news

Sind die Dachverbände noch zeitgemäß?

Sind die Dachverbände noch zeitgemäß?

80 Millionen Euro.

So viel pumpt der österreichische Bund jährlich in den Sport. Kein Pappenstiel.

Doch was damit geschieht und wie effizient die Mittel eingesetzt werden, sorgt für Diskussionen, wie zuletzt nach der Veröffentlichung des verunglückten Verbandsrankings.

Von dieser verschont blieben die drei Dachverbände ASKÖ, Union und ASVÖ. Durchaus zurecht, schließlich hat das Trio in erster Linie den Breitensport über, während sich der Erfolgstopf mit der Spitze beschäftigte.

Weitet man die Diskussion jedoch auf die Frage nach der Effizienz des Geldmitteleinsatzes aus, rücken die Dachverbände ins Zentrum. Zu aufgebläht, zu unkoordiniert und in dreifacher Ausführung überflüssig, lauten die drei wesentlichen Vorwürfe, die von Kritikern ins Feld geführt werden. LAOLA1 ging den Anschuldigungen nach.

Die andere Gießkanne

Mit 24,8 Millionen Euro (6 Mio. pro Dachverband plus Maßnahmen-Förderung) erhalten die Dachverbände einen beträchtlichen Teil des Kuchens.

Zu viel! Zumindest wenn es nach Felix Netopilek geht. Der frühere Generalsekretär des politisch neutralen ASVÖ kennt die Rolle und Arbeitsweisen der Dachverbände, weshalb er Handlungsbedarf ortet.

„Ja, sie haben ihre Notwendigkeit und ja, sie haben ihre Aufgaben. Aber der Betrag, den sie bekommen, ist nicht mehr zeitgemäß. Das ist entschieden zu hoch“, nimmt sich Netopilek kein Blatt vor den Mund. „Die Gießkanne mag man bei den Fachverbänden vielleicht abgeschafft haben, aber bei den Dachverbänden noch nicht.“

Gesetzliche Hürde

Um zu gewährleisten, dass ASKÖ, Union und ASVÖ ihrer Aufgabe nachkommen, die Basis zu stärken, wurde jüngst sogar der Gesetzgeber aktiv. Im neuen Sportfördergesetz trat mit 1.1.2014 der „Vereinszuschuss“ in Kraft, der die Dachverbände verpflichtet, dass mindestens 40 Prozent der Gelder auch tatsächlich bei den Mitgliedsvereinen ankommen.

40 Prozent klingt zunächst nicht viel, ist für einzelne Dachverbände aber eine nicht unwesentliche Hürde. Rainer Rößlhuber, Generalsekretär der politisch schwarzen Union, erklärt auf Nachfrage von LAOLA1, dass sie wegen der neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen leichte Umstellungen vorgenommen haben. „Wir haben am Anfang des Jahres 48 Prozent als Ziel ausgegeben“, meint er.

Mit so konkreten Ansagen hält sich sein Pendant bei der SPÖ-nahen ASKÖ, Michael Maurer, eher zurück. „Wir werden die 40 Prozent erfüllen“, sagt er zunächst. Erst auf ein Nachhaken gibt er mit „40 bis 60 Prozent“ eine recht elastische Antwort zu Protokoll.

Am besten dürfte hier der ASVÖ abschneiden. „Laut unseren Schätzungen gehen bei uns 55 Prozent der Gelder in die Vereine“, so Generalsekretär Paul Nittnaus, der darin auch den Grund für die starken Wachstumsraten des ASVÖ bei der Zahl der Mitgliedsvereine ortet. In den vergangenen 20 Jahren hat sich diese verdoppelt und mit aktuell knapp 5.400 Klubs liegt der ASVÖ an der Spitze. „Weil man bei uns unterm Strich das meiste Geld bekommt“, folgert Nittnaus.

Sache der Länder

Hierbei muss ergänzt werden, dass in den gesetzlich eingeforderten 40 Prozent die indirekte Vereinsförderung nicht berücksichtigt wird. Günstige Trainingslager, ein Angebot von Trainer-Förderungen, Fortbildungsmaßnahmen oder Bewegungsprogramme fallen unter den Teppich.

Service-Leistungen, die bei allen drei Dachverbänden auf der Agenda stehen und über die sich insbesondere ASKÖ und Union versuchen zu positionieren. Rößlhuber beklagt dadurch etwa Einbußen beim Handlungsspielraum.

Auch wenn die gesetzliche Vorgabe der 40 Prozent sinnvoll erscheint, sorgt sie dennoch für Kritik. „Dieses Gesetz ist de facto verfassungswidrig“, behauptet Netopilek, der auf Gespräche mit Juristen verweist. „Alles, was nicht dezidiert in der Verfassung drinnen steht, ist Ländersache. Der Bund hat keinen Einblick, was in den Ländern mit dem Geld passiert.“

Es sei schon wichtig, die Vereine zu unterstützen, aber die Frage sei wie. „Da gibt es beispielsweise unterklassige Fußball-Vereine, die einem ausländischen Legionär 5.000 Euro bezahlen, dann aber zum Dachverband gehen, weil sie Geld für das Ausmalen der Kabine brauchen.“ Inhaltlich werde nicht kontrolliert.

Über An- und Einstellung

Abseits der bereits erwähnten Bewegungsprogramme und Service-Leistungen werden Teile der Mittel in die Infrastruktur gesteckt. Oftmals sind es die Dachverbände, die den Vereinen Sportanlagen zur Verfügung stellen.

