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"Dakar-Trophäe wäre etwas für mein Wohnzimmer"

In einer Hinsicht ist die Dakar fest in österreichischer Hand.

Seit 2001 wurde jeder Motorrad-Sieger von einer KTM durch die Königin aller Marathon-Rallyes getragen. Dennoch ist es bereits 15 Jahre her, dass mit Heinz Kinigadner auch ein rot-weiß-roter Sportler Teil des oberösterreichischen Werksteams war.

2015 wird sich dies ändern. Mit Matthias Walkner stellt sich ein Mann der großen Aufgabe, der erst vor kurzem in den Rallyesport eingestiegen ist. 2012 wurde der 28-Jährige Weltmeister in der Motocross-Klasse MX3 und trat damit in die Fußstapfen seines Vorgängers und heutigen „Mentors“, der sich ebenfalls 1984 und 1985 die Krone in der 250 cm²-Kategorie aufsetzte. 2014 wurde die MX3 abgeschafft, was Walkner vor die Zukunftsfrage stellte. Er folgte den Spuren Kinigadners weiter.

Im neuen Metier konnte der Salzburger bereits eine Talentprobe abliefern: In Marokko Anfang Oktober schrammte er als Gesamt-Elfter knapp an den Top Ten vorbei, bewies aber, das Tempo der Spitzenleute halten zu können. Bei der Dakar-Premiere soll das Ergebnis (noch) im Hintergrund stehen.

Im Interview mit LAOLA1 spricht Walkner über seinen Umstieg, die Anforderungen der „neuen Sportart“ und seine Vorbereitung mit dem vierfachen Dakar-Sieger Marc Coma.  

 

LAOLA1: Rallye Dakar – ein großer Schritt im Vergleich zur Motocross-WM. Wer ist mit dieser Idee an dich herangetreten?

LAOLA1: Mit Heinz Kinigadner ist das große Vorbild sehr nahe an dir dran. Wie ist das Verhältnis zu ihm und was konnte er dir für die große Aufgabe mitgeben?

Walkner: Speziell im Rallyesport habe ich ihm viel zu verdanken. Er hat alles eingefädelt und ist in der Position, dass er mit Wünschen und Vorschlägen an andere herantreten kann und diese Leute wissen, dass alles seinen Grund hat. Wenn ich Fragen hatte, konnte ich vor allem an Marc herantreten, aber habe auch von ihm Informationen eingeholt. Natürlich ist die Dakar von vor 20 Jahren nicht hundertprozentig mit der heutigen vergleichbar. Doch wenn ich etwas brauche, kann ich Heinz immer und überall anrufen, das ist schon viel wert.

LAOLA1: Wie sehr nimmst du ihn dir sportlich zum Vorbild?

Walkner: Er ist eher das Vorbild meines Vaters. Heinz ist 1984 und 1985 Motocross-Weltmeister geworden, da war ich noch nicht einmal auf der Welt. Seinen Status in Österreich bekomme ich schon mit, die Leistungen sind ja schwarz auf weiß geschrieben. Wenn man in der Szene ist, und weiß, was man alles dem Sport unterordnen muss, um dorthin zu kommen, zieht man den Hut vor ihm.

LAOLA1: Wie sehr hat sich der Rummel um deine Person verändert? Du warst Motocross-Weltmeister, was hierzulande kaum beachtet wurde. Mit der bloßen Ankündigung der Dakar-Teilnahme hat sich die Aufmerksamkeit extrem gesteigert.

Walkner: Ich weiß nicht, warum Motocross medial nicht so aufgenommen wird. Ich denke, dass es für einen Motorsportler in Österreich generell schwierig ist. Wir haben eben andere Schwerpunkte und das lässt sich kaum ändern. Ich hatte jedoch schon das Gefühl, dass der Erfolg damals durchaus wahrgenommen und meine Leistung wertgeschätzt wurde. Trotzdem: Die Dakar-Sache ist noch einmal etwas völlig anderes. Schon irgendwie schräg: Ich habe ja eigentlich noch gar nichts dafür gemacht und ernte schon Lorbeeren. Jeder, der eine Verbindung mit Motorsport hat, weiß schließlich um den Wert dieser Rallye.

LAOLA1: Wenn die erste Dakar gut läuft, welche Ziele kannst du dir jetzt schon für die „neue Sportart“ zurechtlegen?

Walkner: Extrem großes und langfristiges Ziel wäre eine Dakar-Trophäe. Wenn ich in ferner Zukunft einen Top-Drei-Platz erzielen könnte, wäre das das höchste der Gefühle. Bei Marc habe ich die Pokale schon stehen sehen, das wäre auch etwas für mein Wohnzimmer.

LAOLA1: Du willst also zumindest Dakar-Stammgast werden?

Walkner: Auf jeden Fall. Ich bereite mich auf ein längerfristiges Projekt vor, muss aber jetzt einmal schauen, wie diese Herausforderung für mich läuft. Wenn ich jeden Tag dreimal das Gefühl habe, „bist du narrisch, nochmal geht das nicht gut“, dann kann ich nicht mit mir vereinbaren, das weiterhin zu machen. Meine Gesundheit würde ich nicht riskieren.

LAOLA1: Danke für das Gespräch und viel Glück für deine Premieren-Dakar!

