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Sarah Lagger - Ein Engel lernt fliegen

Sarah Lagger - Ein Engel lernt fliegen

Beim bislang größten Event ihrer Karriere bis auf einen Zentimeter an die eigene Bestleistung heranzuspringen – das ist Können.

Sich auch nicht aus dem Konzept bringen zu lassen, obwohl man das Einspringen verpasst hat – das ist Coolness.

Und das Ganze mit gerade einmal fünfzehneinhalb Jahren hinzubekommen – das ist Sarah Lagger.

Der Stern der Kärntnerin schießt derzeit wie ein Komet empor. Seit ihrer sensationellen U18-Weltbestmarke im Siebenkampf (6.014 Punkte) Mitte Mai gilt die BORG-Schülerin selbst auf internationaler Ebene als eines der vielversprechendsten Talente.

Ein Talent, das bei den Europaspielen in Baku ihre Unbekümmertheit unter Beweis stellte. Mit 6,17 Metern und Rang drei holte Lagger wichtige Punkte für die schlussendliche Silber-Medaille Österreichs und den Wiederaufstieg in die dritte Leistungsstufe. Ihre Gegnerinnen waren dabei teilweise mehr als doppelt so alt.

Quod erat demonstrandum

Roland Werthner, der Lagger in Baku in Vertretung seines Bruders Georg betreute, hatte im Vorfeld noch von der Unbekümmertheit seines Schützlings geschwärmt. Lagger wirkte beim Lauschen der Ausführungen über sich fast ein wenig peinlich berührt. Die Lobeshymnen seien ihr noch immer etwas unangenehm, lächelte sie.

Artig bewies Lagger jedoch, dass die Worte Werthners keine leeren waren. Bei ihrem ersten Auftritt auf einer derart großen Bühne, verpasste sie prompt das insbesondere für die Nerven so wichtige Einspringen. „Es hieß, dass ich noch drei, vier Minuten hätte, aber als ich raus wollte, stand schon das Hütchen da, das anzeigt, dass die Anlage gesperrt ist“, schildert Lagger.

Sie meint zwar, dass ihr Puls deswegen beim ersten Wettkampfsprung etwas höher war als sonst, „aber hilft ja eh nichts“, zuckt sie fast lachend mit den Achseln. Die 6,17 glückten ihr im vierten und letzten Versuch. „Ich dachte zuerst, dass ich übertreten hatte, weil ich gehört hatte, dass ich auf den Balken getreten war.“ Doch der letzte Abdruck saß punktgenau.

Ein Rohdiamant aus der Volksschule

Es ist nicht das einzige Lob, das Werthner in Bezug auf Lagger verliert. Viel Gefühl für die Wurf-Geräte, immense Sprungkraft und eine schnelle Auffassungsgabe. In einem Wort: Ein Rohdiamant.

Einer, der in seiner physischen Ausformung noch recht ungeschliffen sei. „Mit Gewichten haben wir mit ihr noch kaum gearbeitet“, so Werthner, der deshalb in allen Disziplinen noch großes Verbesserungspotenzial ortet.

Aufgefallen war das vielseitige Talent bei Einstufungstests in der zweiten Klasse Volksschule. Die Gabe der damals Sieben-Jährigen war ihrem nunmehrigen Trainer sofort ins Auge gestochen. Das Angebot zu den ersten Trainings und Wettkämpfen nahm nicht nur Lagger, sondern auch deren Eltern gerne an. „Ich war ein eher hyperaktives Kind, also dachten sich meine Eltern: Super, da hat sie einen Sport, in dem sie sich austoben kann“, schildert die Blondine.

Woher ihr Talent, welches sich gemäß eigenen Angaben nicht auf Ballsportarten umlegen lässt, letztlich stammt, weiß sie selbst nicht. Ihre väterliche Seite beschreibt sie beispielsweise als „nicht so sportlich“. Ihre Worte erwecken den Anschein einer höflichen Umschreibung.

Die von besagter Seite mitbekommene Robustheit sei ihr aber keineswegs zum Nachteil gereicht. „Deswegen bin ich nicht so verletzungsanfällig“, klopft Lagger auf Holz.

Zwischen Klammer, Mayer und Zaiser

Aus Mangel an Leichtathletik-Klubs in ihrer Umgebung startet Lagger für die Linzer Zehnkampf Union. Nichtsdestoweniger dürfte der Gegend rund um Brodbrenten, einer Häuseransammlung nahe Spittal an der Drau, in sportlicher Hinsicht etwas Magisches anhaften.

Vielleicht ist es die Luft, vielleicht auch das Grundwasser – jedenfalls sind im Umkreis einiger Kilometer mit Franz Klammer, Matthias Mayer und Lisa Zaiser gleich mehrere österreichische Sportgrößen aufgewachsen.

Die Suche nach weiteren erfolgsversprechenden Omen ist nicht schwierig. „Wenn man sich die Liste der aktuellen Halter der Jugend-Weltbestleistungen ansieht, sind davon ungefähr zwei Drittel nachher Olympiasieger geworden“, weiß Roland Werthner.

Außergewöhnliche Talentdichte

Noch ist es aber nicht soweit. Riesen-Talent hin oder her – gilt es für Lagger beide Füße fest auf den Boden zu behalten und einen Schritt nach dem anderen zu machen. Der nächste heißt U18-WM von 12. bis 19. Juli im kolumbianischen Cali.

Dort wird sie im Siebenkampf gemeinsam mit Andrea Obetzhofer an den Start gehen. Erstaunlich: Im Moment liegen gleich drei Österreicherinnen in der U18-Jahresweltbestenliste unter den besten Neun.

Neben der Führenden Lagger ist Karin Strametz Siebte und Obetzhofer Neunte. Da in Cali nur zwei pro Nation den Siebenkampf bestreiten dürfen, muss Strametz auf die 100m Hürden ausweichen.

Lagger will in Kolumbien die in Baku so knapp verpasste persönliche Bestmarke im Weitsprung überbieten. Wenn sie sich diesmal einspringt, dürfte dies durchaus machbar sein.

Aus Baku berichtet Reinhold Pühringer