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Dieplinger: "Ich bin ein Football-Wahnsinniger"

Dieplinger:

Nicht jeder kann von sich behaupten, mit unter 30 Jahren ganz vorne zu stehen.

Es gibt diese Ausnahme-Genies wie Mark Zuckerberg, die sich zu diesem Zeitpunkt als CEO schon Milliardär nennen können.

Oder die Sebastian Kurz' dieser Welt, die noch vor dem nächsten runden Geburtstag ein ziemliches bedeutendes politisches Amt bekleiden dürfen.

Ausnahmen sind auch junge Nationalteam-Trainer, egal in welcher Sportart. Jakob Dieplinger ist so eine.

Der 29-Jährige ist Head Coach des österreichischen Football-Nationalteams, sozusagen der Doogie Howser des AFBÖ, der sich analog zum sehr jungen US-Serien-Arzt der 90er-Jahre (Neil Patrick Harris, später Barney Stinson in ‚How I met your mother‘) früh beweisen konnte.

„Es war für mich immer ein Ziel, für die Nationalteams zu arbeiten. Ich habe damit jung begonnen und Gefallen daran gefunden. Ich habe auch darüber nachgedacht, dass mich dieser Posten reizt. Das hat sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt“, erklärt der Tiroler im LAOLA1-Gespräch.

Mit 16 Jahren bereits Coach

Alter ist relativ, heißt es so schön. Und wenn man bedenkt, dass Dieplinger bereits mit 16 Jahren zum Coachen begonnen hat, dann trifft das umso mehr zu.

Zudem war der Head Coach jahrelang als Receiver der Swarco Raiders aktiv und spielte als einer der besten des Landes bis zur Heim-WM 2011.

Ende 2012 wurde Dieplinger zum Junioren-Teamchef auserkoren - und damit auch schon zum Head Coach des A-Nationalteams. Denn dieses sollte auf junge Spieler aufgebaut werden. Man setzte also nicht nur bei den Spielern auf den jungen Weg, sondern perspektivisch auch beim Trainer.

Dieplinger löste als „homegrown product“ (AFBÖ-Präsident Michael Eschlböck) den US-Amerikaner Rick Rhoades ab, 2013 führte er die Junioren zum zweiten EM-Titel en suite. Im Sommer geht es deswegen auch zur Junioren-WM nach Kuwait, von wo Dieplinger erst vor kurzem vom technischen Meeting zurückkam. Nun steht aber erst einmal der Saison-Höhepunkt unmittelbar vor der Tür: die Heim-EM.

Das Gute daran: Zwischen Junioren und Herren ändert sich nicht viel. „Der Unterschied ist kein großer und es ist auch wichtig, dass man ähnliche Strukturen bei den verschiedenen Teams hat. Ein zu großer Wechsel ist für die Spieler nicht gut und auch organisatorisch nur schwer zu bewältigen", so der Head Coach.

Kein Problem mit Autorität

Aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung hat Dieplinger auch keinerlei Problem mit Autorität, zumal der Coach auf ein großes Miteinander setzt. „Ich habe von Anfang an keine Probleme gehabt. Ich genieße Respekt und respektiere selbst. Wir haben einen Staff, der schon lange zusammenarbeitet. Mit Chris (Calaycay) und Ivan (Zivko) haben wir Verstärkungen, die den Staff noch besser machen.“

Die beiden Head Coaches der Raiffeisen Vikings und Danube Dragons stellen sich gerne in die zweite Reihe, ohnehin ist die Hierarchie eine flache. „Es läuft nicht militärisch ab, wir haben sehr erfahrene Coaches und das wird schon ein wenig ein Gemeinschafts-Produkt. Am Gameday müssen die Verantwortlichen dann natürlich ihre Entscheidungen treffen und dafür gerade stehen.“

Football-Österreich wünscht sich ein EM-Finale zwischen Rot-Weiß-Rot und Deutschland. Dafür müssen die Gastgeber Aufsteiger Dänemark („Sehr gefährlich, weil unberechenbar“) und die mit sieben kanadischen College-Legionären anreisenden Franzosen („Vom Kader sehr stark“) schlagen.

„Man kann sich nicht den kleinsten Fehler leisten, der Druck ist enorm. Aber wir bekommen die sämtliche Unterstützung, die Spieler werden ready sein, vor allem auch mental. Sie sind gewohnt, auf hohem Niveau diesen Leistungsdruck zu haben, und werden alles abrufen.“

Dieplinger, der für die Offensive-Calls zuständig ist, steht für folgende Spielphilosophie: „Simpel genug, damit man es im Nationalteam schnell umsetzen kann, trotzdem komplex, um Spiele zu gewinnen. Wir werden nichts neu erfinden, aber Nuancen werden uns sicher voranbringen.“

Der Coach lebt die Football-Liebe vor

Mit Technik, Taktik und absoluten Zusammenhalt will Österreich vor allem die individuelle Stärke der Franzosen und (hoffentlich) der Deutschen wettmachen. „Ich spüre bei jedem das Feuer“, erzählt Dieplinger von den vielen Gesprächen mit seinen Spielern. Der junge Coach lebt das auch selbst vor.

„Ich bin gedanklich immer beim Nationalteam. Man könnte mich schon als Football-Wahnsinnigen bezeichnen, aber das taugt mir, dafür bin ich gemacht, das ist meine Aufgabe und macht mich sehr glücklich“, schildert der Jung-Chef, der viel Erfahrung in den USA sammeln konnte.

„Ich habe teilweise als Staff-Mitglied ganze High-School-Saisonen gecoacht, aber auch Universitäten besucht und sie beobachtet. Da kann man sehr viel mitnehmen, was Spielphilosophie, Trainings- und Tagesabläufe anbelangt. Letzteres ist auch für das Nationalteam sehr wichtig.“

Sein liebstes NFL-Team sind übrigens die San Francisco 49ers. Kein Wunder, Dieplinger wurde am Golden Gate auch geboren. Und damit ist es noch weniger ein Wunder, dass er so Football-verrückt ist.

 

Bernhard Kastler