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Doping: "Natürlich bringt es auch im Fußball etwas"

Doping:

 

Aktuell prägen ständig neue Dopingskandale im Radsport die Nachrichtenlandschaft.

Doch über Doping im Fußball wird selten berichtet, die meisten Medien scheinen das Thema zu meiden. Doch warum ist das so?

Der deutsche Journalist Daniel Drepper schreibt als freier Autor unter anderem für "zeitonline" oder die "FAZ" und arbeitet für das Recherche-Ressort der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.

Auf www.fußballdoping.de veröffentlicht er regelmäßig Artikel zum Thema Doping im Fußball.

LAOLA1 hat mit ihm über seine Recherchen gesprochen.

LAOAL1: Warum berichtest du über Doping im Fußball?

Daniel Drepper: Ich interessiere mich seit mehreren Jahren für Dopingthemen und habe gemerkt, dass über Doping im Radsport, in der Leichtathletik oder über Doping allgemein schon sehr viel berichtet wird, jedoch so gut wie nie über Doping im Fußball. Dabei ist das Thema total groß und ich bin sicher, dass etwas dahinter steckt. Irgendwann hatte ich dann die Zeit dafür und habe damit angefangen.

LAOAL1: Warum wird das Thema Doping im Fußball verschwiegen und der Eindruck vermittelt, dass es nur andere Sportarten, wie etwa den Radsport, etwas angeht?

Drepper: Da steckt mehr Geld dahinter. Die Leute, die auspacken könnten, haben Angst oder wenig Interesse daran. Der Zugang zu dem Thema ist somit schon mal schwieriger als im Radsport oder in der Leichtathletik. Zudem ist seltener darüber berichtet worden. Das heißt, wenn ich über Radsport berichte, habe ich immer Anknüpfungspunkte. Ich kenne einen Jörg Jaksche oder Bernhard Kohl, die schon einmal etwas erzählt haben, mich zum nächsten führen könnten. Das ist im Fußball schon mal nicht da. Die Löcher in der Mauer des Schweigens, wenn man es mal so formulieren will, sind noch nicht groß genug, um ohne Probleme durchgehen zu können.

Darüber hinaus kann ich mir vorstellen, dass manch ein Journalist  Probleme hat, das Thema anzugehen. Es sind nun mal die meisten Sportjournalisten im Fußball tätig. Ich habe nie Fußball-Berichterstattung gemacht und habe es auch nicht vor. Deshalb habe ich keine Probleme damit, wenn alle Clubs, Pressesprecher und Spieler auf mich sauer sind und ich dann blöde Mails kriege, weil mir das keinen Schaden zufügt und ich keine Nachteile dadurch habe. Wenn jedoch ein Kollege, der ständig mit dem Verein zu tun hat, einen Anruf erhält, bekommt er natürlich Schwierigkeiten. Allerdings glaube ich nicht, dass die Vereine eine Berichterstattung wirklich verhindern würden. Das halte ich für eine Verschwörungstheorie.

LAOLA1: Wie gehst du bei deinen Recherchen vor, wie findest du Anhaltspunkte oder auch Zeugen, die auspacken wollen?

Drepper: Bislang haben wir vor allem dargestellt, was bekannt ist. Wir haben einige Interviews gemacht: Ich war zum Beispiel in Österreich, habe mit Stefan Matschiner - der Dopingsubstanzen an Fußballer verkauft hat - gesprochen und ich war in Italien bei Raffaele Guariniello, der diesen Juventus-Prozess geführt hat. Somit habe ich an Anknüpfungspunkten angepackt, von denen ich dachte, dass etwas dahinter sein könnte. Die losen Fäden, die rumlagen, habe ich quasi angefangen zu ziehen. Zudem bekomme ich wieder Hinweise, wie etwa auf unserer Seite über einen anonymen Upload, durch welchen auch Infos reinkommen.

LAOLA1: Kannst du schon konkrete Ergebnisse oder Auswirkungen deiner Arbeit feststellen?

