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Milanovic: "NFL ist noch eine ganz andere Welt"

Milanovic:

Österreich und die NFL.

Ein rot-weiß-rotes Trio hat in der besten Football-Liga der Welt bereits gespielt: Toni Fritsch (Dallas Cowboys, San Diego Chargers, Houston Oilers und New Orleans Saints), Toni Linhart (Saints, Baltimore Colts und New York Jets) und Raimund „Ray“ Wersching (Chargers, San Francisco 49ers).

Aleksandar Milanovic schickt sich an, der vierte zu werden. Der Unterschied: Der 22-Jährige ist kein Kicker, er ist Offensive Tackle. Das sind jene schweren Jungs, die auf ihren Spielmacher aufpassen.

„Mein Quarterback ist wie meine Mutter – niemand darf zu nahe kommen“, sagt der Wiener beim Interview-Termin mit LAOLA1. Milanovic weilt dieser Tage in Europa. In den USA ist der 2,02m-Mann, der aktuell 140 Kilogramm auf die Waage bringt, in der Hauptstadt Kaliforniens, Sacramento, daheim.

Flug statt Führerschein

Dort besucht der frühere Vienna-Vikings-Spieler das State College, studiert Politik und internationale Beziehungen. Freilich geht es aber in erster Linie um Football. Für die Hornets, die auf zweithöchstem US-College-Level spielen, absolvierte Milanovic in den vergangenen zwei Saisonen alle 23 Spiele.

2011, als 19-Jähriger, nahm der Offensivspieler das für den Führerschein gedachte Geld und flog nach Kalifornien, um sich ein begehrtes Vollstipendium zu sichern. Der Head Coach der Hornets rief zuvor Milanovic direkt auf seinem Handy in Europa an. „Da wusste ich, es war todernst“, so der Tackle.

Nach zwei weiteren Jahren könnte es so weit sein und er als erster Österreicher überhaupt im NFL-Draft gezogen werden. Doch diesen großen Traum hat nicht nur ein Österreicher.

LAOLA1: Wie realistisch ist die NFL?

Aleksandar Milanovic: Wenn man alleine mein College hernimmt, nicht sehr. Ich bin auch am Anfang mit der Einstellung hingegangen, die Ausbildung zu genießen und auf diesem hohen Level zu spielen. Nach einem Jahr habe ich aber verstanden, wie sich meine Chancen erhöhen. Dieses Jahr wurden etwa drei Leute aus der Big Sky (College-Conference mit Sacramento) gedraftet. Das bedeutet zwar nicht viel, weil du jederzeit wieder aus dem Kader gestrichen werden kannst, es ist aber natürlich besser, als wenn du Free Agent wärst. Andere aus meiner Conference wurden auch erst nach dem Draft geholt.

LAOLA1: Was braucht es für die NFL?

Milanovic: In erster Linie sollte man vier Jahre als Starter gespielt haben. Zwei Saisonen oder 23 Spiele habe ich schon hinter mir, auf die 40 zu kommen, wäre gut. Dann braucht es einen Agenten, der einen guten Ruf und viele Kontakte hat, die Teams kennt und genügend Aufmerksamkeit auf dich zieht, um dich herauszubringen. Es wäre wichtig, im dritten oder vierten Jahr eine College-Auszeichnung zu bekommen, wenigstens im First Team All-Conference oder im First bzw. Second Team All-American zu sein, das wäre noch besser. Dann würde man auf das Radar kommen und die Leute wissen, wer Aleks Milanovic ist. Beim Pro Day (College-Spieler zeigen sich NFL-Scouts und -Coaches) präsentierst du dich. Glücklicherweise habe ich mit 2,02 Meter Körpergröße und 140 Kilogramm die entsprechenden Maße. Jetzt muss ich noch schneller und kerniger werden, also Fett abbauen und härtere Muskeln bekommen. Das kommt alles mit der Zeit. Für den Pro Day arbeitest du auch mit absoluten Profis zusammen. Wichtig ist es auch, vorab für ein Highlight zu sorgen. Du bekommst zwei Spiele gegen gute Colleges, wie etwa gegen die University of California (Cal) in Berkeley (6. September 2014, Anm.). Wenn ich da einen sehr guten Defensive Tackle attackiere, dann schauen Scouts nicht nur auf den, sondern auch plötzlich auf mich von der kleinen Uni. Wenn du auf einem hohen Level gut spielst, dann sehen sie das sofort. Diese Prinzipien erfüllen, dann ist alles möglich – vorausgesetzt, du bleibst gesund.

