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"Alles was ich verlange, ist ein Spot im Camp"

„Ich hab‘ steife Hax’n“, grinst Aleksandar Milanovic, als er zur Tür hereinkommt.

Der 23-Jährige tritt im Trainingsgewand ins Cafe Rochus, wo sich der Right Tackle der Sacramento State Hornets zum Interview mit LAOLA1 verabredet hat. Der O-Liner war in Wien auf Heimaturlaub.

Das hat aber nur bedingt mit Urlaub zu tun, sondern bedeutet fast jeden Tag Training. Die Pläne von seinem College hat er mit. Ausreden gibt es keine, das wird ihm auch in Übersee stets eingebläut. „Excuses are like assholes, they stink and everyone has one“, lacht der 2,02m-Riegel.

Mit Yoga in die NFL?

Wien ist seine Heimat, hier im dritten Bezirk ist der Football-Spieler aufgewachsen und trifft sogleich auch bekannte Gesichter. Gut möglich, dass sich sein Bekanntheitsgrad noch wesentlich nach oben schraubt. Österreichs größte NFL-Hoffnung hat dafür einen neuerlich großen Schritt gemacht (Hier geht's zur Story).

Freilich muss dennoch alles zusammenpassen, damit Milanovic als erster Österreicher im NFL-Draft 2016 gezogen wird. Wahrscheinlicher ist, als Free Agent in einem Trainingslager unterzukommen und sich in diesem zu beweisen und womöglich den Sprung zumindest in ein Practice Squad zu schaffen.

Dafür hat sich der Football-Riese etwa auch für Yoga eingeschrieben. „Mein Coach sagt mir, ich bin stark, ich bin schnell, ich bin gescheit, ich muss flexibler werden“, erklärt der Ex-Wikinger. Im Interview spricht Milanovic über die Super Bowl und gibt Einblicke in sein Leben als Footballer.

LAOLA1: Wo wirst du dir die Super Bowl ansehen?

Aleksandar Milanovic: In Sacramento. Ich war schon letztes Jahr bei einer Freundin zu Gast und deren Mutter ist eine Super-Köchin. Wir essen Chicken Wings, spielen auch Super-Bowl-Bingo, haben viel Spaß und schauen uns gemütlich das Spiel an.

LAOLA1: Siehst du die Super Bowl mit anderen Augen? Schaust du etwa nur auf die Right Tackles?

Milanovic: Wenn du das Spiel genießen willst, schaust du vor allem auf den Ball und wie etwa der Quarterback oder andere Keyplayer agieren. Ich verfolge schon viele Tackles und ich kenne schon die meisten O-Liner der besseren Teams. Ich kenne ihre Geschichte, auf welches College sie gingen, wie gut sie waren. Mein Blick richtet sich dann schon mehr auf die Front Five und ob sie über die Line of Scrimmage kommen, ob sie sich bewegen. Wenn die D-Liner stunten (Rollen tauschen) oder geblitzt wird, dann schaue ich auch auf die Reaktion. Wem das Mittagessen weggenommen wird, wie es so schön bei uns heißt. Wer dominiert, wer sitzt am Boden? Ich schaue mir das Spiel normal an und wenn die Zeitlupe läuft, dann schaue ich auf den linken oder rechten Tackle.

LAOLA1-Redakteur Kastler im Gespräch mit Österreichs NFL-Hoffnung

LAOLA1: Und es gibt Beispiele, wie man es von einem kleineren College auch in die NFL schafft.

