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Weiter Zittern um verunfallte Synchron-Nixe

Weiter Zittern um verunfallte Synchron-Nixe

Rote Augen, belegte Stimme.

Christoph Sieber sah schon mal besser aus. Rein auf den Gesundheits-Zustand bezogen freilich.

„Mich hat es etwas erwischt.“ Der Chef der österreichischen Olympia-Mission bei den Europaspielen in Baku meidet derzeit, so weit es geht, den direkten Kontakt mit den Athleten. Schließlich will er niemand der über 100 ÖOC-Sportler, die im rot-weiß-roten behangenen Gebäude inmitten des Athletendorfes gerade wohnen, anstecken.

„Wahrscheinlich ist das Kränkeln die Folge des Stressabfalls“, spricht der 44-Jährige den Schatten an, welcher nach wie vor über den Europaspielen liegt. Gemeint ist der tragische Unfall am Tag vor der Eröffnung, als ein Shuttle-Bus drei österreichische Synchron-Schwimmerinnen erfasste und die 15-jährige Vanessa Sahinovic dabei lebensgefährlich verletzte.

Selbst neun Tage nach dem folgenschweren Vorfall ist nicht klar, wie die Geschichte rund um das junge Mädchen ausgeht.

Noch mehrere Wochen im Spital

Die Nachrichtenlage rund um ihren Zustand ist dünn. Verständlicherweise dünn. „Es herrscht ein Kommunikations-Stopp nach außen“, weiß Sieber. Infos werden erst nach dem Einverständnis der Eltern bekanntgegeben.

Nach dem Unfall war Sahinovic begleitet von Team-Arzt Robert Kandelhart via Jet umgehend nach Wien überstellt worden. „Sie ist praktisch unversorgt nach Österreich gekommen“, schildert Mehdi Mousavi, Leiter der Unfall-Chirurgie des Wiener Donauspitals, am Donnerstag gegenüber dem „ORF“. Laut ihm sind noch weitere Operationen ausständig, was sich auch mit Wissensstand Siebers deckt.

Der Arzt meint weiter: „Bei solchen Kombinationen von Verletzungen und Mehrfachbrüchen ist grundsätzlich niemals auszuschließen, dass irgendein Restschaden oder Spätfolgen bleiben werden.“ Mindestens drei bis vier Wochen müsse sie noch im Krankenhaus verbringen.

Nach der aktuellen Informationslage kann eine Lähmung nicht ausgeschlossen werden.

Es wäre nicht der Laie hinterm Lenkrad

Doch wie kam es dazu, dass der Busfahrer in der scharfen Linkskurve raus auf den Gehsteig kam und die Mädchen erfasste? Gemäß ÖOC-Angaben habe der Lenker erklärt, dass er Brems- und Gas-Pedal verwechselt hätte. Alkohol- und Drogentests sollen negativ ausgefallen sein.

Sieber gibt sich in Sachen Ursachen-Forschung aber zurückhaltend. „Es geistern viele Gerüchte herum. Fakt ist, dass wir keinen Einblick in die Ermittlungen der Behörden nehmen können. Gerade bei polizeilichen Angelegenheiten finden wir hier nicht unsere aus Österreich gewohnten Standards vor.“

Eines jene Gerüchte vermeldete etwa, dass der Chauffeur keinen Bus-Führerschein besaß. Das würde ins Bild passen, da bei Großereignissen aus Mangel an Alternativen erfahrungsgemäß öfters Amateure hinter dem Steuer von Shuttle-Bussen sitzen.

Mittel und Wege

In Aserbaidschan, einem Land in welchem der Allein-Regent Ilham Aliyev Präsident des Nationalen Olympischen Komitees und dessen Frau Mehriban die OK-Chefin der Europaspiele ist, bekommt ein derartiger Vorfall, der den Gesamt-Eindruck der als Image-Kampagne inszenierten Veranstaltung gefährdet, schnell eine politische Dimension.

Während das einer wahrhaftigen Ursachenforschung eher abträglich sein dürfte, brachte es in anderen Bereichen sehr wohl auch Vorteile. Etwa beim Heim-Transport von Sahinovic. Der Jet, mit welchem sie nach Wien überstellt wurde, wurde von staatlicher Seite zur Verfügung gestellt.

Mit Nachdruck wurde an der Unfallstelle nachgebessert. Es wurden umgehend Absperrungen aufgestellt sowie ein im Vergleich zur Fahrbahn erhöhter Gehsteig eingelassen.

„Schwimmen für Vanessa“

Bei den traumatisierten Team-Kolleginnen dürfte das Krisen-Management des ÖOC gegriffen haben. „Nach Gespräche mit Betreuerinnen, Ärzten, Psychologen und Athletinnen waren war alle einer Meinung, dass es für die Mädchen am besten wäre, möglichst schnell wieder ins Wasser zu kommen“, begründet Sieber.

Auch wenn die beiden folgenden Medaillen im Duett und Solo vor dem Hintergrund der Geschehnisse zur Nebensache degradiert wurden, „waren sie in ihrer Emotionalität einzigartig“, schildert Sieber.

Aus Baku berichtet Reinhold Pühringer