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Flashback: Tränen, Leere und Gran Turismo

Flashback: Tränen, Leere und Gran Turismo

Stell dir vor, es ist Grand Prix, und keiner kommt hin.

Trotz mehrerer deutscher Stars und einem deutschen WM-Leader war die Kulisse in Hockenheim beschämend (siehe: Leere der Woche).

Gut, das Rennen selbst war an der Spitze erneut kein Hitchcock-Thriller, die Duelle rund um Ricciardo, Vettel, Alonso und Co. sowie die Aufholjagd von Hamilton sorgten aber durchaus für Unterhaltung - ganz zu schweigen vom Massa-Crash und dem Feuer bei Kvyat.

Vielleicht haben die deutschen Motorsportfans ihr Wochenende ja auch vor der Playstation verbracht.

Seit Sonntag ist es nämlich Gewissheit: Man braucht kein Kart oder viel Geld, um eine Rennfahrerkarriere zu starten. Manchmal reicht auch der nötige Eifer bei Gran Turismo (siehe: Sieger der Woche).

Auf in den Flashback:

  • HOT AND NOT

Daniel Ricciardo

Obwohl der Australier erstmals von seinem Teamkollegen geschlagen wurde, gab es großes Lob für seine Leistung. "Daniel fuhr eines der besten Rennen, die ich je von ihm gesehen habe", schwärmte Teamchef Christian Horner bei "SkySportsF1". Dabei gehört Platz sechs eigentlich zu den schlechteren Saisonplatzierungen des 25-Jährigen. Allerdings musste sich Ricciardo von Platz 15 aus zurückkämpfen, nachdem er dank einer blitzschnellen Reaktion in Kurve eins dem Crash zwischen Magnussen und Massa ausweichen konnte. "Wie er dann zurückkam, war fantastisch", so Horner. Ricciardo hatte auch seinen Spaß: "Es war heute eines der schönsten Rennen. Allerdings nicht die erste Runde. Ich war da einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Ich habe dann aber über Funk gesagt, dass wir jetzt zurückschlagen wollen, und ich denke, das haben wir auch geschafft."

Felipe Massa

Die Pechsträhne des Brasilianers kann einem schon fast Angst machen. Nach Melbourne, Montreal und Silverstone war es bereits der vierte Ausfall, als der Routinier beim Einlenken in Kurve eins mit Kevin Magnussen zusammenkrachte und sich überschlug. Dementsprechend mies gelaunt stellte er sich den Journalisten und holte zum verbalen Rundumschlag aus. "Diese jungen Fahrer wollen immer schon in der ersten Kurve das Rennen gewinnen. In die meisten derartigen Unfälle sind immer genau diese Fahrer involviert", giftete Massa in Richtung des Dänen. "Er war zu aggressiv. Er hat zwar versucht zu bremsen, aber erst, als er mich schon berührt hat", sah er die Schuld ganz klar beim McLaren-Piloten. Damit stand er aber relativ alleine da. Nicht nur Magnussen, sogar Williams-Teamchefin Claire Williams gab zu: "Man muss sagen, dass es ein Rennzwischenfall war."

  • NEWCOMER-CHECK

Crash! Boom! Bang! In Hockenheim gingen die Rookies auf Tuchfühlung - zum Leidwesen ihrer Konkurrenten.

Magnussens Geschichte ist bereits bekannt, sein Crash mit Massa ließ beim Brasilianer die Wogen hochgehen. "Wenn ich Platz zum Ausweichen gehabt hätte, dann hätte es auch keinen Kontakt mit Felipe gegeben. Ich habe mein Bestes gegeben, um den Unfall zu vermeiden, aber ich konnte nichts machen", verteidigte sich der Däne, der im Gegensatz zu Massa sein Rennen fortsetzen konnte. "Ich habe mich danach nochmal gedreht, bin ans Ende zurückgefallen, musste die Reifen wechseln. Das war natürlich nicht ideal", ärgerte sich Magnussen. Dennoch hat es dank eines gut funktionierenden Autos noch zu Platz neun gereicht.

