news

Rowby-John Rodriguez ist Österreichs Darts-Hoffnung

Rowby-John Rodriguez ist Österreichs Darts-Hoffnung

Rowby-John Rodriguez. Kein alltäglicher Name, aber einer, den man sich merken sollte.

Der 20-jährige Wiener ist Österreichs Nachwuchshoffnung in der hierzulande bescheidenen Darts-Szene und im internationalen Vergleich eines der Top-Talente.

Wer es plakativ formulieren möchte, würde wohl sagen, er ist der David Alaba des Darts-Sports.

Was die beiden eint, sind die gemeinsame Heimatstadt, ihre philippinischen Wurzeln und das herausragende Talent. Der Rest spielt sich aber in völlig verschiedenen Welten ab.

Während Alaba das Aushängeschild des österreichischen Sports ist und beim FC Bayern Millionen verdient, muss sich Rodriguez damit abfinden, dass er in der Elite einer Sportart mitmischt, die in der Alpenrepublik kaum wahrgenommen wird. Das könnte nur ein Darts-Boom ändern, wie er etwa einst in den Niederlanden einsetzte. Ein Boom, für den "Little John" sorgen könnte.

Erster WM-Auftritt gegen Barney

Am Montag steht er erstmals bei der PDC Weltmeisterschaft am Oche, auf der großen Bühne im Londoner Alexandra Palace. Der Gegner ist kein geringerer als Raymond van Barneveld. Der 47-jährige Mann aus Den Haag hat fünf Weltmeistertitel auf seiner Visitenkarte stehen, ist damit nicht nur von seiner Körperfülle ein Schwergewicht.

Im vergangenen Mai sicherte sich "Barney" den Titel in der Premier League, wenige Minuten vor seinem Endspielauftritt unterlag RJR an selber Stelle im Junioren-WM-Finale. Damals trennten die beiden sportlich Welten, sieben Monate später treffen sie in Runde eins der WM aufeinander.

"Ich konnte mich gar nicht einspielen. Ich bin in den Practice Room gekommen, da waren nur Top-Spieler und ich mitten drin", erzählt Rowby-John Rodriguez im Gespräch mit LAOLA1. "Ich habe auf alles geachtet, nur nicht auf mich selbst. Das liegt halt an der Erfahrung. Was im Mai passiert ist, das war viel zu viel, aber das ist jetzt Vergangenheit", blickt er auf die Umstände seiner Niederlage gegen den Engländer Keegan Brown zurück. Mittlerweile fühlt er sich in der Welt der Darts-Stars ganz zuhause und gibt sich trotz des harten Auftaktgegners selbstbewusst:

Selbstbewusst, auch gegen die Stars

"Ich rechne mir Chancen aus. Barney ist ein großer Name, aber ich habe schon viele Top-Spieler geschlagen, warum nicht auch ihn? Ich spiele mein Spiel, wenn es funktioniert, geht’s ab."

Ein Duell mit dem Niederländer gab es bereits: "4:6 habe ich verloren, hätte das Spiel auch gewinnen können, fast müssen. Damals habe ich mir aber ein bisschen in die Hose gemacht", gibt RJR zu.

Traditionell sind die Top-Stars in den ersten Runden, wenn über eine relativ kurze Distanz gespielt wird, für Wackler gut. "Viele von uns jungen Spielern sagen 'Wir haben nichts zu verlieren'. Wenn ich gewinne, schön. Wenn ich ausscheide, ist mir auch niemand böse", lautet die Devise, nicht nur bei "Little John".

Die ersten Darts mit knapp zwei Jahren

Bis zur WM war es aber ein weiter Weg, wenngleich der Grundstein schon früh gelegt wurde. Seine ersten Darts warf er bereits im Alter von einem Jahr und zehn Monaten. "Schuld" daran war sein Vater, der selbst Darts spielte.

"Er hatte später keine Zeit mehr Liga-Spiele zu bestreiten, weil er auf uns aufpasste, während unsere Mutter nachts arbeitete", erzählt RJR, der neben Roxy-James, Rusty-Jake und Ridgy-Jorg einer von vier Brüdern ist. Nachdem das Interesse des Sprösslings am Darts-Spiel zwischenzeitlich eine Pause eingelegt hatte, zogen ihn die Pfeile 2009 wieder in ihren Bann.

