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"Von der ersten bis zur letzten Minute"

Wien - Wenn man ehrenvoll in einer EM-Qualifikation "scheitern" kann, dann so wie das ÖBV-Nationalteam im Sommer 2012.

In einer Gruppe mit Kroatien und der Ukraine wurde kein Spiel mit mehr als elf Punkten verloren, ausnahmslos alle Partien waren bis kurz vor Schluss offen.

Vor dem letzten Spieltag hatten Vizeweltmeister Türkei und Serbien ihr Ticket für Slowenien 2013 noch nicht sicher und Österreich war ebenfalls noch mittendrin im Rennen.

Am Ende reichte es mit einer 3:5-Bilanz nicht, doch Christoph Nagler und Co. ernteten Respekt in ganz Basketball-Europa.

Mit 9,0 Punkten pro Spiel war der 28-jährige Steirer im Team erfolgreichster Scorer von der Bank.

Bei seinem Klub Xion Dukes Klosterneuburg nimmt der Shooting Guard eine noch größere Rolle ein: Nach dem Karriereende von Damir Hamidovic ist Nagler, MVP der Finalserie 2012, auch neuer Kapitän des österreichischen Meisters.

Im LAOLA1-Interview lässt der Jungvater die EM-Quali Revue passieren und blickt auf Europacup und ABL voraus.

LAOLA1: Wie fällt dein Resümee nach der EM-Qualifikation aus? Überwiegt die Freude über die starken Leistungen oder der Ärger über die verpasste Chance?

Christoph Nagler: In erster Linie überwiegt doch die Freude. Wenn man unseren Kader betrachtet, kann man nicht erwarten, dass diese Mannschaft die EM-Qualifikation schafft. Wie auch der Coach sagte, haben wir uns von Spiel zu Spiel gesteigert. Wir mussten uns vor niemandem verstecken. Es wären natürlich mehr Siege möglich gewesen, aber man hat in den entscheidenden Phasen gegen die Kroaten und teilweise auch die Ukrainer gesehen, dass diese einfach doch besser und abgezockter sind.

LAOLA1: Warst du persönlich überrascht, dass wir so nahe an Kroatien und der Ukraine dran waren?

Nagler: Von der Ukraine wusste ich vorher nicht so viel. Sie waren jedenfalls körperlich und athletisch besser, basketballerisch nicht. Von den Kroaten hätte ich mir schon erwartet, dass sie die Gruppe dominieren würden. Sie haben zwar schlussendlich alle Spiele für sich entschieden, aber sämtliche Spiele gegen uns und die Ukraine sowie das in Ungarn waren sehr knapp, teils haben sie mit sehr viel Dusel gewonnen. Da war ich schon etwas überrascht, denn sie waren mit zahlreichen Euroleague-Stars und Ex-NBA-Spielern wirklich top besetzt.

Shooter Nagler kann auch penetrieren

LAOLA1: Was ist aus rot-weiß-roter Sicht positiv, was negativ verlaufen?

Nagler: Negativ war, dass wir es - bis auf Zypern auswärts - nicht geschafft haben, knappe Spiele zu gewinnen. Klar, wir sind eine junge Mannschaft. Trotzdem müssen wir einen Weg finden, ein Spiel heimzubringen, in dem wir zuvor 35 Minuten oder länger gegen ein starkes Team mehr als nur mitgehalten haben. Auch die Fußball-Nationalmannschaft hat gegen Deutschland super gespielt, stand am Ende aber mit leeren Händen da.

Positiv waren vor allem das hervorragende Mannschafts-Klima und der Kampfgeist. Wir haben gegen jeden Gegner von der ersten bis zur letzten Minute alles gegeben. Der Wille war von jedem zu hundert Prozent da. Ich glaube, man hat bei jedem Spiel gespürt und gesehen, dass wir eine Mannschaft sind, die nie aufgibt.

LAOLA1: Einerseits hat bei allen Niederlagen nicht viel gefehlt, andererseits bedarf es doch eines riesen Schrittes, um Spiele wie zum Beispiel gegen Kroatien zu gewinnen. Besteht die Gefahr, dass man nun glaubt, der nächste Schritt wird automatisch folgen?

Nagler: Der Schritt ist wirklich riesengroß. Allein, wenn man den Kader von Kroatien und unseren vergleicht. Von heute auf morgen wird man diesen Unterschied nicht wettmachen können. Man hat aber sehr wohl gesehen, dass man nur mit einem Ball spielt und auf beiden Seiten nur fünf Spieler auf dem Parkett stehen. Wir haben unsere - in erster Linie körperlichen - Defizite durch Kampf und Ehrgeiz fast komplett wettmachen können. Das ist uns sensationell gut gelungen. Einen Weltklasse-Mann wie Ukic, der am Ende die Spiele im Alleingang entschieden hat, haben wir aber einfach nicht.

LAOLA1: Wie bist du mit deinen Leistungen zufrieden?

Nagler: Im Großen und Ganzen war ich zufrieden. Es ist immer schwierig, im Nationalteam in kurzer Zeit seine Rolle zu finden. Beim Verein hat man Zeit, beim Nationalteam kommen dann viele gute Spieler zusammen. Hier muss man fast jedes Jahr aufs Neue schauen, wie man der Mannschaft am besten helfen kann. Am Anfang war es für mich nicht einfach, weil ich mich in der Vorbereitung gleich zweimal verletzt habe. Auch das erste Spiel auf Zypern habe ich krankheitsbedingt versäumt. Danach habe ich meinen Rhythmus sehr gut gefunden.

