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Eisel: "Uran wird ein Feuerwerk abbrennen"

Eisel:

Mehr als 2.000 Kilometer hat Bernhard Eisel beim Giro d'Italia bereits in den Beinen.

Zwölf harte Etappen, zum Teil bei schlechtem Wetter und Kälte.

Von schlechter Laune allerdings keine Spur beim Steirer, als LAOLA1 ihn telefonisch erreicht.

"Ich bin etwas verkühlt, ansonsten geht es mir verhältnismäßig gut", erläutert er gut gelaunt.

Der 33-Jährige spricht im Interview über die ersten knapp zwei Wochen bei der diesjährigen Italien-Rundfahrt und beschreibt seine Rolle im Team Sky.

Desweiteren verrät der Literatur-begeisterte Routinier, dessen aktuelle Lektüre Jane Austens "Stolz und Vorurteil" ist ("das lese ich schon zum zweiten oder dritten Mal"), was er von den Leistungen der weiteren Österreicher hält und erklärt, warum bei den Verantwortlichen mit zweierlei Maß gemessen wird.

LAOLA1: Bernhard, du hast knapp zwei Wochen Giro in den Beinen. Wie ist dein körperliches Befinden?

Bernhard Eisel: Es geht eigentlich. Ich bin etwas verkühlt, ansonsten geht es mir verhältnismäßig gut. Das Wichtigste ist, dass ich nicht gestürzt bin. Die Motivation ist weiter hoch, die Stimmung im Team ist groß.

LAOLA1: Sky hat noch alle neun Fahrer dabei, Orica wurde dagegen nach zahlreichen Stürzen auf fünf dezimiert. War es teilweise zu gefährlich?

Eisel: Nein, überhaupt nicht. Zu gefährlich oder nicht – das ist immer so eine Frage. Wenn die Leute das Hirn früher einschalten und bremsen würden, würde auch weniger passieren. Als wir früher noch ohne Helm gefahren sind, haben die Leute mehr mitgedacht. Es gibt aber auch viel mehr Verkehrsinseln, Kreisverkehre und weiteren Schwachsinn auf der Straße. Für uns ist es die Hölle, speziell, wenn es nass und rutschig ist. Wir sind aber selbst schuld, es sind unsere Lenker und unsere Bremsen, die wir benutzen.

LAOLA1: Aus Sicherheitsgründen wurde auf der vierten Etappe eine Bummel-Fahrt eingelegt …

Eisel: … das kam im Fernsehen so rüber. Im Endeffekt war das Schwachsinn, wir sind einen Schnitt von 43,5 km/h gefahren. Wenn die Straße gerade nicht zum Eislaufen war, sind wir mit 50 bis 60 km/h dahingeritten. Vor allem die italienischen Journalisten interpretieren gerne was rein.

LAOLA1: Man hat dich mehrfach mit Verantwortlichen diskutieren gesehen. Worum ging es in diesen Gesprächen?

Eisel: Es war einfach zu gefährlich. Die Verantwortlichen hatten dann die glorreiche Idee, dass die Zeit früher genommen wird, damit sich die Klassementfahrer aus dem Sprint raushalten. Meiner Meinung nach hätten daher auch keine Punkte (in der Punktewertung) vergeben werden dürfen. Ich habe gelernt, dass es Unterschiede gibt, ob du Klassementfahrer bist oder Sprinter. Sprinter müssen aus Sicht des Veranstalters riskieren, ganz egal, ob sie sich dabei Knochen brechen, das ist ihnen egal. Wichtig ist nur, dass die Rundfahrer heil und sicher ins Ziel kommen. Was daraus gemacht wurde, war eine halblustige, italienische Entscheidung: Nicht Fisch und nicht Fleisch.

LAOLA1: Wird aus deiner Sicht mit zweierlei Maß gemessen, was die Behandlung der Fahrer betrifft?

Eisel: Ja! Man hat das Rote Trikot (des Punkteführenden) unnötig in Gefahr gebracht.