"Ich habe mir die WM angeschaut und gedacht 'Warum hast du das aufgegeben?' Mein Vater hat das für uns aufgegeben, irgendetwas wollte ich ihm zurückgeben."

Steiler Aufstieg

Von diesem Zeitpunkt an ging es steil in Richtung Profi-Karriere. Im Alter von 16 Jahren kürte er sich zum jüngsten österreichischen Meister bei den Herren, hielt zwei Jahre gleichzeitig die Titel bei Junioren und Erwachsenen. Die Turniere wurden größer, die Siege blieben. 2012 folgte die logische Entscheidung: "Ich möchte meinen Lebensunterhalt damit verdienen."

Dieses Ziel steht nun kurz vor der Realisierung. Davor wartet im Jänner noch die Lehrabschlussprüfung als Zahnarztassistent ("Ich habe mir immer vorgenommen, dass ich etwas in der Hand haben will, bevor ich Profi werde") und das Bundesheer, wo noch um die Gewährung der Leistungssportförderung gefeilscht wird.

"Darts steht im Gegensatz zu Schach oder Bowling nicht auf der Liste. Ich habe mit dem zuständigen Offizier im Heeressportzentrum gesprochen. Er interessiert sich jetzt dafür und setzt sich für mich ein, damit ich trainieren kann und am Wochenende frei bekomme", ist Rodriguez positiv gestimmt. "Aber das muss noch abgesegnet werden. Wenn das nicht funktioniert, kann ich keine Turniere spielen und falle natürlich auch in der Geldrangliste zurück."

Die Hoffnungen auf einen Boom

Noch arbeitet er von Montag bis Donnerstag täglich zehn Stunden. Die Wochenenden verbringt er bei PDC-Turnieren in England. "Freitags fliege ich, sonntags komme ich spätabends zurück und am Montag geht’s wieder los mit der Arbeit. Dieses Jahr war ich vielleicht fünf Wochenenden in Wien", schildert Rodriguez, der sich im Jänner eine PDC-Tour-Card für zwei Jahre erspielte.

Reisen zu Turnieren und Startgelder verschlangen früher einiges an Finanzen. "Ich musste mir Geld ausborgen von meinen Eltern, von meiner Freundin. Das war schwierig", erinnert er sich. Seit letztem Jahr steht er aber bei einer englischen Agentur unter Vertrag, die unter anderem auch Weltmeister Michael van Gerwen betreut. In Österreich Sponsoren zu finden, ist ein schwieriges Unterfangen.

"Ich bin zum Beispiel in Deutschland sicher viel bekannter. Dort macht man sehr, sehr viel für den Darts-Sport", erzählt RJR. Ein Top-Spieler könnte aber auch hierzulande für gesteigertes Interesse sorgen. "Uns fehlt dieser Hype. Was ein Barney, ein van Gerwen für Holland waren. Jemanden in der Weltspitze zu haben, das macht alles viel einfacher", ist er sich sicher. Dass die Hoffnungen in diesem Punkt auf ihm ruhen, weiß Rodriguez: "Das habe ich schon öfter gehört."

Suljovic als wichtige Bezugsperson

Eine besondere Beziehung hat RJR zu Österreichs bisherigem Aushängeschild Mensur Suljovic, gegen den bereits sein Vater spielte. "Als ich 2009 wieder mit Darts begonnen habe und das erste Mal zu ihm in sein Lokal gegangen bin, war das ganz lustig."

"Mit einem Foto mit ihm, meinem Vater und mir als kleinem Kind bin ich dorthin. Die Leute haben sich gedacht 'Was will der Kleine hier?' Ich habe auf das Foto gezeigt und gemeint, ich will zu dem Kerl. Aber sich haben gesagt, er ist nicht da und mich gar nicht reingelassen", gibt er die Anekdote zum Besten. "Am nächsten Tag bin ich wieder hin. Er war da, hat mich gehört und gesagt, 'Lasst ihn rein, spielen wir'."

