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Patriots gegen Ravens um Super-Bowl-Ticket

Patriots gegen Ravens um Super-Bowl-Ticket

Es wird immer ernster.

Ein Sieg trennt New England und Baltimore noch von der Erfüllung des Lebenstraums eines jeden Football-Spielers: die Teilnahme an der Super Bowl.

Beziehungsweise trennt sie eine Niederlage vom grässlichen Gefühl, kurz vor dem Spiel der Spiele gescheitert zu sein.

Während Head Coach Bill Belichick mit seinen Patriots weiter am eigenen Mythos bastelt, ist die Familie des Baltimore-Coaches John Harbaugh an diesem Sonntag im "doppelten Einsatz".

Unmittelbar nach dem Ende des AFC-Finales führt Bruder Jim die San Francisco 49ers ins Endspiel der NFC - eine alles andere als alltägliche Situation.

LAOLA1 mit dem Matchup zum AFC Championship Game:

NEW ENGLAND PATRIOTS (1)                               BALTIMORE RAVENS (2)

Sonntag, 21 Uhr, Gillette-Stadium, Foxborough, Massachusetts

 

Ausgangslage

Ein würdiges AFC-Finale. Die beiden besten und vor allem konstantesten Teams dieser Conference kreuzen im Kampf um ein Super-Bowl-Ticket die Klingen. Storylines hat dieses Kräftemessen definitiv jede Menge zu bieten. Schaffen es die New England Patriots zum fünften Mal seit 2002 in die Super Bowl? Der letzte Titel der dominierenden Franchise der Nuller-Jahre ist inzwischen allerdings auch schon sage und schreibe sieben Jahre her. Gerade in den vergangenen beiden Jahren setzte es in den Playoffs jeweils zu Hause herbe Enttäuschungen – im Vorjahr gegen die New York Jets. 2010 schoss Baltimore im bislang einzigen Postseason-Duell mit New England den großen Favoriten 33:14 ab. Die Ravens wiederum sind seit vielen Jahren relativ konstant bei der Musik dabei, zum ganz großen Wurf reichte es jedoch nur 2001. Der Generation um die Legenden Ray Lewis oder Ed Reed läuft langsam die Zeit davon, die zweite Vince-Lombardi-Trophy der Franchise-Geschichte zu erobern. Zudem hätte es einen gewissen Reiz, würde ausgerechnet ein Team aus Baltimore die Reise nach Indianapolis – die Heimat der früheren Baltimore Colts – antreten. Vor allem aber ist es das Duell zwischen furioser Offense (Patriots) und hammerharter Defense (Ravens). New England ist im „Jahr der Quarterbacks“ die letzte verbliebene Aktie der Offensiv-Fanatiker, das einzige Team, das zumeist ohne nennenswerte Hilfe der Abwehr zum Erfolg kommt (Eli Mannings New York Giants verfügen nämlich sehr wohl über eine gute Defense). Wird der bis zum Rande der Erträglichkeit strapazierte Spruch von der Offense, die Spiele gewinnt, und der Defense, die Championships gewinnt, noch widerlegt? Apropos Spiele gewinnen: Auf einen höchst interessanten Fakt darf man nicht vergessen: New England ist zwar seit neun Partien unbesiegt und hat die Regular Season mit einer 13-3-Bilanz abgeschlossen, aber: Im ganzen Saisonverlauf musste kein einziger Gegner geschlagen werden, der die Spielzeit mit einer positiven Bilanz abgeschlossen hat. Die einzigen beiden Matches gegen Teams mit einem Winning Record (Pittsburgh und NY Giants) gingen jeweils verloren…

Schlüsselspieler

Quarterbacks

Langsam aber sicher müssen Joe Montana (45 Playoff-Tochdown-Pässe) und Brett Favre (44) zu zittern beginnen. Tom Brady hält nach seiner Sechs-Touchdowns-Show gegen die überforderten Denver Broncos schon bei 36 Tochdown-Pässen in der Postseason. In der aktuellen Form ist es nur eine Frage der Zeit, bis er als drittes Mitglied dem „40er-Klub“ beitritt. Über die Klasse des 34-Jährigen muss man nicht mehr viele Worte verlieren. Im Prinzip muss man es genießen, einer der Allzeitgrößen dieses Sports bei der Arbeit zuzuschauen, solange sie noch über dieses Leistungspotenzial verfügt. Überspringt New England die Hürde Baltimore, wäre Brady als erst zweiter Quarterback der Geschichte nach John Elway ein fünfmaliger Super-Bowl-Teilnehmer. Abgeräumt hat er im Spiel aller Spiele jedoch eher am Beginn seiner Karriere, als seine Statistiken noch gar nicht mal so imposant waren. Es wäre kurios, bliebe er am Höhepunkt seiner Schaffenskraft (und diese Phase dauert zumindest schon seit der 50-TD-Saison 2007) ohne Titel.

Klingt komisch, aber für den Ausgang dieses Spiels könnte die Performance von Joe Flacco noch entscheidender sein als jene seines Gegenübers aus Boston. Der 27-Jährige ist zwar der erste Quarterback der Super-Bowl-Ära, der sein Team in jedem der ersten vier Karriere-Jahre in die Playoffs geführt hat, die Zweifel an seiner Person sind jedoch lauter denn je. Unter der Woche goss mit Ed Reed sogar noch ein Teamleader der Ravens Öl ins Feuer (siehe LAOLA1-Story). Diese Kritik war für US-Medien natürlich ein gefundenes Fressen. Manche spekulieren sogar schon damit, ob Flacco im Fall der Fälle Trent Dilfer vom Ruf des schlechtesten Quarterbacks, der eine Super Bowl gewonnen hat, befreien würde – und Dilfer war wohl nicht ganz zufällig ein Raven. Wie auch immer: Vorher gilt es New England auszuschalten. Soll dies gelingen, kommt Baltimores Spielmacher eine Schlüsselrolle zu. Denn die Achillesferse der Hausherren ist die Passverteidigung. Gegen die Patriots kann man also werfen. Tut Flacco dies erfolgreich, könnte er eine ganze Armee an Kritikern verstummen lassen.