Milanovic: Genau! Mein ehemaliger Mitspieler Todd Davis, ein guter Freund von mir, spielte diese Saison bei den Broncos. Der war im Practice Squad der New Orleans Saints, von dort haben sie ihn geholt und weil sie so viel Verletzungspech hatten, kam er zu Einsätzen. Er hat auch beim Playoff-Aus insgesamt sieben Tackles gehabt, drei Solos und vier Assists. Da habe ich mir schon gedacht: Bumm! Was mich angeht, werde ich nach der kommenden Saison einen Agenten verpflichten. Ich werde für den Pro Day Mitte März trainieren und dann schaue ich, ob ich in ein Mini-Camp eingeladen werde oder ob der Draft überhaupt eine Option ist. Das hängt von meinen Leistungen, auch beim Pro Day, ab und wie sehr ich den Scouts gefalle. Das Problem ist: Dem letzten All American, den wir hatten, wurde gesagt, er könnte in der dritten bis zur fünften Runde gezogen werden. Dann wurde er nicht gezogen. Aber er war Free Agent und dann zwei Jahre bei den Arizona Cardinals. So geht es auch. Es gibt auch lokale Camps, zu denen ich eingeladen werden könnte, in meinem Fall von den Oakland Raiders oder den San Francisco 49ers. Das ist gut möglich, weil ich die Größe und die Armspanne habe. Dort muss ich mich einfach unter Beweis stellen. Wenn du ihnen gefällst wirst du ins Trainingslager eingeladen, wenn nicht, dann wird hoffentlich der Agent dir irgendwo einen Platz suchen. Alles was ich verlange, ist ein Spot im Camp. Dann habe ich drei Wochen, denn da wird keiner gecuttet, um einer der acht O-Liner auf dem Roster oder einer der beiden im Squad-Team zu werden. Dafür musst du zum richtigen Moment am richtigen Ort sein, um das Richtige zu tun.

LAOLA1: Bislang läuft es ganz gut. War das immer so?

Milanovic: Es gibt ja immer Hater, die nur darauf warten, dass du scheiterst. Den Gefallen tue ich ihnen aber nicht. Als ich angekommen bin, wollte ich nach zwei Wochen wieder nach Hause. Ich habe mich in den Schlaf geweint, weil es mir so schlecht ging. Die Hitze, der O-Line-Coach, Sacramento, alles hat mir nicht gepasst. Dann habe ich überlegt, was passiert, wenn ich nach Hause gehe. Den Leuten ihre Genugtuung zu geben? Sicher nicht! Da gehe ich lieber durch die Hölle, als ihnen die Befriedigung zu geben. Und ich habe mir auch einfach andere angesehen. Wenn die das können, kann ich das auch. Es ist vieles möglich und man wird sehen, was am Ende dabei herauskommt. Ich bin christlich und mein Motto heißt: „God has a plan for me“. Darauf vertraue ich.

 

Das Gespräch führte Bernhard Kastler

LAOLA1: Wieviel Unterschied siehst du zu dir?

Milanovic: Als ich bei den Vikings im Nachwuchs angefangen habe, war alles viel schneller. Als ich von den Vikings in die USA gegangen bin, war auch alles viel schneller. Im Fernsehen sehe ich, dass sie im so genannten Get Off, also die ersten beiden Schritte, auch sehr schnell sind. Da bräuchte ich sicher eine Gewöhnungsphase, die es aber beim Training auch gibt. Wenn es wirklich einmal soweit kommen sollte und ich in einem Trainingslager dabei bin, dann ist am Anfang alles ungewohnt, aber man kommt rein. Wenn ich das Glück und Reps habe, dann kann ich mich daran gewöhnen. Dafür muss man sich aber physisch wirklich vollends vorbereiten, um sich dann beweisen zu können.

LAOLA1: Dein Vorbild Sebastian Vollmer steht wieder in der Super Bowl.

Milanovic: Stimmt! Die gesamte O-Line der Patriots ist toll, auch wenn sie in dieser Saison manchmal Probleme gehabt und durchgelassen haben. Aber da sind schon tolle Spieler dabei, etwa Nate Solder als linker Tackle und eben Sebastian Vollmer rechts. Wer mir vor allem als O-Line gefallen hat, war diese Saison jene der Cowboys. Tyron Smith habe ich seit der High School verfolgt. Der war dann auf der USC, wurde in der ersten Runde des Drafts gezogen und ist derzeit teuerster Tackle der NFL. Der ist als Athlet ein Wahnsinn. Die O-Line Green Bays und ihre Schmähs mit Aaron Rodgers gefallen mir auch gut, da ist mit David Bakhtiari auch ein Tackle dabei, der erst im zweiten Jahr spielt. Ich schaue generell auf die jungen Spieler, weil das die Übergangsphase ist. Im Schnitt dauert eine NFL-Karriere ja nur zwei Jahre, für einen O-Liner ist das doch ein wenig anders. Da schaue ich, wie sie sich die ersten Jahre machen. Wenn das zweite, dritte Jahr gut ist, dann verfolgst du schon seinen Werdegang und vor allem wie er spielt.