Punkte wären auch für Daniil Kvyat möglich gewesen - diese gingen letztlich aber im wahrsten Sinne des Wortes in Flammen auf. Der Russe fuhr einmal mehr ein gutes Rennen, fiel aber nach einer Berührung mit Sergio Perez ans Ende des Feldes zurück. In Runde 46 wurde es Kvyat dann richtig heiß unterm Hintern, als aus dem Heck des Toro Rosso plötzlich Flammen schossen. "Ich sah zuerst nur Rauch, dann aber auch Flammen im Rückspiegel, und schließlich wurde es im Cockpit richtig heiß", erklärte der 20-Jährige und flüchtete aus seinem Auto.

Vergleichsweise wenig aufregend verlief das Rennen für Marcus Ericsson am Ende des Feldes. Der Schwede startete aus der Box und bekam aufgrund eines Parc-Ferme-Regelbruchs eine Stop-and-Go-Strafe aufgebrummt. "Ich habe zwar noch ein bisschen Zeit auf Chilton gutgemacht, kam aber nicht mehr nah genug heran", so der Caterham-Pilot.

  • TEAM-CHECK: Grosjean vs. Maldonado

Zwei achte Plätze durch Romain Grosjean - so lautet die äußerst magere Lotus-Ausbeute zur Halbzeit der Saison. Das ist natürlich eine Riesenenttäuschung. Besonders die Leistung von Neuzugang Pastor Maldonado lässt - trotz schwachen Renault-Motors - noch zu wünschen übrig. Da kam es schon etwas überraschend, dass der Venezolaner vor dem Rennen in Deutschland als Fahrer für 2015 bestätigt wurde. Sportlich gibt es kaum Gründe, dafür scheint der Geldfluss aus seiner Heimat an den Rennstall weiterhin zu passen. "Wir werden gemeinsam große Dinge erreichen", sagte Teambesitzer Gerard Lopez - und meinte damit hoffentlich nicht weitere spektakuläre Unfälle. In Hockenheim konnte Maldonado bei den Rennduellen immerhin auf 3:5 verkürzen, da Grosjean an seinem Auto Leistung verlor und aufgeben musste. Maldonado fuhr immerhin von Platz 19 auf Platz zwölf. Damit hat er sein bestes Saisonergebnis (Spielberg) eingestellt.

Burtis Prost nach dem Unfall 2001 in Spa
  • HELM DER WOCHE: Tränenreiches Wiedersehen

Helme können nicht nur ausgefallen im Design sein, oder für Unmut bei der FIFA sorgen sondern vor allem eines: Leben retten. So zum Beispiel am 2. September 2001. Beim Grand Prix von Belgien kollidierte Luciano Burti mit Eddie Irvine. Der Prost-Pilot verlor dabei seinen Frontflügel und raste mit Vollgas über das Kiesbett und bohrte sich in einen Reifenstapel. Der Brasilianer erlitt dabei schwere Kopfverletzungen, hatte danach lange Zeit Konzentrationsprobleme und monatelang Krämpfe. Aber er hat überlebt. Vor gut einer Woche erhielt Burti den Unfallhelm wieder - und zwar durch Zufall. Er lag jahrelang in einem FIA-Lager in Frankreich. Erst als dieses kürzlich geschlossen wurde, konnte der Helm an seinen ursprünglichen Besitzer übergeben werden. Ein sehr emotionaler Moment für den nunmehr 39-Jährigen. "Als ich ihn bekam, schossen mir die Tränen in die Augen. Die blanke Wahrheit in meinen Händen war erschreckend. Als ich den Helm meiner Mutter zeigte, bekam auch sie einen Schock", erzählte Burti, der sich trotz des heftigen Unfalls damals dankbar zeigt. "Viele glauben, dass ich negative Erinnerungen an den Unfall und den Helm habe. Aber ich sehe das Gute daran. Er hat mein Leben gerettet. Ohne ihn wäre es mit mir vorbei gewesen."