Ein weiterer Punkt sind freilich die administrativen Kosten, die mitunter dafür sorgen, dass der ASVÖ einen dementsprechend hohen Prozentsatz an Gelder weitergeben kann. Der „Allgemeine Sportverband Österreichs“ verfügt über den schlankesten Apparat der drei. Nittnaus: „Wir haben österreichweit 40 Vollzeit-Äquivalente angestellt.“

Zum Vergleich: Die Union bringt es alleine in der Hauptstadt auf deren neun. „Dazu kommen in den größeren Bundesländern neun bis zehn Äquivalente. In den kleineren wie Burgenland oder Vorarlberg sind es zwei oder drei“, rechnet Rößlhuber vor.

Die ASKÖ schafft es insgesamt sogar auf rund 100 Vollzeit-Äquivalente. Der mittlerweile pensionierte Ex-Funktionär Netopilek kennt die zahlenmäßigen Verhältnisse. Für ihn steht bei Betrachtung dieser außer Frage, dass man für das Geld effizienter arbeiten müsse.

Aus eigener Erfahrung weiß er jedoch, dass dazu oftmals der Wille fehlt. „Wir haben im ASVÖ Konzepte ausgearbeitet, wie wir uns die anfallenden Kosten der Administration selbst erwirtschaften könnten. Darüber wurde allerdings keine fünf Minuten diskutiert, weil es geheißen hat: Wozu? Der Bund gibt uns ja eh die Mittel.“

Historisch festgefahren

Bleibt die immerwährende Diskussion, ob es nicht sinnvoller wäre, die drei Dachverbände zusammenzulegen. Den dadurch zu erwartenden Einsparungseffekt hält Maurer im administrativen Bereich für nicht allzu groß, schließlich sei der Großteil der Angestellten mit der Betreuung von Vereinen bzw. Abwicklung von Projekten eingedeckt. Also Kapazitäten, die man auch nach einer Zusammenlegung benötigen würde. „Fünf Leute dort und fünf Leute da, mehr würde das nicht bringen“, so Maurer.

In eine ähnliche Kerbe schlägt Universitäts-Professor Wolfang Mayrhofer, der bei der Entwicklung des neuen Sportfördergesetzes mitwirkte. „In Zeiten wie diesen sind Dachverbände durchaus zeitgemäß. Allerdings muss man gestehen, dass man es ohne die österreichische Geschichte nicht auf drei bringen würde“, verweist er auf die historisch gewachsene Struktur, die nur schwer zu durchbrechen sei.

„Von daher müsste man sich anschauen, ob es sich überhaupt lohnen würde, das neu zu strukturieren“, sieht er sich selbst eher in der Rolle des Optimierers bestehender Rahmenbedingungen.

Jeder zieht an einer Ecke

Obwohl die Bindung zu politischen Vorfeld-Organisationen in den vergangenen Jahrzehnten rückläufig war, erachtet auch Netopilek eine Zusammenlegung als „nicht realistisch“. Allerdings brauche es eine verbesserte Koordination sowie Abstimmung untereinander.

„In vielen Bereichen laufen Projekte der drei mit gleichen Inhalten. Warum diese Sachen nicht gleich gemeinsam machen? Da gibt es beispielsweise Gemeinden mit 5.000 Einwohnern, drei Fußball-Klubs UND –Plätzen“, so Netopilek.

2014 2013 2012
ASKÖ 4.548 4.716 4.550
ASVÖ 5.372 5.378 5.241
Union 4.039 3.936 4.238

Aus seiner Sicht spiegeln derartige Beispiele das Grundübel der heimischen Sportstruktur wider: „Es fehlt uns ein gesamtösterreichisches Sportkonzept.“

„Alle Institutionen des Sports gehören an einen Tisch gebracht, um gemeinsam Ziele und Strategien zu erarbeiten. Danach kann man sich ausmachen, wer wofür zuständig ist und wie die Finanzierung aussieht“, verweist er etwa auf das Beispiel der Niederlande, wo vor 20 Jahren ein ähnlich radikaler Schritt gemacht wurde.

In Österreich vermisst Netopilek eine gemeinsame Richtung und hinterfragt dabei die Daseinsberechtigung von Institutionen. „Die BSO ist klinisch tot! Nach der Abgabe der Abwicklung der besonderen Bundes-Sportförderung tut sie de facto nichts mehr“, findet er harte Worte für die 1,2 Mio. Euro teure Institution, welche sich laut Aussagen von Präsident Herbert Kocher noch mehr in Richtung einer Service-Einrichtung für die Fachverbände entwickeln möchte.

Unterm Strich

So gesehen darf die Frage also nicht mehr lauten, ob die Dachverbände zusammengelegt werden, sondern wie gut aufeinander abgestimmt diese arbeiten. Was wiederum ein generelles Problem der österreichischen Sportlandschaft darstellt.

Das viele Nebeneinander, nicht klar abgesteckte Grenzen, sowie nicht ausreichend definierte Ziele haben Mitschuld am ineffizienten Mitteleinsatz.

Dazu gesellt sich mangelnder Optimierungs-Wille in den Dachorganisationen, der dafür sorgt, dass Diskussionen über die Sinnhaftigkeit von drei Parallel-Institutionen auch in Zukunft nicht abreißen werden.

Reinhold Pühringer