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"Das Interesse in Deutschland wächst zumindest"

„Als Sportler willst du gewinnen. Für mich persönlich spielt es keine Rolle, woher ich komme.“

Sebastian Vollmer kann als erster Deutscher die Super Bowl gewinnen. Ein Fakt, der ihm nicht egal ist. Er misst ihm jedoch weniger Bedeutung zu, als es der spürbare Hype in seinem Heimatland vermuten ließe.

Routiniert schmettert er am Media Day alle Fragen zum möglichen Eintrag in die deutschen Sportgeschichtsbücher ab. Sie kamen auch immer und immer wieder, man konnte sich also darauf vorbereiten.

Völlig unvorbereitet traf ihn indes die charmante Bitte einer mexikanischen Reporterin, sich Tormann-Handschuhe anzuziehen und auf den Spuren von Manuel Neuer zu wandeln. Diesen Wunsch verwehrte er, ein bisschen Fußball gespielt wurde trotzdem. Für welchen Sport Deutschland global steht, versteht sich jedoch von selbst.

Fußball-Weltmeister ist Deutschland schon, Papst war man schon, aber Super-Bowl-Champion?

Kein Freund des Blitzlichtgewitters

„Ich stehe einfach von meiner Persönlichkeit her nicht so supergerne im Blitzlichtgewitter. Aber es gehört dazu. Und wenn es dem Sport hilft, vor allem in Deutschland oder generell in Europa, ist es natürlich schön“, antwortet der 30-Jährige im Gespräch mit LAOLA1 auf die Frage, wie bewusst er den Hype um seine Person herunterzuspielen versucht.

Im Alltagsgeschäft muss Vollmer das Blitzlichtgewitter kaum fürchten. Der 2,03 Meter große und 145 Kilogramm schwere Hüne ist O-Liner. Seine Aufgabe ist der Schutz von Quarterback-Superstar Tom Brady.

Vollmer im LAOLA1-Talk am Media Day

Seine Erklärung: „Ich bin der Meinung, dass alle elf, die gerade auf dem Platz stehen, wirklich dieselbe Verantwortung haben. Wenn nur zehn der elf Spieler ihren Job machen, aber der eine nicht, wird es wahrscheinlich nicht funktionieren. Wir haben alle den gleichen Stellenwert.“

Football gilt nicht umsonst als der ultimative Teamsport. Dass manche gleicher als die anderen sind, lässt sich jedoch nicht abstreiten. Ob Brady bei einem vierten Super-Bowl-Ring der größte QB aller Zeiten wäre?

„Für mich ist er das jetzt schon. Ich würde ihm das natürlich gönnen, genau wie unserem ganzen Team. Es ist nicht einfach, in die Super Bowl zu kommen. Da stecken viel Arbeit und Mühe drinnen.“

Botschafter für Football-Europa

Vollmer weiß dies aus eigener Erfahrung, schließlich ist es nicht sein erster Showdown um die NFL-Krone. Vor drei Jahren galt es jedoch, die Endspiel-Niederlage gegen die New York Giants zu verkraften.

Selbstläufer ist das diesjährige Duell gegen Titelverteidiger Seattle Seahawks bekanntlich auch keiner. Als Mitglied der Offense bekommt er es mit einer der stärksten Abwehrreihen der jüngeren NFL-Geschichte zu tun.

Ins Rampenlicht kann man sich auf dieser Position nur schwer spielen. Anders als andere deutsche Heros im US-Sport. Uwe Krupp etwa, der erste Stanley-Cup-Sieger aus unserem Nachbarland, der 1996 Denver im abschließenden Spiel der NHL-Finalserie höchstpersönlich zum Titel schoss.

Von Dirk Nowitzki ganz zu schweigen. Der ist nicht nur in Dallas Denkmal-verdächtig, sondern generell einer der besten NBA-Spieler aller Zeiten.

„Hoffentlich kriegen wir noch mehr Deutsche in die NFL“

Entsprechend ist in Deutschland das NBA-Fieber ausgeprägter. Football ist indes, im Unterschied zu Österreich, medial nur spärlich präsent. Während hierzulande die NFL im Free-TV seit gut eineinhalb Jahrzehnten zum guten Fernseh-Ton gehört, wird der deutsche Fan nur spärlich verwöhnt.

„Ich bin nicht so häufig in Deutschland, aber ich würde sagen, dass es auf jeden Fall besser wird oder zumindest wächst. Klar, an Dirk und der NBA ist das Interesse größer. Vielleicht können Spiele wie diese Super Bowl ein bisschen helfen“, hofft Vollmer auf einen Popularitätsschub.

