news

"Zuallererst brauchen wir bessere Strecken"

Er ist der 31. Fahrer aus Brasilien in der Formel 1, aber kein anderer ist hat bei seinem ersten Rennen ein so gutes Resultat erzielt wie er.

Felipe Nasr ist die größte Nachwuchshoffnung aus dem Land von Ayrton Senna, Nelson Piquet und Emerson Fittipaldi. 

Nach Gesamtrang drei in der GP2 in der Saison 2014 hat er nun mit 22 Jahren bei Sauber den Sprung in die Königsklasse geschafft.

Ein echtes Privileg, wie er im LAOLA1-Interview erklärt. Denn um die Nachwuchsförderung im Motorsport ist es in Brasilien alles andere als gut bestellt.

LAOLA1: Wie sieht deine Zwischenbilanz nach sieben Rennen in der Formel 1 aus?

Felipe Nasr: Sehr positiv. Zu Saisonbeginn haben das Team und ich gewusst, dass wir in einer schwierigen Situation sind, aber schon in den ersten Rennen haben wir Chancen bekommen. Und diese habe ich nützen können. Der fünfte Platz in Australien war fantastisch. Besser hätte ich mir den Beginn meiner Formel-1-Karriere gar nicht erträumen können. Von sieben Rennen ist es uns gelungen in drei zu punkten, dazu sind wir derzeit Zehnter in der Konstrukteurs-WM. Das ist alles sehr, sehr positiv. Besonders, wenn man unsere Möglichkeiten bedenkt.

LAOLA1: Wie zufrieden bist du mit der Entwicklung des Sauber C34?

Nasr: Hier haben wir natürlich unsere Limits. Bislang haben wir noch nicht viele Updates am Auto installieren können. Das macht uns das Leben natürlich schwer. Alle anderen Teams machen da größere Schritte. Somit ist klar, dass es immer schwieriger für uns wird, in den Punkten zu landen. Das haben wir aber von Beginn an gewusst. Später im Jahr werden noch Updates kommen. Bis dahin müssen wir uns gedulden.

LAOLA1: Die Formel 1 ist sehr komplex. Wie sehr beansprucht sie dich mental im Vergleich zu anderen Serien?

Nasr: Die Formel 1 ist ein anderes Level. Und zwar in allen Belangen. Was die Technik betrifft, das System, die Professionalität. Man muss damit erst einmal zurecht kommen. Das Auto selbst erfordert ein anderes Level des Fahrens. Du musst die Reifen managen, das Geschehen laufend analysieren, viele Knöpfe und Regler im Griff haben und so weiter. Aber es ist immer noch die oberste Stufe des Motorsports.

LAOLA1: Findest du den Sport phasenweise zu komplex? Manche Fahrer meinen, sie würden sich gerne mehr auf das reine Rennfahren konzentrieren. 

Nasr: Ich finde, dass die Autos in den letzten Jahren um einiges langsamer geworden sind. Dass lässt sich auch anhand der Rundenzeiten beweisen. Daran sollten wir arbeiten. Wir müssen mehr Speed ins Auto bekommen. Vielleicht bringen auch Tankstopps mehr Spannung oder man ändert die Reifen, damit sie mehr Grip haben. Man muss eine Balance finden. Was wollen die Fahrer, was die Zuschauer und was ist gut für die Umwelt? Aber so sind die Autos einfach zu langsam.

LAOLA1: Du hast in deiner Karriere als Rennfahrer mehrere Teams kennen gelernt. 2010 warst du im britischen Formel-3-Team Robertson-Räikkönen-Racing, das unter anderem von Kimi Räikkönen gegründet worden ist. Welche Rolle hat er in deiner Entwicklung gespielt?