LAOLA1: In zwei Saisonen könnte der große Traum Realität sein. Was hast du für ein Gefühl?

Milanovic: Als ich mir die Hand verletzt hatte, wusste man nicht, ob ich überhaupt wieder spielen könnte. Es kann durch Verletzungen also immer schief gehen. Es ist aber schon jetzt eine tolle Erfahrung und ich nehme es einfach Tag für Tag. Ich versuche meinen Bachelor abzuschließen und Spaß am Football zu haben. Wenn ich meine täglichen Pflichten erledige, also pünktlich zu Meetings und Trainings komme sowie in der Schule brav bin, dann kommt ohnehin alles von selbst. Man darf nur nicht faul werden und auf die schiefe Bahn geraten. Im letzten Jahr wird es richtig ernst, aber vorher kannst du nicht immer nur von der NFL reden. Es gilt, sich jetzt einmal im College zu beweisen und das Tag für Tag. Die NFL ist noch eine ganz andere Welt. Da muss ich kräftiger, schneller und technisch besser werden

LAOLA1: Wie gehst du eigentlich mit einem Sack, der über deine Seite passiert, um?

Milanovic: Es wird dir gesagt: Vergiss diesen Spielzug und denke an den nächsten. Du kannst die Vergangenheit nicht ändern, du kannst aber die Zukunft ändern. Wenn du einen Sack kassierst, strengst du dich noch mehr an. Ich persönlich übertreibe auch vollkommen und personifiziere: Mein Quarterback ist wie meine Mutter. Keiner darf ihn angreifen, dann nimmst du das auch persönlich.

LAOLA1: Kommen wir zur EM. Warum darfst du nicht mitspielen?

Milanovic: Ich habe damals meinem Head Coach (Marshall Sperbeck, der mittlerweile zurücktrat, Anm.) davon erzählt und er meinte, wir würden noch darüber reden. Später sagte er mir aber, er wolle nicht, dass ich dort spiele. Weil ich mich verletzen könne und als älterer und erfahrener Spieler sowie Führungspersönlichkeit sollte man das Risiko nicht eingehen. Natürlich hat mich das am Anfang aufgeregt, weil ich an die tolle Zeit mit meinen Jungs in Österreich dachte sowie die Chance auf EM-Gold. Ich habe aber dann auch mit älteren Spielern in Sacramento gespielt und die haben mir auch die andere Seite näher gebracht, weil es wirklich selbstsüchtig wäre. Hätte ich mich bei der EM verletzt, dann würde ich meiner Mannschaft nicht helfen können, die mich braucht. Einer fragte mich: Warst du schon jemals bei einer EM? Ich sagte ja. (EM 2010 in Deutschland, Anm.) Warst du schon jemals ein All-American? Nein, aber das ist ein Ziel von mir. Warum willst du dann eines deiner Ziele einfach verwerfen? Da hat es bei mir auch ein wenig klick gemacht. Ich habe mich dann so entschieden, zumal es auch um das Stipendium geht.

LAOLA1: Was muss passieren, dass Österreich EM-Gold holt?

