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Österreichs größtes Lauftalent der letzten Jahrzehnte

Österreichs größtes Lauftalent der letzten Jahrzehnte

Trainer zu sein ist nicht leicht. Insbesondere dann, wenn man sein bestes Pferd im Stall ziehen lassen muss.

So erging es kürzlich Wolfgang Adler. Oberösterreichs Leichtathletik-Landestrainer verlor vor wenigen Monaten Ivona Dadic. Die 19-jährige Siebenkämpferin, die im vergangenen Jahr mit 5.959 Punkten den 27 Jahre alten ÖLV-Rekord von Sigrid Kirchmann einstellte und das Olympia-Ticket holte, zog es zur Trainingsgruppe von Jessica Ennis nach England.

„Es ist freilich nicht angenehm, wenn man eine erfolgreiche Athletin verliert“, meint Adler im Gespräch mit LAOLA1. „Aber wenn man die Gelegenheit bekommt, mit der Olympiasiegerin zu trainieren, dann muss man das verstehen.“

„Schade ist allerdings, da wir mit ihr für die Leichtathletik in Österreich noch viel herausholen hätten können“, meint er in Richtung Ressourcen und Infrastruktur.

Doch Adler kann sich trösten. Denn mit Niki Franzmair hat er das vielleicht größte heimische Lauftalent der letzten Jahrzehnte unter seinen Fittichen. Zehn ÖLV-Nachwuchsrekorde sowie die Führung in der letztjährigen Jugend-Jahresweltbestenliste über 1.000 m sprechen für sich. Am Freitag feiert er bei der Hallen-EM in Göteborg sein Debüt bei einem Großereignis der Erwachsenen.

Kein Angsthase

Mit exakt 18 Jahren und elf Tagen ist der Linzer damit der jüngste österreichische Hallen-EM-Starter seit Sprinter Roland Jokl in Sindelfingen 1980 (17 Jahre, 219 Tage).

Seit heuer zählt Franzmair zu den Junioren, in deren Bestenlisten er ähnlich gut liegt. Über 800 m ist er derzeit die Nummer drei. Vor ihm rangieren mit Nijel Amos (BOT) und Timothy Kitum (KEN) auch keine No-Names, sondern die Silber- und Bronzemedaillen-Gewinner der Olympischen Spiele von London.

In Göteborg geht der Youngster, für den die U20-EM im Juli in Rieti (ITA) der Saisonhöhepunkt ist, mit einer Meldezeit von 1:48,53 Minuten, der 21.-besten im 30er-Feld, ins Rennen. Das Augenmerk liegt somit klar auf Erfahrung sammeln. Vom Verstecken hält er dennoch nichts: „Ich möchte nicht wie ein Angsthase laufen.“ Möglichst lange vorne mit dabei sein, lautet die Devise.

Konterstürmer in jungen Jahren

Seine Rekorde und Zeiten lassen immer wieder Befürchtungen aufkommen, er würde verheizt werden. Coach Adler ringt das aber nur ein Kopfschütteln ab. Aktuell liege der Trainingsfokus nach wie vor auf der Technik. „Leistungsmäßig trainiere ich überhaupt erst seitdem ich 15 bin“, tut auch Franzmair die Vermutungen als falsch ab.

Erste sportliche Schritte machte der Fan von Marcel Hirscher („Beeindruckend, wie er mit dem Druck umgeht.“) allerdings nicht auf der Tartanbahn, sondern auf dem grünen Rasen. „In meiner Kindheit spielte ich für die Union Puchenau“, erinnert er sich. Seine Position? Stürmer. Über Lauftalent verfügte er damals schon. Dementsprechend war auch die Taktik ausgerichtet.

„Wir haben meistens mit langen Pässen in die Spitze gespielt. Meine Aufgabe war es dann, die Verteidiger im Laufduell stehen zu lassen.“

Nach und nach fand er schließlich doch den Weg zur Leichtathletik, wobei er sich zunächst im Mehrkampf versuchte. Wo dort genau seine Stärken lagen, war schnell ausgemacht. „Ich erinnere mich an einen Wettkampf, wo ich vor der letzten Disziplin im hinteren Drittel lag. Im abschließenden Lauf habe ich aber über zehn Plätze gutgemacht und obendrein einen neuen U14-Rekord aufgestellt. Da wusste ich dann, dass ich mich vielleicht doch auf das Laufen konzentrieren soll“, schmunzelt der ÖLV-Nachwuchsathlet des Jahres.

Bewerb
Lukas Weißhaidinger Kugelstoßen
Andreas Rapatz 800 m
Nikolaus Franzmair 800 m
Andreas Vojta 1.500 m
Dominik Distelberger Siebenkampf

Gegen das eigene Vorbild

Mit 15 Jahren wechselte Franzmair in das Leistungssport-BORG nach Linz, wo auch die Zusammenarbeit mit Adler vertieft wurde.

Der Athlet des ULC Linz profitiert von den derzeit zahlreichen österreichischen Mittelstrecklern. In Göteborg wird er gemeinsam mit Andreas Rapatz (Meldezeit 1:47,87 Minuten) die 800 m in Angriff nehmen. Dazu kommt noch Andeas Vojta (3:39,15), der über 1.500 m gute Karten auf einen Finalplatz hat.

Eine Konstellation, von der auch Franzmair in gemeinsamen Trainings bereits profitiert hat. International orientiert er sich aber an noch Größeren. „Mein Vorbild ist Marcin Lewandowski“, fangen seine Augen plötzlich an zu leuchten. Der Pole wurde 2010 Europameister über 800 m. So einzigartig machen ihn aber nicht bloß seine Leistungen. „Es ist seine ganze Art und sein Auftreten.“

Umso aufregender ist es für Franzmair, dass auch Lewandowski in Göteborg an den Start geht. Das ÖLV-Talent hofft, mit seinem Idol ins Gespräch kommen zu können. Ob er ihn auch um ein Autogramm fragt, wisse er aber noch nicht.

Reinhold Pühringer