Nasr: Er war zu dieser Zeit natürlich sehr in der Formel 1 beschäftigt. Wenn er die Zeit hatte, wollte er aber immer wissen, was gerade vor sich geht. Er hat sich auch meine Rennen angesehen. Jetzt als Formel-1-Fahrer kann ich das alles nachvollziehen. Es gibt sehr viele Meetings, Events, und so weiter. Da ist man sehr beschäftigt. Aber wir verstehen uns noch immer sehr gut. Und es ist spannend, jetzt gegen ihn auf der Strecke antreten zu können.

LAOLA1: Wer hatte den größten Einfluss in deiner Karriere bislang?

Nasr: Wahrscheinlich Steve (Robertson, Anm.) und sein Vater Dave. Sie haben immer an mich geglaubt und sehr viel in meine Karriere investiert. Das zahlt sich jetzt aus.

LAOLA1: Und zwar bereits im ersten Rennen. Kein anderer Brasilianer war im ersten Formel-1-Grand-Prix seiner Karriere so gut platziert wie du als Fünfter in Australien. Was war danach in deiner Heimat los?

Nasr: Es war fantastisch. Wir Brasilianer sind emotionale, leidenschaftliche Leute. Es war toll zu sehen, wie groß die Unterstützung in meiner Heimat ist. Das war nach diesem Rennen für mich wirklich zu spüren. Hoffentlich kann ich den Menschen in ein paar Jahren noch mehr Freude bereiten.

LAOLA1: In Brasilien muss man als Rennfahrer vermutlich damit leben, ständig mit Ayrton Senna verglichen zu werden. Empfindest du das als Druck?

Nasr: Natürlich wird man mit ihm verglichen, aber das ist falsch. Die Zeit ist eine ganz andere. Senna hat seine eigene Geschichte geschrieben. Er war einer der besten, wenn nicht der beste Fahrer aller Zeiten. Ich will meine eigene Geschichte schreiben. Nach einer Zeit werden die Leute das auch verstehen, dass jeder Fahrer das so möchte.

LAOLA1: Wird in Brasilien derzeit viel für die Nachwuchsförderung im Motorsport getan?

Nasr: Überhaupt nicht, nein. Das ist auch etwas, was mich wirklich ärgert. Wenn ich mich umschaue, kommt hinter mir niemand nach. Die Formel-Serien bei uns sind schlecht organisiert und auch die Strukturen sind alles andere als optimal.

LAOLA1: Was soll man deiner Meinung nach dagegen tun?

Nasr: Zu allererst brauchen wir bessere Strecken. Solche Kurse wie hier in Europa gibt es nicht. Da mangelt es an Infrastruktur, aber auch an der Sicherheit. Daraus folgt, dass die Teams dort nicht dieselben Entwicklungsmöglichkeiten wie jene Teams in Europa haben. Deshalb bin ich mit 16 Jahren nach Europa gekommen. Aber wenn es einen guten brasilianischen Fahrer gibt, er aber keine Unterstützung bekommt, um außerhalb des Landes Fuß zu fassen, wird er kaum erfolgreich sein können und irgendwann in der Formel 1 landen. Da muss sich dringend etwas ändern.

LAOLA1: In puncto Sport tut sich in Brasilien sehr viel. Im letzten Jahr fand die Fußball-Weltmeisterschaft dort statt, nächstes Jahr sind es die Olympischen Sommerspiele. Profitiert das Land deiner Meinung nach ausreichend davon?

Nasr: Das ist sehr positiv, ja. Das Land kann sich extrem weiterentwickeln, wenn man solche Events wie die WM austrägt. Das war eine großartige Show, die Organisation war gut und auch die Sicherheit in Brasilien war besser. Das pusht die ganze Nation.

LAOLA1: Auch wenn ein paar Stadien kaum oder gar nicht mehr genutzt werden?

Nasr: Sie werden von nationalen Klubs benützt. Sie waren auch oft ein Update für die Stadien. Ich würde mir wünschen, wenn das auch mit den Motorsport-Strecken passiert. Die brauchen ganz dringend ein Update.

 

Das Interview führte Andreas Terler