LAOLA1: Fast größere Schlagzeilen als durch den Sport hat das Team mit einem originellen Video gemacht. Wie ist die Idee entstanden und wie hat sich der "Dreh" entwickelt?

Nagler: Die Idee ist entstanden, als wir an einem verregneten Abend im Hotel Hein das Video des US-Schwimm-Teams gesehen haben. Anton Maresch, Momo Lanegger und ich haben sich dann zusammengesetzt und herumgeblödelt. Nach und nach hat es sich dann entwickelt. Momo hat die Szenen mit einem Schneideprogramm in mühsamer Arbeit dann super zusammengefügt.

LAOLA1: Wie man im Video sieht, bist du an der Spaßfront immer ganz vorne dabei. Gute Voraussetzungen, um im Verein dem langjährigen Kapitän und Spaßvogel Damir Hamidovic nachzufolgen.

Nagler: Das Kapitänsamt ist für mich eine komplett neue Aufgabe, ich war noch nie Kapitän einer Mannschaft. Ich werde sicher nicht versuchen, Damir irgendwie zu ersetzen. Er war schließlich 20 Jahre im Verein und rund 15 Jahre Captain. Ich muss meinen eigenen Weg finden.

Österreicher des Jahres in der ABL
LAOLA1: Wird sich für dich viel ändern? Du warst ja auch bisher einer, der den Mund aufgemacht und Verantwortung übernommen hat.

Nagler: Innerhalb der Mannschaft wird sich nicht viel ändern, es fallen eher nebenbei Aufgaben an. Ich werde sicher viel mehr Gespräche mit den Fans und vor allem mit dem Trainer und dem Manager führen, mehr Informationen einholen und Sachen planen.

LAOLA1: Am kommenden Dienstag kehrt Klosterneuburg nach 14 Jahren mit dem Heimspiel gegen Apollon Limassol wieder in den Europacup zurück. Auch für dich trotz der Erfahrungen mit dem Nationalteam etwas Besonderes?

Nagler: Die CEBL zähle ich nicht wirklich als internationalen Bewerb, somit ist es mein erster Einsatz in einem europäischen Klub-Bewerb. Es wäre eine tolle Sache, die Qualifikation zu überstehen und den Klub sowie Österreich in der EuroChallenge international zu vertreten. Die Chance ist sicher da. Vom Gegner wissen wir bislang noch nicht viel, sie haben neue, unbekannte Legionäre geholt, aber keine einheimischen Topspieler. Wir werden von Werner Sallomon sicher noch Infos bekommen, aber erst beim Hinspiel wirklich einschätzen können, wie unsere Chancen stehen.

LAOLA1: Auch der Meisterschafts-Start ist nicht mehr weit entfernt. Wie groß ist der Vorteil, die Mannschaft nur minimal verändert zu haben (Payton statt Hamidovic)?

Nagler: Das ist vor allem am Anfang der Saison ein sehr großer Vorteil, das hat man auch im letzten Jahr schon gesehen. Man wird trotzdem schauen müssen, wie wir uns im Laufe der Saison finden, zudem werden die anderen Teams aufholen.

LAOLA1: Ist es dein klares Ziel, den Meistertitel zu wiederholen?

Nagler: Da wir uns kaum verändert haben, kann nur das das Ziel sein. In diese Saison zu gehen und zu sagen, wir schauen einmal und wollen in die Top Sechs - das nimmt dir keiner ab, das wäre lächerlich. Ganz klar: Jeder von uns will wieder Meister werden. Unser erstes Ziel - abgesehen von Supercup und EuroChallenge-Qualifikation - ist natürlich, die Top Sechs so schnell wie möglich klar zu machen, um keinen Stress zu haben. Am Ende muss dann natürlich alles passen, die Spieler müssen gesund bleiben.

LAOLA1: Kannst du schon einschätzen, wer die härtesten Konkurrenten sein werden?

Nagler: Natürlich wieder Gmunden. Wien und Kapfenberg haben großartig eingekauft, hier muss man aber abwarten, wie sich die Teams finden. Wer dann - hoffentlich neben uns - wirklich vorne sein wird, ist mir aber eigentlich egal ...

LAOLA1: Viele Leute - ich schließe mich mit ein - sagen: Wenn ein Christoph Nagler wollen würde, hätte er das Zeug dazu, in einer starken europäischen Liga zu spielen. Ist das nach der Geburt deines Sohnes überhaupt noch ein Thema für dich?

Nagler: Ein Thema ist es immer. Ich habe in jüngeren Jahren nie eine große Rolle in einer Mannschaft gespielt. Erst in Klosterneuburg ist aus meiner Karriere so richtig etwas geworden - da war ich aber schon 23, 24. Ich habe keinen Agenten, habe mich nie so richtig mit dem Thema Ausland beschäftigt, war nie richtig dahinter. Wenn Barcelona anrufen würde, würde ich wahrscheinlich gehen (lacht). Ein Wechsel in die erste deutsche Liga wäre vielleicht sportlich denkbar. Aber bevor ich dort achter, neunter Mann bin und vielleicht fünf Minuten spiele, bleibe ich ehrlich gesagt lieber hier und kann auch mit der Familie etwas für die Zukunft aufbauen.


Das Gespräch führte Hubert Schmidt