Drepper: Das wäre Spekulation. Ich habe das Gefühl, dass die Leute aufmerksamer werden, wenn sie zum Beispiel die Seite (www.fußballdoping.de, Anm.) sehen und ich habe häufiger Gespräche mit Kollegen, die mich anrufen und auch etwas darüber machen wollen. Es ist ja so, dass der DFB - der bisher noch nie Blutkontrollen durchgeführt hat - jetzt überlegt, eventuell ab nächstem Jahr Blutkontrollen zu machen. Ich glaube jedoch nicht, dass das mit der Seite zusammenhängt, das wäre ein bisschen übertrieben.

Mehr Infos unter www.danieldrepper.de

LAOLA1: Glaubst du, dass irgendwann auch das Schweigen im Fußball - in ähnlichen Ausmaßen wie aktuell im Fall Armstrong - gebrochen wird?

Drepper: Auf jeden Fall. Die Frage ist nur, wie lange das dauert und wie viel Energie man da reinstecken muss. Ähnliche Sachen hat es im Fußball sogar schon gegeben. Wenn man jetzt Juventus Turin nimmt in den Neunzigern - da gab es einen öffentlichen Prozess und Stars wie Zidane, die in den Zeugenstand gerufen wurden und öffentlich aussagen mussten. So etwas kann sicherlich wieder passieren, da bin ich mir sicher. Vielleicht viel größer und auch in Deutschland, Österreich oder der Schweiz.

LAOLA1: Welche Reaktionen gab es denn bisher auf deine Arbeit?

Drepper: Von Journalisten kam viel Positives. Ebenso von vielen Radsportsbegeisterten, die sich freuen, dass mal jemand nicht auf dem Radsport herumhackt, sondern sich auch die Sportarten vornimmt, auf die bisher noch keiner geschaut hat. Negatives habe ich bisher nicht viel erlebt, weil ich ja sonst mit dem Fußball überhaupt nichts zu tun habe. Es war ein oder zwei Mal der Fall, dass ich mit einem Pressesprecher telefoniert habe, der wissen wollte, wer mein Redaktionsleiter ist, um ein wenig Druck zu machen. Aber das war eher eine Kleinigkeit, richtige Probleme habe ich noch nicht bekommen.

LAOLA1: Welche Rolle spielen die Medien, die sich nur auf einige Sportarten stürzen und den Fußball als sauber darstellen? Wie sollte das deiner Meinung nach besser werden?

Drepper: Ich glaube, das ist schwierig zu ändern. Es liegt immer am Redakteur selbst. Natürlich kann es nicht die Aufgabe eines Spielreporters sein, jeden Spieler nach Doping im Fußball zu befragen. Das würde keinen Sinn ergeben. Aber vielleicht wäre es sinnvoll, wenn sich mehr Journalisten mit solchen Themen beschäftigen - beim Thema Doping im Fußball auf jeden Fall. Dass sich alle über Jahre auf den Radsport gestürzt haben, war  – glaube ich – deshalb der Fall, weil es einfach war und man einen Sündenbock hatte. Aber systematisch ist das Quatsch. Und ich halte es mittlerweile auch für durch.

LAOLA1: Was entgegnest du Menschen, die sagen, im Fußball bringt es nichts, zu dopen?

Drepper: Es ist sowohl logisch als auch wissenschaftlich völliger Quatsch. Natürlich bringt es auch im Fußball etwas, denn im Fußball sind sowohl das Sprinten und Springen als auch Ausdauer wichtig. All das sind Sachen, die man extrem gut mit Dopingmitteln beeinflussen kann. Wenn jetzt das Argument kommt, es seien so viele verschiedene komplexe Sachen, die man nicht alle zusammen mit Dopingmitteln fördern kann, dann halte ich das für falsch. Ich habe mit Perikles Simon gesprochen, der als Wissenschaftler und Dopingexperte an der Universität in Mainz und auch für die WADA tätig ist. Er hat das so erklärt, dass es im Fußball gerade durch diese komplexen Fähigkeiten so ist, dass der Sportler gar nicht alle Bereiche so gut trainieren kann.