Sein Ziel: „Möglicherweise beeinflusst es ja jemanden in jüngeren Jahren, mit Football anzufangen. Hoffentlich kriegen wir noch mehr Deutsche in die NFL.“

So wie er selbst in seiner Jugend von Idolen beeinflusst wurde. Wie es der Zufall so will, darf „Sea Bass“ (Wolfsbarsch), wie er in Anlehnung an seinen Vornamen von seinen Teamkollegen gerufen wird, mit diesen Aushängeschildern nun sogar zusammenarbeiten: „Ich habe 2001 mit meinen Freunden aus dem Gymnasium die Patriots in der Super Bowl gesehen. Es ist natürlich schon ein cooles Gefühl, mit demselben Verein in der Super Bowl zu stehen.“

Die Arbeit mit Belichick

Für den jungen Tom Brady war es vor 14 Jahren der erste Titel, für den bis dahin eher unauffälligen Head Coach Bill Belichick der erste Schritt zum Mythos des Genies, als das er heute verehrt wird.

Worin sich die lebende Coaching-Legende von anderen NFL-Strategen unterscheidet, fällt Vollmer schwer zu beurteilen, schließlich hatte er noch keinen anderen Übungsleiter.

„Aber so lange ich die Wahl habe, würde ich auch nicht für einen anderen spielen wollen“, stellt der Right Tackle klar.

Den etwas mürrischen Eindruck, den Belichick in der Außenwelt hinterlässt, kann er indessen nicht wirklich entkräften: „Was die Medien und die anderen Trainer sehen, so ist er dann auch. Er ist sehr gewinnorientiert, sagen wir einmal so.“

Als Spieler weiß man, was man beim 62-Jährigen bekommt: „Er ist auf jeden Fall sehr fair. Wenn man seine Leistung nicht abruft, dann hört man es. Er ist ein professioneller Trainer, wir sind alles professionelle Spieler, damit muss man umgehen können.“

Der ultimative Teamsport

Ungefähr gleich wie die Deutschland-bezogenen Fragen „liebt“ Vollmer jene zu Brady, Rob Gronkwoski oder anderen Superstars der Patriots.

Nicht, weil er ihnen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nicht gönnen würde. Im Gegenteil. In den meisten Sportarten würden einzelne Mitglieder eines Teams mehr im Blickpunkt stehen als andere: „Aber wir Spieler sehen das halt ein bisschen anders.“

„Es ist die beste Defense, auf die wir in diesem Jahr treffen. Sie haben eine gute D-Line, die viel Druck auf den Quarterback ausüben will. Sie sind in allen Statistik-Kategorien oben angesiedelt. Es wird eine große Herausforderung für uns“, ist sich der Zweitrunden-Draftpick des Jahres 2009 bewusst.

Für Football-Europa wäre ein Super-Bowl-Triumph fraglos wertvoll. Während der deutsche Markt noch ein wenig schlafmützig ist, gastiert die NFL seit vielen Jahren in London. Die Idee einer permanenten Franchise in der englischen Metropole schwirrt immer wieder durch den Raum.

„Das muss die NFL entscheiden, ob das profitabel ist. Ich kenne die Hintergründe nicht. Ich habe zwei Mal in London gespielt, es war jedes Mal sofort ausverkauft und ein super Erlebnis. London ist zudem eine super Stadt. Schön wäre es, aber wie sich das umsetzen lässt, weil ich als Sportler natürlich nicht“, meint Vollmer.

"Verkürzt" Deutschland?

In seiner aktiven Karriere wird sich dieses Zukunftsprojekt nicht mehr ausgehen. In der Gegenwart zählt ohnehin nur „das Höchste, das wir in unserem Sport erreichen können.“

Man stelle sich vor, was in Österreich los wäre, wenn ein Einheimischer in der Super Bowl auf dem Feld stehen würde. Zumindest bei Vollmers Heimatverein, den Düsseldorf Panthern, wird diesem Highlight sowohl auf der Homepage, als auch auf dem Facebook-Auftritt indes keine allzu große Bedeutung beigemessen. Man kann die Chance zur Eigen-PR auch relativ ungeschickt verstreichen lassen.

Einen Football-Titel hat Deutschland bereits inne, seit man sich vergangenen Sommer in Österreich gegen Österreich in einem Thriller zum Europameister krönte.

„Davon habe ich leider relativ wenig mitbekommen“, grinst Vollmer, „Football steht ja ein bisschen außerhalb des Rampenlichts. Wenn es nicht übertragen wird, kann ich nichts machen.“

Zumindest bis Sonntag hat Österreich mit Toni Fritsch und Ray Wersching zwei Super-Bowl-Champions voraus. Aber Vollmer ist es zu gönnen, dass sich sein Lebenstraum erfüllt und Deutschland damit "verkürzen" kann.


Peter Altmann