"Ich habe einen Average von 26 pro Dart gespielt, ich dachte, das sei gut. Es war mein bestes Match – und ich habe 0:6 verloren. Ich habe die Welt nicht verstanden, konnte es nicht fassen. Dann habe ich begonnen richtig zu trainieren und bin immer besser geworden."

"Little John" und "The Gentle" sind seither oft gemeinsam unterwegs, wovon Talent und Routinier gleichermaßen etwas haben. "Ich habe sehr viel von Mensur gelernt und profitiere von seiner Erfahrung. Für ihn ist es gut, dass er nicht mehr alleine ist. Früher ist er beispielsweise ungern nach England geflogen, weil sein Englisch nicht so gut ist", verrät Rodriguez.

Kim Huybrechts war das große Vorbild

Sein großes Idol war aber ein anderer. Kim Huybrechts lautet die überraschende Antwort. "Ich habe ihn bei der BDO schon getroffen und kennengelernt, er hat mich fasziniert. Ich habe mir alle Videos von ihm angesehen und eine Zeit lang auch seinen Wurf-Stil kopiert."

Inzwischen sind aus dem einstigen Vorbild sowie seinem älteren Bruder Ronny Huybrechts Freunde geworden, mit denen RJR auch abseits der Bühne Zeit verbringt. "Kim weiß, dass er mein Idol war. Er fragt mich heute manchmal, ob er immer noch mein Vorbild ist. Mittlerweile sage ich aber nein", schmunzelt Rodriguez.

Kim Huybrechts, aktuelle Nummer 16 der PDC Order of Merit, war es auch, der RJR unlängst als größtes Nachwuchstalent der Darts-Sezen bezeichnete. "Ich habe das auch gelesen, das hat mich beeindruckt", sagt der Gelobte, dem Anerkennung von höchsten Stellen aber nicht mehr fremd ist.

"Ein Barney, ein Justin Pipe, ein Terry Jenkins kommen zu mir, sagen mir schöne Worte und respektieren mich. Also Spieler, die schon lange bei der PDC sind. Das hört sich gut in meinen Ohren an. Wenn ein fünffacher Weltmeister kommt und sagt 'Gut gespielt, Respekt vor deiner Leistung', das pusht natürlich."

"Ich bin nicht der trainingsfleißigste"

Sein Name ist auch den Großen also schon ein Begriff und das, obwohl er etwa beim Training sogar noch Potenzial hätte. "Ich bin nicht der trainingsfleißigste", gibt RJR zu. "Es kommt auf das anstehende Turnier an. Vor der WM habe ich mir aber schon vorgenommen, jeden Tag ein bis zwei Stunden zu trainieren."

"Ich hatte Zeiten, da bin ich um fünf Uhr früh aufgestanden und habe vor der Arbeit trainiert. Mein Chef hat mir ein Dartboard hingestellt, da konnte ich in der Mittagspause auch trainieren. Und am Abend wieder. Aber die Zeiten haben sich geändert. Manchmal, wenn ich keine Lust habe, denke ich mir, es bringt auch nichts. Dann ist das nur ein lustloses Hinwerfen."

Spezielles mentales Training betreibt der 20-Jährige, für den Sport der zu einem großen Teil im Kopf entschieden wird, nicht. Zur Einstimmung auf ein Match gibt es lediglich Musik. "Das kann R&B, ein Pop-Hit oder ein Liebeslied sein."

Dafür will er als Profi vermehrt Ausgleichssport betreiben, immerhin neigt der durchschnittliche Darts-Spieler dazu, mit den Jahren an Körpergewicht zuzulegen.

"Man sieht es mir nicht an, aber es ist schon passiert – im letzten Jahr habe ich zehn Kilo zugenommen", schmunzelt der gertenschlanke Youngster. Ob seine Freundin schon Bedenken dahingehend geäußert hat? "Zurzeit kann es ruhig noch weitergehen, mich stört es noch nicht und sie auch nicht."

Bleibt zu hoffen, dass sich Rowby-John Rodriguez wirklich zum Schwergewicht entwickelt - in sportlicher Hinsicht.

 

Christoph Kristandl

Spitzname Little John
Geburtsdatum
  1. März 1994
Heimatstadt Wien
BDO 2010-2013
PDC ab 2013
PDC Order of Merit aktuell Nummer 73
Darts One80 \'Little John\', 25 g