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Die neue Hoffnungsträgerin am Judo-Himmel

Die neue Hoffnungsträgerin am Judo-Himmel

Nicht links schauen, nicht rechts schauen. Einfach nur kämpfen.

Manche nennen es Coolness. Manche nennen es jugendliche Unbekümmertheit. Egal, Bernadette Graf hat es jedenfalls.

Die Innsbruckerin schickt sich mit ihrer Bronzenen bei der Europameisterschaft in Budapest an, in die Lücke hinter den arrivierten Aushängeschildern Ludwig Paischer und Sabrina Filzmoser zu stoßen.

Wenn die Zeit wie im Flug vergeht

Dass die erst 20-Jährige auf dem Siegerbild einer Europameisterschaft zu finden ist, ist für Insider keine Überraschung, sondern angesichts ihrer Ergebnisse im Nachwuchs vielmehr eine Frage der Zeit.

Junioren-Europa- sowie –Weltmeistertitel hat sie unter anderem zu Buche stehen. Erfolge, die noch nie ein österreichischer Judoka erreichte. Zudem wurde sie vom europäischen Verband sogar als hoffnungsvollstes weibliches Talent geehrt. Ein Versprechen, das sie jetzt allmählich auch bei den Erwachsenen einlöst.

Ihr Auftritt in Budapest war insbesondere in den Vorrunden eine Augenweide. Vom Griffkampf angefangen, den sie gegen Margarita Gurtsieva (RUS) und Anka Pogacnik (SLO) beherrschte, bis hin zur Coolness im Kampf um Rang drei, in dem sie mit viel Reife einen knappen Shido-Vorsprung gegen die offensiv kämpfende Juliane Robra (SUI) über die Zeit manövrierte.

Nicht links schauen. Nicht rechts schauen. Einfach nur kämpfen.

Da passte es ins Bild, dass einer der ersten Eindrücke, den Graf nach ihrem Bronze-Kampf formulierte, war: „Die Wettkampfzeit ist irrsinnig schnell vergangen. Auf einmal habe ich auf die Uhr geschaut und es waren nur noch 14 Sekunden übrig.“ Unbekümmert eben.

Unterlegen war Graf lediglich der späteren Siegerin Kim Polling. Die Niederländerin zeichnet der Österreicherin, die gerade auf dem Sprung in die Weltspitze ist, auch den weiteren Weg vor. Polling gewann heuer mit dem Grand Slam in Paris, dem Grand Prix in Düsseldorf und der EM praktisch alle bisherigen großen Turniere.

Nicht unzufrieden

Etwas verwundert wirkte indes Hilde Drexler, was aber weniger an ihrem fünften Platz bis 63 kg, sondern vielmehr an den Reaktionen darauf lag. „Mich haben schon einige Leute gefragt, ob ich mich sehr ärgern würde. Aber um ehrlich zu sein, bin ich sehr zufrieden damit.“

Der Wienerin hatte nach einem bislang durchwachsenen Jahr zuletzt eine Adduktoren-Verletzung einen Strich durch eine optimale EM-Vorbereitung gemacht.

„Vom Körperlichen her hatte ich heute leider einfach nicht mehr zu geben“, so die 29-Jährige, die im Kampf um Bronze gegen Tina Trstenjak (SLO) aufgrund von Bestrafungen das Nachsehen hatte.

Sorgen um Damenteam

Ebenfalls nicht optimal war auch die Nacht vor dem Turnier, was an ihrer Zimmer-Kollegin Tina Zeltner lag. Die 57-kg-Kämpferin fing sich einen Magen-Darm-Virus ein und verbrachte die Nacht sich übergebend auf der Toilette. Die dabei entstehende Geräuschkulisse kostete Drexler einiges an Schlaf.

„Auch wenn es mir leid tut für Tina, habe ich dann am Morgen aber das Weite gesucht. Auch um mich nicht anzustecken“, erklärte Drexler, die eine neue Bleibe in Filzmosers Zimmer fand. Das Beschaffen eines Schlüssels für den Raum der bereits nach Wien überstellten Verletzten zu bekommen, war ein Kinderspiel.

„Ich habe mich einfach bei der Rezeption als Sabrina Filzmoser vorgestellt und gesagt, dass ich den Schlüssel verloren hätte. Sofort habe ich eine Karte bekommen“, verriet die „Emigrantin“.

Die Verletzung Filzmosers plus der Erkrankung Zeltners treibt mit Blick auf den Damenteam-Bewerb am Sonntag Bundestrainer Marko Spittka die Sorgenfalten auf die Stirn. Wen stellt er bis 57 kg auf?

Vorerst bleibt einmal abzuwarten, wie schlimm es Zeltner erwischt hat. Eine Alternative wäre, eine der beiden nominierten 52erinnen, Anna Dengg oder Petra Steinbauer, eine Gewichtsklasse raufzuziehen. Ob dies angesichts der internationalen Klasse der zu erwartenden Gegnerinnen aber Sinn macht, sei dahingestellt.

Neue Diagnose: Trümmerbruch bei Filzmoser

Neues gibt es auch von Filzmoser. Genauer gesagt hat sich die Diagnose ein weiteres Mal verändert. Die in der Halle noch angenommene Luxation des Ellbogen-Gelenks, die im Budapester Krankenhaus zu einem glatten Durchbruch des Oberarms wurde, stellte sich bei Untersuchungen in Wien als Trümmerbruch heraus, was freilich nichts Gutes für die Ausfallzeit der zweifachen Europameisterin bedeutet.

ÖJV-Präsident Hans-Paul Kutschera, der die Operation am Freitag durchführte, hält einen Start bei den Weltmeisterschaften in Rio de Janeiro im August im Bereich des Möglichen. Insofern Filzmoser ihre Karriere fortsetzt.

Die Silbermedaillen-Gewinnerin meldete sich bei der österreichischen EM-Mannschaft übrigens mittels einer SMS. In dieser versuchte sie ihre Teamkollegen zu weiteren Höchstleistungen zu motivieren. Um mitzuteilen, wie es ihr selbst geht, waren ihr die 140 Zeichen offenbar zu schade.

Selbstlos wie immer eben.

Aus Budapest berichtet Reinhold Pühringer