LAOLA1: Ist es schlimm, als O-Liner bedeutend weniger Anerkennung als andere zu bekommen?

Milanovic: Du musst dich von Anfang an damit abfinden. „We don’t play for glory“, heißt es so schön. Du wirst nie in der Zeitung erwähnt werden, du wirst keine 200 Rushing Yards erzielen oder fünf Touchdowns. Du hast dann eben den Quarterback und den Running Backs, die dich loben. Das gehört aber dazu. Wenn einer das nicht macht, ist er ein selbstloses Arschloch. Das passiert aber meistens nicht. Bei uns in Sacramento ist es so, dass in den ersten Wochen die Quarterbacks, die Running Backs, die Receiver die Interviews in der Zeitung bekommen. Dann gibt es aber auch die O-Line-Woche, in der der Journalist mit dem O-Line-Coach und den Seniors plaudert. Da kriegst du die Aufmerksamkeit. Sonst nur, wenn du ein Holding begehst oder wenn du einen Sack zulässt. Bis dahin interessierst du keinen. Das ist das Los, das du ziehst. O-Liner spielen „with a chip on a shoulder“, sprich, sie spielen, um sich etwas zu beweisen. Sie müssen beweisen, dass sie es wert sind zu spielen.

LAOLA1: Einmal noch kurz zur Super Bowl: Seattle oder New England?

Milanovic: Schwer. Die Seattle-Defense ist schon eine „Frechheit“, die sind so schnell. Die haben unglaubliche Statistiken und wenn die Patriots einen schlechten Tag haben, wird das nichts. Bei den Seahawks passt auch das Gesamtpaket, die Offense um Russell Wilson kann sich ja auch sehen lassen. Ich denke, Seattle wird es machen.

LAOLA1: Nun endgültig zu dir: War 2014 einfach nur ein Traum-Jahr für dich?

Milanovic: Ich hatte in erster Linie keine groben Verletzungen, das war das Wichtigste. Es war wirklich eine gute Saison. Ich habe das Gewicht raufbekommen, habe nun 140 Kilogramm, und das spürst du auch auf dem Feld. Du hast Linebacker, die sich einkasteln und welche, die ausweichen. Das sind die zwei Philosophien, die gecoacht werden. Bei denen, die sich einkasteln, habe ich wirklich gespürt, wenn ich den Kopf in den Nacken gegeben habe, dass ich ihn aufgefangen habe und ihn in den Boden gelaufen habe. Normalerweise hatte ich da Kopfweh, aber diese Saison war da nichts. Davon war ich fasziniert. Ich habe einfach den Push gehabt, meine Körperspannung hat sich auch gesteigert. Wenn sie mich aus der Balance bringen wollten, habe ich mich auch erfangen können und sie gefinished. Ich habe gegen die guten Defensive Ends gut ausgesehen. Da war ich dann sehr selbstbewusst im Spiel. Gegen Montana ist der All-American-Typ auch nicht mehr auf meine Seite gekommen. Das ist auch ein gutes Zeichen. Es war ein gutes Jahr, es ist nur schade, dass wir die Playoffs verpasst haben, denn da bekommst du die meiste Aufmerksamkeit, weil du gegen die Creme de la Creme spielst. Hoffentlich klappst es nächstes Jahr.

LAOLA1: Wie realistisch sind deine Chancen, tatsächlich im im Draft gezogen zu werden?

Milanovic: Der Draft ist vor allem etwas für die Freak-Athleten, die die argen Zahlen beim Pro Day haben und die den Scouts gefallen. Meiner Meinung nach ist der Draft überbewertet. Es ist schon so oft passiert, dass ein O-Liner gedraftet und im Camp dann gecuttet wurde. Auf der anderen Seite gibt es auch genug Beispiele, wo ein No-Name von irgendeiner Uni so hart trainiert und seine Technik so verbessert hat, dass er dem gedrafteten Spieler den Platz weggenommen hat. Weil der sich wiederum dachte, er wurde ohnehin gedraftet und er müsse bis zum Camp nicht hart trainieren. So ist das nicht. Die NFL ist eiskalt, da geht es um den Job. Und jeder wird alles daran setzen, diesen zu bekommen. Im Camp hast du vier Wochen und da geht es um alles.