Milanovic: Ich habe mir vergangenen Sonntag die Charity Bowl (21:14 gegen Claremont, Anm.) angesehen und dachte mir, dass wir gegen dieses College, das mit nur 21 Spielern angereist war, sehr jung und klein ist, klar gewinnen. Es war aber auch so, dass etwa unser Running Back Andreas Hofbauer angeschlagen war und nicht spielen konnte. Er ist ein großer Bestandteil der Offense. Der fällt immer nach vorne und holt dir damit noch Yards heraus. Mit ihm hätte das Spiel wohl noch einmal anders ausgesehen. Ansonsten waren gute Big Plays dabei, aber noch zu viele Fehler. Das braucht auch Zeit, weil man bis zuletzt Liga spielte. Dänemark wird am Samstag ein guter Test sein, am Mittwoch geht es gegen Frankreich um alles. Die Charity Bowl war nicht prickelnd, aber sie hatten danach noch einige Tage und ich weiß, was die Mannschaft an einem guten Tag zu leisten im Stande ist. Ich glaube an das Team Rot-Weiß-Rot und werde es anfeuern.

 

Das Interview führte Bernhard Kastler

LAOLA1: Wer ist dein Vorbild?

Milanovic: Sebastian Vollmer von den New England Patriots. Er ist auch das beste Beispiel, wie man es schaffen kann. Der hat auf seinem College in Houston nur zwei seiner Jahre dort in der O-Line gespielt (zuvor als Tight End, Anm.), dann wurde er sogar in der zweiten Runde gedraftet. Er hatte schon viel Talent, aber mit seiner Mentalität hat er im ersten Jahr viel gelernt und war ab dem zweiten durchgehend Starter. Leider hat er sich vergangene Saison verletzt. Aber er ist auch deswegen ein Vorbild, weil er in Europa einen ähnlichen Weg gegangen ist. In den USA hatte er in seinem letzten College-Jahr auch das Glück, dass sein Team erfolgreich war. Wenn deine Mannschaft viel gewinnt, bist du logischerweise leichter am Radar.

LAOLA1: Eure Bilanz war 2013 mit 5-7 leicht negativ. Was stimmt dich optimistisch?

Milanovic: Wir haben diese Saison eine entsprechende Kaderstärke und der neue Head Coach ist ein so genannter Players Coach. Der ist wirklich für die Spieler da, glaubt an uns und wir glauben an ihn. In den letzten Jahren wollte ich nie so richtig das Wort Championship in den Mund nehmen, aber eigentlich kannst du die Einstellung gar nicht haben. Du musst diese großen Ziele haben, damit du immer fokussiert bleibst. Wenn du so richtig müde bist, könnte dir manchmal alles egal sein, aber das kannst du dir einfach nicht leisten. Das wird dir aber auch eingetrichtert.

LAOLA1: Nationalteam-Coach Jakob Dieplinger hielt fest, es wäre schwierig, in die NFL zu kommen, aber du hättest die richtigen Maße dafür. Wie entscheidend sind die wirklich?

Milanovic: Ein Beispiel: Einer unserer Linebacker hatte ein Workout bei den San Francisco 49ers, der war richtig gut, aber mit 1,79m einfach zu klein. Er hat mir erzählt, sie haben sich da auch von der University of British Columbia einen Hammerwerfer geholt, alleine nur wegen der Körper-Maße. Der hat nie Football gespielt, aber er hatte die Maße. Sie haben sich gedacht, sie arbeiten mit ihm und wenn es nicht passt, dann können sie ihn noch immer cutten. Warum nicht den Versuch wagen? Es geht ja einfach darum, den Job zu erledigen, also den Play. In meinem Fall ist die Armweitspanne und –länge gegeben. Ich muss noch an meiner Hüftflexibilität arbeiten und daran, wie ich meine Knie beuge, der so genannte positive Schienbeinwinkel. Du sollst dich nicht an den Gegner lehnen, denn das nützen die Gegner sofort aus. Du musst den Tiefpunkt weit unten haben, das ist für große Typen nicht einfach. Das soll aber keine Ausrede sein, das Problem haben andere auch. Dann musst du eben mehr dehnen. Wie beim Krafttraining steigert sich das mit der Häufigkeit.