wie erwartet. Nicht Riccardo Zoidl (TFR), den ein Infekt an einer besseren Leistung hinderte und der als 49. bereits über eine Stunde Rückstand hat, sondern Georg Preidler ist mit großem Abstand bester Vetreter der rot-weiß-roten Farben.

Für beide ist es die erste Italien-Rundfahrt, Preidler hat jedoch im letzten Jahr schon bei der Vuelta erste Erfahrungen mit einer dreiwöchigen Landes-Rundfahrt sammeln können. Am letzten Ruhetag liegt der 23-Jährige auf einem sehr guten 27. Rang, sein Rückstand beträgt 28:04 Minuten.

Bernhard Eisel (im Giro-Interview) leistet als "Road Captain" gute Arbeit, konnte aber mit seinem Team Sky bislang noch keinen Etappensieg feiern. Auf der 14. Etappe musste sich Dario Cataldo ganz knapp Sieger Enrico Battaglin geschlagen geben, dazu verlor die Mannschaft am selben Tag Kanstantsin Siutsou nach einem Sturz.

 

Henriette Werner