news

"Mit dem Rad zur Schule fahren ist genauso gefährlich"

Bernie Ecclestone wird sich freuen.

Seine Hoffnung auf Frauen-Power in der Formel 1 dürfte wieder ein wenig gestiegen sein.

Seit Anfang April steht mit Beitske Visser die erste Frau im berühmten Nachwuchsprogramm von Red Bull. Durch das von Motorsport-Chef Helmut Marko geleitete Programm ging vor nicht allzu langer Zeit auch noch der dreifache Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel.

Auf dessen Spuren wandelt nun die 18-jährige Niederländerin, die im Jahr 2012 erst ihre erste Saison in einem Rennauto bestritt und zuvor im Kart unterwegs war.

Mit zwei Siegen als Rookie in der Formel-ADAC machte sie auf sich aufmerksam und stellte dabei unter Beweis, wie weit sie bereit ist, für Siege zu gehen.

Im Interview mit LAOLA1 spricht Visser über ein einschneidendes Erlebnis als Dreijährige, zweifelhafte Röntgenaufnahmen und Gefühle bei Rennsiegen.

LAOLA1: Glückwunsch zur Unterschrift im Junior-Programm von Red Bull! Wie kam die ganze Sache zustande?

Beitske Visser: Im Februar wurde ich erstmals kontaktiert, dann gab es auch noch einen Simulator-Test und jetzt hat es geklappt. Es ist eine tolle Sache für mich, und ich freue mich, dass ich diese Chance bekommen habe.

LAOLA1: Deine Karriere geht bis jetzt steil nach oben. Wie bei den meisten anderen Rennfahrern begann auch bei dir alles im Kart. Was entfachte deine Begeisterung für den Motorsport?

Visser: Schon mein Vater war Rennfahrer, und als ich drei Jahre alt war, nahm er mich einmal zu einem Rennen mit. Schon damals wollte ich unbedingt fahren, war aber natürlich noch zu klein. Mit fünf Jahren saß ich dann zum ersten Mal in einem Kart. Auch meine kleine Schwester ist bis vor kurzem gefahren. Das hat in unserer Familie schon eine Art Tradition.

LAOLA1: Nach etlichen Jahren im Kart bist du im vergangenen Jahr in der ADAC Formel Masters Serie erstmals in einen Rennwagen gestiegen und warst prompt erfolgreich. Ist dir der Umstieg derart leicht gefallen?

Visser: Es war alles andere als einfach, weil die Autos natürlich um einiges schneller sind. Noch dazu kannst du dich im Rennwagen weit weniger bewegen, was das ganze zusätzlich erschwert. Aber es ist mir ganz gut gelungen.

LAOLA1: Du hast in der Saison 2012 zwei Rennen gewonnen. Eines davon unter speziellen Umständen in deiner Heimat in Zandvoort. Was passierte damals?

Visser: Ich hatte einen schweren Sturz im Qualifying zum ersten Rennen und musste ins Krankenhaus. Dort wurde mir gesagt, dass alles nicht so schlimm ist. Am nächsten Tag stieg ich wieder ins Auto und holte schließlich den Sieg im dritten Lauf.

Visser musste in jungen Jahren schon schwere Verletzungen hinnehmen

LAOLA1: Du fühltest dich trotz der großen Schmerzen in der Lage zu fahren?

Visser: In Zandvoort wurden Röntgenaufnahmen an der falschen Stelle gemacht und sie haben mir Schmerzmittel gegeben. Es war ein hartes Rennen, weil ich an manchen Stellen natürlich trotzdem Schmerzen hatte. Eine Woche danach war ich in einem Krankenhaus in Deutschland. Dort wurde dann festgestellt, dass ich mir schwere Brüche zugezogen hatte.

LAOLA1: Realisiert man als junger Mensch in solchen Momenten, wie gefährlich Rennfahren ist oder fragt man sich sogar: Warum tue ich mir das eigentlich an?

