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Patrick Leitner: "Ich gehe nicht mehr so steil"

Patrick Leitner:

Die Mountainbike-Freeride-Szene ist wild, durchgedreht und laut.

Patrick Leitner hingegen wirkt unaufgeregt, bescheiden und ruhig.

Der sympathische Wiener entspricht nicht gerade dem Prototypen eines Extremsportlers, dennoch ist er Österreichs erfolgreichster Mountainbike-Slopestyler.

Kreuzbandriss und Co.

Erst mit 19 Jahren begann der heute 26-Jährige mit dem Dirt-Jump. "Ich mache das seit circa sieben Jahren und bin über meinen Cousin Niki Leitner, der lange Zeit das Aushängeschild im Freeride-Bereich für Österreich war, dazu gekommen."

2012 nahm er an der "FMB Am Tour" teil, riss sich jedoch das Kreuzband. Er entschied sich gegen eine Operation und belegte im Vorjahr Rang 23 der wichtigsten Mountainbike-Freeride-Serie der Welt - der FMB World Tour.

"Ich bin recht verschont geblieben von Verletzungen, nur mein rechtes Kreuzband gibt es nicht mehr. Zudem habe ich nur ein paar leichte Knochenbrüche, Schulterverletzungen und vielleicht ein paar Gehirnerschütterungen gehabt", zählt der Dirt-Pro im Gespräch mit LAOLA1 seine bisherigen Verletzungen auf.

Vorsichtig

"Alles hat sich im Rahmen gehalten, das liegt vielleicht daran, dass ich ein vorsichtiger Fahrer bin", so Leitner.

"Wenn ich nicht hundertprozentig davon überzeugt bin, dass ich einen Trick landen kann, dann mache ich ihn nicht. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich älter bin im Vergleich zu den circa 20-jährigen Kollegen. Ich gehe nicht mehr so steil wie andere."

Ein Beispiel dafür war der erstmals auf der World Tour eingebaute Looping beim Swatch Prime Line in München.

Risikominimierung

"Ich habe so etwas noch nie gesehen und bin es auch noch nie gefahren. Als Profisportler in dem Bereich schätze ich das Risiko ein und schaue, wie gut ich den Trick kann und ob ich ihn mir zutraue. Beim Looping kann ich es gar nicht einschätzen, weil ich keine Erfahrungswerte habe", erklärt er, warum er lieber Abstand vom Looping nahm.

Abgesehen davon war der Kurs in München aber "der beste, den wir bei FMB-Events in diesem Jahr gehabt haben, weil er super stimmig war, Spaß macht und nicht furchteinflößend ist."

Nicht ohne Angst

Furcht? Angst? Worte, die man von jemandem, der durch die Luft fliegt, als hätte er Flügel anstelle eines Fahrrades, nicht unbedingt erwartet.

Jedoch: "Grundsätzlich habe ich vor großen Sprüngen allgemein sehr viel Respekt. Ich bin keiner von denen, die so viel Vertrauen in sich haben, zu sagen, ich kann das sicher. Jedes Mal, wenn ich einen Sprung um die zehn Meter springe, ist es furchteinflößend", gesteht er.

"Die Geschwindigkeit muss stimmen, man darf nicht zu weit und nicht zu kurz springen, und muss in der Luft locker bleiben, darf nicht verkrampfen."

Visualisierung

Wie also bereitet man sich auf derartig Angst einjagende Dinge vor?

"Vor Ort versuche ich, im Training vor dem Contest jeden Trick einzeln auf dem Track zu üben. Gar nicht mal den ganzen Lauf, nur einzelne Tricks. Dann versuche ich - ähnlich wie die Skifahrer - meinen Lauf zu visualisieren", nutzt der Wiener mentale Techniken, um sich auf Wettkämpfe vorzubereiten.

Auch darin unterscheidet er sich von seinen Konkurrenten, wie etwa dem Star der Szene, Sam Pilgrim (im LAOLA1-Interview), der sagt, "ich weiß einfach, dass ich es kann und dann fahre ich los".

Neues beginnt im Kopf

Auch einen neuen Trick lernt Leitner zunächst im Kopf. "Ich versuche mir vorzustellen, was in der Luft passiert. Wie schnell bewegt sich das Fahrrad, wie verdrehe ich mich, wie kommt das alles zusammen, damit ich das landen kann. Nachdem ich das wieder und wieder im Kopf durchgegangen bin, versuche ich es zunächst im Foam Pit - das ist eine Kiste mit Schaumstoffwürfeln darin - weil der Körper eine Zeit braucht, bis er sich vom Timing her so bewegt, wie es sein sollte", beschreibt er den Lernprozess, den er jedes Mal durchläuft. Praktischerweise verfügt er über einen eigenen Trainingsparcours.

Die Mühe lohnt sich, denn Leitner kann vom Mountainbiken leben. "Die letzten zwei Jahre habe ich nur das gemacht, mittlerweile arbeite ich nebenbei, weil ich doch schon älter bin und an meine Zukunft denken muss. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch machen kann", so der 26-Jährige, der neben den Wettbewerben auch auf Events wie etwa dem Donauinselfest auftritt.

"Shows sind ein großer Teil meines Jobs. Das ist etwas, was ich sehr genieße. Es ist entspannt, da es meistens nur eine Rampe ist, die circa fünf Meter hoch ist", so Leitner, der bei diesen Vorführungen meist gemeinsam mit seinem Cousin auftritt. "Man hat Spaß daran, gemeinsam mit Freunden etwas zu machen, was nicht alltäglich ist."

Szene in Österreich

Die Dichte an der Weltspitze wird immer größer und auch in Österreich wächst das Interesse am Mountainbiken.

"Die reine Dirt-Szene ist schwer einzuschätzen, aber insgesamt ist die Mountainbike-Szene recht solide und wächst stetig. Gerade im Freeride-Bereich tut sich viel, etwa am Semmering oder in Saalbach und Leogang", freut er sich über die spektakulären Freeride-Events in seiner Heimat.

"In den letzten Jahren hat sich der Sport sehr stark entwickelt und große Fortschritte gemacht. FMB ist auf einem guten Weg."

 

Henriette Werner