Romain Grosjean Pastor Maldonado
Endplatzierung DNF 12.
Rückstand auf 1. - 1 Runde
Topspeed 316,3 km/h (21.) 330,1 km/h (13.)
Schnellste Runde 1:24,137 (21.) 1:22,305 (15.)
Reifenstrategie (Runden) Soft (24), Supersoft (2) Supersoft (18) Supersoft (20), Soft (28)

  • SIEGER DER WOCHE: Vom Gamer zum GP3-Helden

Die Story des Wochenendes spielte sich nicht in der Königsklasse, sondern einen Stock tiefer ab. Jann Mardenborough hat am Sonntag in der GP3 seinen Premierensieg gefeiert. Das klingt auf den ersten Blick nicht weiter besonders, allerdings ist die Geschichte des Briten eine außergewöhnliche. Seine Karriere begann er nämlich mit sieben Jahren bei sich zuhause vor der Playstation. Grand Turismo war sein Lieblingsspiel. Er war so gut, dass er 2011 bei der Nissan GT Academy Competition teilnahm, wo er über 90.000 andere Gamer schlug. Plötzlich stand Mardenborough vor einer Karriere als Rennfahrer. 2013 stieg er in den Formelsport ein, heuer ging er in seine erste GP3-Saison. Nun folgte der erste Sieg. "Not bad for a gamer", schrieb der 22-Jährige stolz auf Twitter. Vielleicht führt ihn sein Weg ja auch noch in die Formel 1. Von Red Bull wird er bereits unterstützt.

Hockenheim 2014: F1-Euphorie geht anders
  • LEERE DER WOCHE: Fanschwund in Hockenheim

Schland, was ist los? Vor lauter WM-Jubel auf die Formel 1 vergessen? Es war ernüchternd, was sich auf den Tribünen in Hockenheim am gesamten Wochenende abspielte. Lächerliche 52.000 Besucher lockte der Grand Prix am Sonntag an. Zum Vergleich: In Spielberg säumten bei ausverkauften Haus mehr als 80.000 Fans die Strecke. An der Motorsportbegeisterung der Deutschen scheint es nicht zu mangeln, da zum zeitgleich stattfindenden Truck-Grand-Prix am Nürburgring über 200.000 Fans pilgerten. Vielleicht ist es die Quittung für ein immer komplizierteres Regelwerk, hässliche Nasen und den fehlenden Sound...

  • ZAHLENSPIELEREIEN:

7 - Nico Rosberg gewann in Hockenheim sein siebentes Formel-1-Rennen. Damit hat er Juan Pablo Montoya und Rene Arnoux eingeholt.

9 - Apropos Montoya. 2005, also vor neun Jahren, legte der Kolumbianer in Hockenheim eine ähnliche Aufholjagd hin wie Lewis Hamilton. Er fuhr damals von Platz 20 auf Platz zwei.

2 - Valtteri Bottas ist der zweite Fahrer, der in diesem Jahr die ersten drei Podestplätze seiner Karriere hintereinander einfuhr. Daniel Ricciardo schaffte das in Spanien, Monaco und Kanada. Davor gelang dies Hamilton 2007.

300 - Der Finne sorgte außerdem für den 300. Stockerlplatz in der Geschichte von Williams. Nur Ferrari (679) und McLaren (485) haben mehr.

10 - Sauber wartet hingegen seit zehn Rennen auf einen Punkt. So eine Seuchenserie gab es bei den Schweizern noch nie.

119 - Einen bitteren Rekord hat nun Adrian Sutil in der Tasche. Er fuhr sein 119. Rennen ohne einmal auf das Podium gefahren zu sein. Er löste damit den Italiener Pierluigi Martini ab.

1 - Zum allerersten Mal in dieser Saison kam Sebastian Vettel vor seinem Teamkollegen Daniel Ricciardo ins Ziel (in Malaysia schied der Australier aus). Damit ist Kimi Räikkönen der einzige aller Fahrer, der seinen aktuellen Teamkollegen im Rennen noch schlagen muss.

 

Andreas Terler