Visser: Nein, eigentlich nicht. Es war ein Fehler bei den Bremsen, das kann passieren. Wenn du Fußball spielst oder mit dem Rad zur Schule fährst, ist es genauso gefährlich.

LAOLA1: Wie schaltest du zwischen Rennen ab, um dich auf bevorstehende Aufgaben zu konzentrieren?

Visser: Wenn ich zuhause bin, trainiere ich sehr viel für die Rennen, gehe ins Fitnessstudio oder schwimmen. Ich spiele auch gerne Tennis.

LAOLA1: Sportlich geht es für dich nun in die zweite Saison in der ADAC Formel Masters. Was erwartest du dir davon?

Visser: Das Ziel in diesem Jahr ist den Titel zu holen.

LAOLA1: Bis vor kurzem war auch geplant, dass du heuer im Formel-3-Cup fährst. Woran scheiterte das Vorhaben?

Visser: Wir haben uns dazu entschieden, dass ich noch ein Jahr in der ADAC-Serie fahre, weil ich im letzten Jahr aufgrund von Verletzungen verpasst habe. Neben meiner Rückenverletzung habe ich auch ein Rennen wegen einer Handverletzung verpasst, sodass ich die letzten Rennen mit einer Hand fahren musste.

LAOLA1: Dein nächster Schritt würde in die Formel 3 führen oder hast du andere Optionen?

Visser: Das haben wir noch nicht diskutiert, aber es wird auf jeden Fall etwas in diese Richtung.

LAOLA1: Kommen wir zum Red Bull Junior Team. Wie sieht dort die Unterstützung für dich aus?

Visser: Sie helfen mir beim Training im physischen Bereich und beim Training im Simulator, um die Strecken kennen zu lernen und so weiter. Alles, was ich machen muss, ist, die passenden Resultate abzuliefern.

LAOLA1: Das Programm ist sehr angesehen und hat auch schon Formel-1-Weltmeister hervorgebracht. Ist es auch dein Ziel, in der Königsklasse zu landen?

Visser: Das ist definitiv mein Traum. Im Moment konzentriere ich mich aber einmal auf die Formel-ADAC, die Formel 1 ist sicher noch einige Jahre von mir entfernt.

LAOLA1: Du wirst von vielen Seiten schon als erste Fahrerin in der Formel 1 seit langer Zeit gesehen. Macht dir das mehr Druck, wenn du solche Dinge liest oder hörst?

Visser: Ich fühle nicht mehr Druck, schließlich ist es generell mein Ziel zu gewinnen, es ist Red Bulls Ziel zu gewinnen, und die Leute, die darüber schreiben, wollen dass ich gewinne. Ich mache mir auch selbst genug Druck.

LAOLA1: Der Formel-1-Zirkus ist immer mehr vergleichbar mit einer Show, auch in den unteren Klassen gibt es viel mediale Präsenz. Wie wichtig ist es, sich dementsprechend der Öffentlichkeit zu präsentieren?

Visser: Das ist auf jeden Fall sehr wichtig. Je höher die Klasse, umso mehr Aufmerksamkeit bekommst du. Mir sind Facebook und Twitter sehr wichtig, um die Fans dauernd zu informieren, was ich mache und erreiche.

LAOLA1: Siege sind immer dein Ziel. Wie würdest du das Gefühl eines Sieges beschreiben?

Visser: Es ist schwer zu beschreiben, aber man ist einfach unfassbar glücklich. Man erreicht etwas, wofür man das ganze Jahr arbeitet.

LAOLA1: Valentino Rossi hat vor kurzem gemeint, dass Siege für ihn wie eine Droge sind und man nicht genug bekommt, würdest du das auch so sehen?

Visser: Klar. Man freut sich über einen Sieg, aber nach den Feierlichkeiten denkt man schon wieder an das nächste Rennen, das man wieder gewinnen will.

 

Das Gespräch führte Andreas Terler