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Rogans Ruf nach Verantwortung und Eigeninitiative

Rogans Ruf nach Verantwortung und Eigeninitiative

„Ich fand mich leider immer viel zu geil“, mit diesen Worten meldet sich Ex-Schwimm-Weltrekordler Markus Rogan in einer Diskussionsrunde des 1. Sportforum Schladming zu Wort.

Dabei handelt es sich um eine Veranstaltung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, eine Deklaration für den Sport zu erarbeiten, sprich, einen Schlachtplan, wie man die Österreicher dazu bringt, sich wieder mehr zu bewegen. Dass es höchste Zeit für ein Umdenken ist, steht außer Frage: 11 Prozent der Österreicher sind fettleibig, 41 Prozent übergewichtig.

„Die Lebenserwartung der heute 15-Jährigen ist niedriger als die ihrer Eltern. Das ist alarmierend“, warnt Initiator Ronnie Leitgeb vor den rund 300 Teilnehmern des Sportforums, zu denen neben prominenten Ex-Sportlern auch Politiker, Verbandsvertreter und Lehrer gehören - alles Menschen, denen Sport und Bewegung am Herzen liegt.

Verantwortung übernehmen

„Wir wollen nicht am System rütteln und niemanden ausgrenzen. Wir wollen Probleme aufzeigen und Lösungen anbieten und einfordern“, so Leitgeb.

Ganz in diesem Sinne versucht Rogan nach vielen interessanten, jedoch meist theoretischen, Einsichten in die Materie des Sports - sei es aus medizinischer, wissenschaftlicher oder politischer Sicht - einen Vorstoß in die Praxis.

„Wir müssen selbst mehr Verantwortung übernehmen“, fordert der 33-Jährige jeden Einzelnen auf, herauszufinden, was er selbst konkret tun kann, um den Stellenwert des Sports in Österreich zu verbessern. „Fragen wir doch nicht, was Organisationen für den Sport tun können. Fragen wir lieber, wie jeder von uns hier und heute dem Sport helfen kann.“

Selbstkritisch

"Alle können immer nur sagen, die anderen sind scheiße. Irgendjemand anderes ist immer schuld. Aber es ist irrsinnig schwer, zu sagen, was man selbst machen kann“, konstatiert er und fasst sich gegenüber LAOLA1 auch an die eigene Nase. „Vielleicht mache ich selbst auch zu wenig. Ich kann sicherlich mehr machen, um Schwimmen für Leute interessanter zu machen und Spaß hereinzubringen... Eine Länge schwimmen im Vergleich zu Facebook - den Vergleich verlieren wir bislang jedes Mal. Aber ich werde mir etwas überlegen“, verspricht er.

„Ich glaube, dass es auch ein Problem ist, wenn man als Kind etwas zu viel wiegt und sich dann in der Badehose zeigen muss. Aber da kann man etwas machen. Das gehe ich an, das ist mein Bereich und wenn ich ein Kind mehr zum Schwimmen bringe“, fügt Rogan, dessen Ansatz ganz unten anzufängt, anstelle „über Millionenbeträge“ zu debattieren, hinzu. „Da reden wir uns nur deppert.“

Umdenken

Rogan, der sich nach eigener Aussagen als „bedeutungssüchtig“ und „für viel besser“ gehalten hat, als er war, erläutert seine Eingangs-Aussage wie folgt: Das Problem der Sporthelden sei, dass es „kein Teamgefüge gibt“ und jeder nur auf sich selbst schaut. „Ich habe nie auf andere geschaut. Das Teamgefühl habe ich immer vermisst.“

„Jahrelang habe ich alle anderen beschuldigt, mir nicht genügend Bedeutung zu zu messen. Und irgendwann habe ich dann gedacht, vielleicht ist es auch meine eigene Schuld“, zeigt sich der zweifache Olympia-Medaillengewinner selbstkritisch und erklärt, wie es zu diesem Umdenken kam. „500 Stunden Therapie haben ausgereicht.“

Zufall

Zufall
Markus Rogan beim Sportforum mit Nik Berger und Thomas Sykora

Der Wiener, der in Beverly Hills derzeit eine eigene Psychotherapie-Praxis aufbaut („Inzwischen habe ich 2.000 von 3.000 klinischen Stunden, die man für die Lizenz braucht, beisammen“), kam eher zufällig zum Schwimmsport.

„Meine Mutter ist Psychiaterin und in der Wiener Psychiatrie gab es ein richtig cooles Schwimmbecken. Sie hatte oft Nachtdienst und wir haben sie da besucht, mir war immer langweilig. Ich bin immer überall herumgerannt und dann haben sie irgendwann gesagt, schmeißt ihn doch ins Wasser und so habe ich mit dem Schwimmen angefangen.“

"Nie aufgehört"

Fragen zu seiner aktuellen(?), eigenen Karriere weicht er jedoch weiterhin lieber aus. „Ich habe nie aufgehört, ich werde ein Leben lang weiterschwimmen. Ich kämpfe jeden Tag und schwimme drei, viermal die Woche“, sagt er. Doch auf die Frage, ob man ihn noch einmal schwimmen sehen wird, ist ihm lediglich zu entlocken: „Jeder, der will, sieht mich drei-, viermal die Woche am Strand von Los Angeles.“

Über seine Surf-Therapie-Gruppe, die er leitet, spricht Rogan hingegen gerne: "Ich gehe dreimal die Woche surfen und habe noch nie so viel gelernt wie bei diesen Terminen. Die Teilnehmer sind ehemalige Drogenabhängige und Verbrecher, die mit einer neuen Einstellung an den Tag gehen, sie wissen, sie haben einen Scheiß gebaut und wollen wissen, wie es nun für sie weitergehen kann."

Ganz ohne Bewegung könnte Rogan jedoch nicht leben. „Ich merke, wenn ich mich nicht bewege, bin ich wahrscheinlich der schlechteste Therapeut von ganz Los Angeles. Dann bin ich so ungeduldig und höre niemanden richtig zu, also genau das Gegenteil davon, was ich machen sollte.“

Licht am Ende des OSV-Tunnels? 

Das Gegenteil von dem, was er machen sollte, tut derzeit auch der österreichische Schwimmverband nur zur gerne (siehe etwa hier). Auf die Probleme seines Verbandes angesprochen, bekennt Rogan: „Ich kann es kaum erwarten, dem Schwimmverband zu helfen. Vielleicht können wir ja auch im Schwimmverband, anfangen zu fragen, was können wir tun und Verantwortung übernehmen.“

EINE positive Meldung gibt es schon: Die Pressesprecherin des OSV gibt auf dem Sportforum bekannt, dass es in naher Zukunft ein Schulprojekt geben wird, dass Schulen einlädt, kostenlos die Bahnen in den Schwimmbädern zu nutzen.

„Diese neue Initiative, dass Vereine und Schulen kooperieren, um mehr Kinder für das Schwimmen zu begeistern, finde ich toll. Auch wir als Schwimmverband sollten sagen, wir sind an dem Schlamassel mitschuld, in dem wir stecken. Dann können wir vielleicht auch etwas ändern…“

Es fällt schwer, Rogans abschließenden Worten zu widersprechen: "Wir sind soweit unten, dass wir noch nie so viel Potenzial hatten wie heute."

 

Aus Schladming berichtet Henriette Werner