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Ochocinco: Es ist leise geworden um den Lautsprecher

Ochocinco: Es ist leise geworden um den Lautsprecher

Schillernde Stars suchen das Rampenlicht.

Chad Ochocinco ist einer der schillerndsten Stars des vergangenen NFL-Jahrzehnts, die Super Bowl ist jenes Rampenlicht, das er sich immer erträumte.

Farbloser als dieser Tage hat sich der Ausnahmekönner mit dem Hang zur Extravaganz jedoch noch nie präsentiert.

Dies hat mannigfaltige Gründe. Sportliche wie private. Vielleicht wird der 34-Jährige aber auch gerade langsam aber sicher erwachsen.

Tod des Vaters im Vorfeld des AFC-Finales

Das Conference Final seiner New England Patriots gegen Baltimore verpasste der Routinier, weil einen Tag vor dem Kickoff in Miami sein Vater zu Grabe getragen wurde.

Ein ebenso trauriges wie prägendes Erlebnis, auch wenn Chad Johnson, so sein Geburtsname, keine sonderlich innige Bindung zu seinem Herrn Papa pflegte. Nach zwischenzeitlicher Funkstille habe habe sich der Kontakt zuletzt gebessert: „Wir waren okay. Wir haben alle ein oder zwei Wochen telefoniert. Dabei ging es um Football oder was sonst so passiert, aber nichts Tiefergehendes.“

Allzu viel zum Thema Football hatte Ochocinco zuletzt wohl nicht zu berichten. Zumindest nicht, was eigene Heldentaten betrifft. Denn in dieser Saison ist es leise geworden um diesen Selbstdarsteller, der in den Jahren davor eine Fixgröße in der Schlagzeilen-Maschinerie rund um die NFL war.

Chad Ochocinco war beim Media Day ein gefragter Gesprächspartner

„Im Allgemeinen hatte ich eine großartige Karriere. Diese Saison ist nicht so verlaufen, wie ich mir das vorgestellt habe, und wie sich das alle vorgestellt haben. Aber ich habe alles erfüllt, was man von mir verlangt hat. Ich habe gearbeitet und bin ruhig geblieben. Ich weiß nicht, ob die Super-Bowl-Bühne nun eine Belohnung ist, aber ich hätte nichts anders machen können. Ich bin Teil des Teams.“

„Mein altes Ich hätte es in Woche 4 vergeigt“

Ruhig geblieben? Teil des Teams? Worte und vor allem Taten, die man so von Ochocinco, der seinen Familiennamen Johnson aus Publicity-Gründen in seine Rückennummer 85 auf Spanisch geändert hat, so nicht kennt.

„Mein altes Ich hätte es vermutlich in Woche 4 vergeigt“, gesteht der 34-Jährige, der in Cincinnati immer wieder mit teaminternen Problemen auffiel, Head Coach Marvin Lewis nannte ihn dort einst gar genervt „Ocho-Psycho“. In der Welt von New Englands Star-Trainer Bill Belichick ist indessen kein Platz für Ego-Trips.

„Aber ich habe es nicht vergeigt, denn das ist, was jeder von mir erwartet hätte. Ich weiß, dass die Leute nicht geglaubt hätten, dass ich durchhalte. Ich bin ruhig geblieben, weil ich Teil dieser Mannschaft sein wollte. Ich wollte das nicht verhauen“, fährt Ochocinco fort.

Also sah Nummer 85 zu, wie Nummer 83 Wes Welker und Nummer 84 Deion Branch die meiste Receiver-Arbeit erledigten. Von den beiden sensationellen Tight Ends, Rob Gronkowski und Aaron Hernandez, ganz zu schweigen.

All die richtigen Dinge

Für den Altstar, der dem Vernehmen nach durch die wegen des Lockouts verkürzte Offseason Probleme hatte, die komplexe Patriots-Offense zu lernen, blieb kein Platz als favorisierte Anspielstation von Superstar-Quarterback Tom Brady.

Vielleicht war es das ungewohnte Gefühl des Teamerfolgs, das Ochocinco dazu veranlasste, sich in seine Rolle zu fügen. Selbst am Media Day, einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte in dieser Saison, lieferte er den Medien nicht die erwarteten knackigen Kampfansagen, sondern sagte all die richtigen Dinge, die man von einem Teamplayer erwartet.

Zum Beispiel: „Egal ob du eine große, kleine oder gar keine Rolle hast, es ist großartig. Alles in diesem Jahr ist etwas, an das ich nicht gewöhnt war. Daran, wie dieses Jahr gelaufen ist, könnte ich mich gewöhnen.“

Vor allem, wenn am Ende ein Super-Bowl-Ring seine Finger zieren sollte. Darüber, ob dieser den Frust seiner schlechten Saison ausgleichen würde, ist sich der Passempfänger selbst nicht sicher.

Überraschung bei Super-Bowl-Touchdown?

Auch wenn er gleichzeitig betont, wie viel Spaß es ihm mache, dass sein Traum, das Endspiel aller Endspiele mitzuerleben, in Erfüllung geht: „Ich übe diesen Sport seit wahnsinnig langer Zeit aus, ich habe mit vier Jahren angefangen. Von dieser Bühne träumst du dein ganzes Leben lang.“

Die Gefühlswelt zwischen Trauer, erfülltem Traum und Frust kommt wohl erst dann wieder in ein Gleichgewicht, wenn Ochocinco unerwartet seinen Anteil an einem Triumph New Englands hätte.

Beim Feiern eines etwaigen Touchdowns wäre er wieder ganz der Alte, wie er verspricht: „Wartet ab, dann hätte ich für jeden eine riesige Überraschung parat!“

Bei Coach Belichick weiß man wiederum nie, ob er nicht einen stärker in den Gameplan eingebauten Ochocinco als Überraschung für die New York Giants parat hat…

Peter Altmann

In zehn Jahren bei den Cincinnati Bengals avancierte der Passempfänger auf dem Feld zwar definitiv zu einem der besten Vertreter seiner Zunft. Sein ausgeprägtes Ego veranstaltete jedoch zu oft eine One-Man-Show. Der Teamerfolg ließ zu wünschen übrig. So verging eine Dekade mit lediglich zwei Playoff-Qualifikationen. Beide Male war im ersten Postseason-Auftritt Endstation.

„Ich bin ruhig geblieben“

Der Media Day der Super Bowl war für den Twitter-König (über 3,2 Millionen Follower) dennoch kein fremdes Territorium. Als Gründer seines „Ochocinco News Network“ mimte er in der Vergangenheit vor dem Showdown der NFL-Jahresbesten gerne einen Reporter.

Für den „Rollentausch“ hat er sich definitiv eine andere Ausgangsposition gewünscht. Als Adressat der Journalisten-Fragen sah er sich mit jener konfrontiert, warum er in der passlastigen Offensive der Patriots nicht einmal eine Nebenrolle spielt.

Gerade einmal 15 Catches für 276 Yards und einen mickrigen Touchdown hat er auf seiner Haben-Seite, seit sich sein Wunsch eines Trades nach Boston erfüllte. Enttäuschend für einen sechsmaligen Pro Bowler, der davor knapp 11.000 Yards und 66 Touchdowns aufweisen konnte.