Andere Spieler

Für Geschichte-Freunde und Anhänger des gepflegten Wortspiels hatten die Kollegen von ESPN unlängst eine sehr nette Kreation parat: „Boston TE Party“. Eine gelungene Anspielung auf die beiden „Monster-Tight-Ends“ von New England. Rob Gronkowski und Aaron Hernandez stellen für jeden Gegner ein Matchup-Problem dar. Die schiere Urgewalt eines Gronkowski und die universelle Einsetzbarkeit eines Hernandez (gegen Denver auch als Rusher erfolgreich) werden auch für die starke Ravens-Defense eine Herausforderung. So „nebenbei“ gilt es mit Wes Welker ja auch noch den Receiver mit den mit Abstand meisten Catches dieser Saison zu neutralisieren. Baltimores Abwehr zählt sowohl gegen den Pass als auch gegen den Lauf zu den Eliteeinheiten der NFL. Für die Patriots wäre es also von Vorteil, wenn das zuletzt lahmende Laufspiel um BenJarvus Green-Ellis besser funktionieren würde, um nicht zu eindimensional zu werden. Oder werden am Boden diesmal gar Danny Woodhead und Stevan Ridley zu den Jokern?

Wie entscheidend die Performance von Flacco und seinen Lieblingsanspielstationen Anquan Boldin und Torrey Smith wird, wurde bereits erläutert. Der größte Offensiv-Faktor ist und bleibt jedoch Ray Rice. Folgende Statistik sei hervorgehoben: Bekam der Running Back, der am Matchtag übrigens seinen 25. Geburtstag feiert, im Laufe der vergangenen zwei Jahre in einem Spiel zumindest 20 Ballberührungen, haben die Ravens 21 von 22 Begegnungen gewonnen. Wenn nicht, haben sie fünf von acht Partien verloren. „Ballberührung“ inkludiert freilich das Passspiel, und in diesem sollte Rice mit seiner Schnelligkeit eine wichtige Hilfe für Flacco werden. Der Schlüssel zum Erfolg schlechthin liegt für Baltimore aber naturgemäß in der Defense. Ray Lewis, Ed Reed, Terrell Suggs oder Haloti Ngata – an Ausnahmekönnern mangelt es nicht. Einer der vielen Punkte, in denen Denver letzte Woche versagte, war, die Pass Protection für Brady zu durchbrechen. Es ist beinahe Pflicht, dass Suggs und Co. New Englands Superstar unter Druck setzen.

Zahlenspiele

  • Heimmacht vs. Auswärtsstärke – zumindest wenn es nach der Historie geht. Dass die Patriots in Foxborough schwer zu biegen sind, ist allseits bekannt. In Championship Games ist New England vor heimischem Publikum noch ungeschlagen (drei Siege). Baltimore zählt dafür zu den auswärtsstärksten Playoff-Teams überhaupt (sieben Siege, vier Niederlagen). In dieser Saison hält man in der Fremde jedoch nur bei einer ausgeglichenen Bilanz (4-4).
  • Brady und Head Coach Bill Belichick schreiben weiter an ihrem lesenswerten Kapitel im Geschichtsbuch der NFL. Mit dem Erfolg gegen Denver haben sie mit 15 Siegen die Pittsburgh-Kombo Chuck Noll und Terry Bradshaw (14) als erfolgreichstes Trainer/Quarterback-Duo der Playoff-Geschichte abgelöst.
  • Apropos Ray Rice als wichtiger Faktor: In drei Karriere-Matches gegen New England kam Baltimores Running Back im Schnitt auf fantastische 145,7 Total Yards. Bei der Playoff-Sensation im Jahr 2010 erzielte er per 83-Yard-Lauf den zweitlängsten Rushing-Touchdown der Geschichte.
  • Superstar-Safety Ed Reed fehlt noch eine Interception, um den Playoff-Rekord von Ronnie Lott, Bill Simpson und Charlie Waters (jeweils 9) einzustellen.

LAOLA1-Prognose

Ja, New England ist der Favorit, ein Sieg wäre keine Überraschung. Natürlich sind die Patriots in der Lage, jedes Spitzenteam zu besiegen, auch wenn sie das in dieser Saison bislang nicht mussten. Sind Brady und Co „on fire“, sind sie schwer zu biegen. Dennoch riskieren wir es, eine (kleine) Sensation vorherzusagen. Der Ravens-Defense ist es zuzutrauen, das Angriffs-Feuerwerk der Hausherren so weit im Griff zu haben, um der eigenen Offense eine Chance zu geben. An dieser Stelle kommt Flacco ins Spiel, und der ist nicht so schlecht, wie er öffentlich dargestellt wird. Mal ganz abgesehen davon, dass die Patriots-Defense nicht so lästig ist wie jene von Houston. Sollte dann auch noch Rice gut aufgelegt sein, kann es klappen.

27:24 für die Ravens


Peter Altmann