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Wie das Kaninchen vor der Schlange

Wie das Kaninchen vor der Schlange

„Reinwerfen statt wegwerfen.“

Der Slogan, der an den LED-Banden in der Albert-Schultz-Halle zu lesen war und die Wiener Stadtreinigung bewerben sollte, hatte eine fast mahnende Wirkung für Österreichs Handball-Nationalteam.

Denn die ÖHB-Truppe ließ beim 24:28 gegen Erzrivalen Deutschland etliche Chancen ungenützt. Nach 60 Minuten Handball auf überschaubarem Niveau war die zweite österreichische Niederlage in der Qualifikation für die EM 2016 Gewissheit.

Inkonsequent hektisch

Viele verschenkte Bälle, kaum schnelle Gegenstöße. Österreich machte sich vor über 6.000 Zuschauern gegen eine deutsche Mannschaft, die wie erwartet alles andere als übermächtig wirkte, selbst das Leben schwer.

Die fehlende Übermacht war auch Robert Weber nicht entgangen, weshalb ihn die Niederlage besonders wurmte. „Uns hat oftmals die Ruhe gefehlt. Im Angriff waren wir zu hektisch. Dazu kam, dass die zweite Welle einige Male falsche Entscheidungen getroffen hat“, resümierte der Vorarlberger, der mit sechs Treffern erfolgreichster ÖHB-Werfer war, unmittelbar nach dem Schlusspfiff.

Der 28-jährige Magdeburg-Legionär vermisste die letzte Konsequenz in den Zweikämpfen. „Mir ist unser Verhalten wie jenes des Kaninchens vor der Schlange vorgekommen.“

Sigurdsson nimmt zwei Punkte mit

Die Partie stand im Zeichen der Rückkehr von Dagur Sigurdsson. Der Isländer, der von 2008 bis 2010 die ÖHB-Sieben in neue Höhen führte, machte als deutscher Bundestrainer mit dem zweiten Sieg im zweiten EM-Quali-Spiel den nächsten kleinen Schritt, den DHB dahin zurückzubringen, wo er aufgrund seiner Möglichkeiten hingehört.

Sigurdsson zeigte dabei auch altbekannte Muster, ließ beispielsweise bei Ballbesitz in Unterzahl einen zusätzlichen Feldspieler anstelle des Torhüters auflaufen. Auch hatte er sich für seinen Freund und Rivalen Johannesson etwas Besonderes einfallen lassen. In der Deckung variierte Deutschland, stellte oft zwischen einer 6:0- und einer 5:1-Variante um. Etwas, das seine Wirkung nicht verfehlte. „Das hat unseren Spielfluss gebrochen“, analysierte Österreichs Abwehrchef und Teilzeit-Kreisläufer Max Wagesreiter.

Die Gegenstoß-Stärke der Österreicher war dem neuen DHB-Dompteur ebenso nicht verborgen geblieben. „Deshalb war es wichtig, dass wir die Fehlerquote sehr gering gehalten haben“, meinte Topscorer Uwe Gensheimer, der es auf zehn Tore brachte. So dauerte es bis zur 24. Minute, ehe der ÖHB in Person von Raul Santos zum ersten Treffer aus einem Tempo-Gegenstoß kam.

„Da es wenige leichte Tore für sie gab, musste Österreich in den Positionsangriff, wo sie viel ackern mussten“, verwies Sigurdsson auf den kräftezehrenden Charakter der Partie.

Drauf gepfiffen

Wenn jemand ein kräftezehrendes Match richtig einzuschätzen weiß, dann Oliver Roggisch. Der mittlerweile als Team-Manager fungierende 36-Jährige galt lange Jahre als Um und Auf in der DHB-Verteidigung. „The Rogg“ fand lobende Worte für Österreichs Darbietung: „Gerade in der ersten Halbzeit haben sich stark verkauft. Das Ergebnis ist letztlich zu hoch ausgefallen.“

Dass unterm Strich ganze vier Tore die beiden Mannschaften trennten, dafür sorgten auch eine Handvoll recht eigenwilliger Schiedsrichter-Entscheidungen. Die eine oder andere 7-Meter-Entscheidung sowie das deutsche Tor, bei welchem Thomas Bauer den Ball von der Linie kratzte, sorgten für reichlich Unmut bei Spielern und Zuschauern.

In einer kämpferischen Partie dauerte es etwa bis zur 55. Minute, ehe Österreich seinen allersten 7-Meter zugesprochen bekam. Es sollten noch zwei weitere folgen, allerdings zu einem Zeitpunkt, als die Partie praktisch entschieden war. „Das waren nur noch Almosen-7-Meter“, war Weber sauer. „Die pfeifen die Schiedsrichter für die Statistik.“ Damit am Ende nicht ein zu deutliches Penalty-Ungleichgewicht auf dem Spielbericht steht. Die Deutschen versuchten sich übrigens sieben Mal vom 7-Meterstrich, sechsmal erfolgreich.

Johannesson wollte die Schiri-Leistung nicht groß kommentieren: "Ich hab mir schon als Spieler vorgenommen, nicht über die Referees zu sprechen, aber ich glaube, das hat die ganze Halle gesehen." Während der Partie war der 42-Jährige da schon etwas emotionaler. Nach Kritik hatte er Gelb gesehen.

Die Qualifikation pausiert

In der EM-Qualifikation haben sich Österreichs Chancen mit null Punkten aus den ersten zwei Spielen bereits wesentlich verschlechtert. Im Rennen um die Tickets für das Turnier in Polen geht es erst Ende April weiter. Dann mit den beiden Partien gegen Gruppen-Außenseiter Finnland (zuerst auswärts), in denen Johannessons Mannen bereits zum Siegen verdammt sind.

Davor gilt es für das Team, den Fokus auf die im Jänner anstehende WM in Katar zu legen. Anfang Jänner folgen noch zwei Testspiele gegen die Schweiz sowie eines gegen Frankreich.

Vielleicht klappt es ja dann mit der Devise „reinwerfen statt wegwerfen“.

Reinhold Pühringer