LAOLA1: Du wirst seit Jahren als „Road Captain“ bezeichnet. Welche Bedeutung hat dieser Beiname für dich?

Eisel: Der wurde irgendwann erfunden, weil keiner wusste, was ich eigentlich bin. (lacht) Es klingt immer gut. Ich weiß, dass ich einer der Besten bin in dem, was von Fahrern wie mir erwartet wird. Das wird anerkannt – nicht nur bei Sky, sondern auch bei anderen Mannschaften.

LAOLA1: Neben dir sind mit Georg Preidler und Riccardo Zoidl zwei weitere Österreicher dabei. Wie schätzt du ihre bisherigen Leistungen ein?

Eisel: Ricci hat mich in meiner eigenen Vorstellung von ihm enttäuscht, da ich dachte, er kann unter die Top 10 fahren. Er hat aber frühzeitig zu viel Zeit verloren. Er hat noch ein bisschen Angst nach seinem schweren Sturz, deshalb bremst er eben etwas früher. Das ist absolut in Ordnung und auch richtig so. Die Krankheit hat ihm auch nicht geholfen, ansonsten arbeitet er aber perfekt für (Robert) Kiserlovski. Ich habe aber sehr hohe Erwartungen an ihn. Ich glaube, er wird eine richtig gute letzte Woche fahren, seine Form ist aufsteigend. Georg fährt einen Weltklasse-Giro. Bisher schlägt er sich extrem gut und leistet eine super Arbeit.

LAOLA1: In der Gesamtwertung liegen die Top-Fahrer eng beisammen, die schweren Bergetappen stehen aus. Wer konnte dich am meisten überzeugen?

Eisel: Favorit ist und bleibt für mich Uran. Der wird in der dritten Woche sicher ein Feuerwerk abbrennen. Evans hatte bislang das beste Team. Ob Quintana die Zeit, die er bisher verloren hat, wieder aufholen kann, ist fraglich. Ein Sturz kann natürlich alles zunichte machen und über den Haufen werfen. Ich glaube aber, dass Uran gewinnt.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.


Das Interview führte Christoph Nister

LAOLA1: Wie würdest du die Atmosphäre beim Giro beschreiben, verglichen mit der Tour oder den Frühjahrsklassikern?

Eisel: Der Giro ist immer ein bisschen anders. Die Tifosi sind begeistert, es werden aber weniger, da gab es einen Einbruch. Merkwürdig ist, dass manche nach der ersten Gruppe heimgehen. Wenn die besten Kletterer den Berg passieren, hauen sie ab.

LAOLA1: Untypisch für Rad-Fans.

Eisel: Absolut untypisch. Ich weiß auch nicht, warum sie sich das überhaupt antun, auf den Berg zu gehen. Da erkennt man schon Unterschiede zu anderen Ländern.

LAOLA1: Zuschauer, die keine Experten sind, wundern sich häufig, warum ein Bernhard Eisel auf einer Etappe jenseits der Top 100 landet, weil sie nicht wissen, welche Rolle du bei Sky zu erfüllen hast. Kannst du diese kurz beschreiben?

Eisel: Ein 114. Platz ist vielleicht genau der, wo ich hingehöre. (lacht) Ich kann mal probieren, in eine Spitzengruppe gehen, aber die kommen selten durch, bislang noch gar nicht. Wenn es gelingt, sind meistens Berge drin, daher könnte ich sie sowieso nicht gewinnen. Deshalb setze ich mich in Szene, in dem ich meine Jungs, die Chancen auf einen Etappensieg haben, unterstütze und nach vorne bringe.

LAOLA1: Bist du mit deinen bisherigen Leistungen zufrieden?

Eisel: Ich bin absolut zufrieden. Im Mannschaftszeitfahren hat es mechanische Probleme gegeben, das kann man leider nicht ändern. Das ist aber lange vergessen. Ansonsten bin ich da, wenn es notwendig ist, und mache das, was von mir erwartet wird. Es hat sich keiner beschwert, daher sollte es passen.