Da so viel Technik-, Sprint- und Sprungtraining nötig ist, bleibt am Ende gar nicht mehr so viel für die Ausdauer übrig. Simon sagt, dass dadurch die Gefahr zu dopen sogar noch größer ist, weil Doping vielleicht das einzige Mittel ist, um die Ausdauer überhaupt noch zu erhöhen. Wenn ich als A-Jugend-Nationalspieler in die A-Nationalmannschaft will und es mir an Ausdauer fehlt, kann ich technisch so gut sein, wie ich will, dann werde ich niemals für Löw spielen.

LAOLA1: Wie hoch schätzt du den Prozentsatz der gedopten Fußballer im Spitzensport ein? In welchen Ländern siehst du die größten Probleme und warum?

Drepper: Da gibt es keinerlei wissenschaftliche Untersuchungen dazu und ich weiß es auch nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass der Anteil an gedopten Fußballern in den 90er Jahren höher war als jetzt, weil damals zum Beispiel EPO noch nicht nachweisbar war und das ganze Thema vor den großen Skandalen im Radsport laxer war. Mittlerweile ist die Aufmerksamkeit viel größer. Deshalb könnte es wieder ein bisschen zurückgegangen sein.

LAOLA1: Du hast die fehlenden Bluttests im Fußball angesprochen. Wie sähe für dich denn ein effektives Kontrollsystem im Fußball aus?

Drepper: Das Mindeste wäre, dass man Fußballer genauso testet wie Radsportler und alle anderen auch. Die NADA sagt, Fußball sei nicht so anfällig für Doping wie Radsport, deshalb testen sie da weniger, weil sie effektiv mit ihren Mitteln umgehen müssen. Das verstehe ich. Was ich aber nicht verstehe, ist, dass Fußballer – mit Ausnahme von Nationalspielern – nicht ihren Wohnort oder ihren Aufenthaltsort angeben müssen. Fußballer in Deutschland können, wenn sie keine Nationalspieler sind, nur im offiziellen Training getestet werden. Das sind zwei Stunden am Tag, vielleicht auch mehr. Da ich aber weiß, wie schnell heutzutage Mittel abgebaut werden und wie leicht solche Substanzen vertuscht werden können, ist das ineffektiv. Wenn ich Leute im Training teste, gilt der Spruch, der seit zehn, fünfzehn Jahren im Radsport gilt, „dann fallen nur die Dummen auf“. Man müsste zumindest unangekündigte, jederzeit mögliche Kontrollen, ein effektives Testsystem und Bluttests einführen. Ohne Blutkontrollen fallen große Substanzgruppen wie Wachstumshormone und gewisse Blutdopingmittel schon raus.

LAOLA1: Welche Lösungsansätze gibt es zur Eindämmung des Dopings? Sollte es lieber gleich freigegeben werden?

Drepper: Nein, auf keinen Fall freigeben. Das halte ich für den komplett falschen Weg. Da gibt es ja immer die gleichen Argumente: Ich würde mein Kind nicht mehr zum Sport schicken, wenn Doping freigegeben wäre. Und wo zieht man die Grenze? Darf man ab 18 Jahren dopen, ab 16, ab 14? Wenn man sagt, unter 18 darf man nicht dopen, muss wieder ein Kontrollsystem aufgebaut werden. Dann halte ich es auch für Quatsch, zu sagen, alle haben wieder die gleichen Chancen. Denn es haben nicht alle die gleichen Chancen, sondern nur diejenigen, die das meiste Geld für Mediziner haben. Es geht dann nicht mehr darum, wer sich sportlich am meisten anstrengt und das meiste Talent hat, sondern darum, wer das meiste Risiko geht, wer am nächsten an die Todesgrenze dopt.

Was man dagegen tun kann? Das ist, glaube ich, die Masterfrage. Gut wären schon mal vernünftige Kontrollen, Aufmerksamkeit durch die Medien, vielleicht weniger Druck auf einzelne Spieler, weniger leistungsbezogene Bezahlungen… Es gibt viele Ansätze, mit denen sich Präventionsleute seit Jahren beschäftigen. Ich glaube, vieles davon ist schwierig durchzusetzen, weil es mit dem Geschäft Fußball nicht vereinbar ist.

Das Interview führte Henriette Werner