 

Das Interview führte Johannes Bauer

Walkner: Die Idee stammt von mir, aber Heinz (Kinigadner, Anm.) hat mir auch dazu geraten. Ich bin auf ihn zugegangen und habe gesagt: „Du kennst meine Situation – was würdest du vorschlagen?“. Dann haben wir begonnen, in Tunesien zu trainieren, was mir bereits ziemlichen Spaß gemacht hat, und jetzt steht die erste richtig große Rallye meiner Karriere an.

LAOLA1: Also war die Begeisterung für die Sache von Anfang an da, du wurdest nicht von außen mit diesem „Mammutprojekt“ erschlagen?

Walkner: Am Anfang war es schon schräg. Ich hätte ursprünglich nicht daran gedacht, war immer aufs Enduro fahren fokussiert. Rallyes waren weit weg. Aber nachdem mir Heinz den Floh ins Ohr gesetzt hatte, habe ich mir das durch den Kopf gehen lassen und mir gedacht: „Probieren kann man es ja!“. Am Anfang war es eine Hassliebe: Meine erste Rallye in Griechenland war anstrengend. Man steht jeden Tag um vier, fünf in der Früh auf, kommt am Nachmittag heim und muss dann noch am Motorrad arbeiten – die Tage während so einer Veranstaltung sind intensiv. Aber man nimmt so viele bleibende Eindrücke mit. Je länger eine Rallye zurück liegt, umso mehr wirkt es in einem. Es kehrt so vieles nach einiger Zeit wieder ins Bewusstsein zurück, was man während des Fahrens verdrängt. Es ist vergleichbar mit einer Bergbesteigung: Im Tal denkt man an den weiten Weg, der vor einem liegt, aber die letzten hundert Meter freut man sich aufs Ziel. Das anschließende Glücksgefühl überwiegt.

LAOLA1: Was hat sich für dich aus sportlicher Sicht darüber hinaus verändert? Die Disziplin ist eine grundlegend andere, die auch eine veränderte Vorbereitung verlangt?

Walkner: Ich fahre immer noch extrem viel auf der Motocross-Maschine, weil das mit dem Rallye-Motorrad etwas schwieriger ist. Ich kann ja auf der Straße nicht wie ein Wahnsinniger fahren. In Sachen Konditionstraining ist der Zeitaufwand vergleichbar, nur die Schwerpunkte sind anders gelegt. Ich mache mehr Ausdauer-, dafür weniger intensives Krafttraining. Es sind auch eher längere Einheiten, kommode Bergtouren statt zweistündiger Intervalltrainings, um einen langen Rallyetag zu simulieren.

LAOLA1: Und von der technischen Seite her? Wie groß ist der Unterschied zwischen einem Motocross- und einem Rallye-Motorrad?

Walkner: Die Anforderungen sind komplett andere. Die Motocross-Maschine muss auf engen, ausgefahrenen Strecken funktionieren und bei Sprüngen leicht zu bewegen sein, die Rallye-Maschine muss jenseits der 100 km/h stabil sein und Sicherheit geben. Auf schnellen Motocross-Strecken sind 120 km/h das Maximum. Mit der Rallye-Maschine gehen 160 km/h, da muss man erst das Vertrauen aufbauen. Man kann bei dem Tempo sogar noch driften, leichte Wegrutscher sind nicht so tragisch. Dieses neue Metier kennenzulernen ist die größte Herausforderung.

LAOLA1: Man muss bei einer Herausforderung wie der Dakar wohl eine spezielle Beziehung zu seinem Arbeitsgerät aufbauen.

Walkner: Genau. Es braucht einige Zeit, sich hundertprozentig darauf einzustellen. Aber wir haben ein super Grundkonzept, auch im Team. Wenn man den Mechanikern ein Problem schildert, haben die genug Erfahrung, genau die richtigen Änderungen vorzunehmen. Da kommt man schnell auf einen gemeinsamen Nenner.

LAOLA1: Wie groß ist der Respekt, mit dem man als Neuling an die Dakar herangeht?

Walkner: Schon ziemlich groß. Es gab bislang 65 Tote in der Geschichte, das sind statistisch 1,4 pro Jahr. Man versucht, das auszublenden, aber man weiß es. Ich habe einen gesunden Respekt, aber bin in einer guten körperlichen Verfassung, weiß, dass ich in Sachen Motorradfahren fit bin und meine Hausaufgaben zu 100% erledigt habe. Manche Faktoren kann man nicht beeinflussen, alle anderen habe ich in die richtige Richtung gelenkt.

LAOLA1: Wie ist deine Vorbereitung mit Marc Coma gelaufen? Was hat der vierfache Dakar-Sieger an dich weitergeben können?

Walkner: Sehr viel! Ich habe mit ihm nach dem Logbuch fahren trainiert, und mir eine Liste mit Sachen gemacht, mit denen ich noch Probleme hatte. Dann habe ich mich mit ihm eine Stunde zusammengesetzt, und er hat mir seine Lösungsansätze weitergegeben. Es gibt jedoch nicht das eine richtige Trainingsschema oder Wunderrezept, das für jeden Athleten gleich funktioniert – beim Fußball nicht, beim Skifahren nicht, bei uns nicht.