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"Das ist doch eigentlich ein Kindergarten"

Die Formel 1, ein "Scheißprodukt"?

Genau das soll Bernie Ecclestone vor wenigen Tagen behauptet haben.

Auch wenn der 84-Jährige im Rahmen des Grand Prix von Österreich bestreitet, zu so einer Wortwahl gegriffen zu haben, kann sich vermutlich manch einer derzeit mit dieser Bezeichnung anfreunden.

Monisha Kaltenborn nicht. Die Teamchefin von Sauber hält die Königsklasse nach wie vor für ein gutes Produkt. Sie vermisst aber Willen zur Veränderung. Das liege vor allem an einer eigentümlichen Struktur und einer unsichtbaren FIA.

Selbst rückte die studierte Juristin zu Saisonbeginn in den Mittelpunkt, als ihr im Zuge eines Rechtsstreits mit Giedo van der Garde sogar eine Gefängnisstrafe drohte. Eine "neue Erfahrung", an der sie vor allem die medialen Begleittöne aus manchen Richtungen gestört haben.

LAOLA1: Sauber hat bislang eine turbulente Saison hingelegt. Wie lautet ihre Bilanz nach den bisherigen Rennen?

Monisha Kaltenborn: Unser Ziel vor den Tests war es, uns zu verbessern. Das war natürlich angesichts der letzten Saison kein so schwierig zu erreichendes Ziel. Es war uns aber bewusst, dass es nicht so leicht wird, angesichts der vorherrschenden Dominanz eines Motors. Uns wurde schnell klar, dass wir im Gesamtpaket einen Schritt nach vorne gemacht haben. Das wurde dann in den ersten Rennen bestätigt. Wir haben gesehen, dass wir ganz gut dabei sind, auch wenn es Rennen gab, wie in Barcelona, bei denen wir wussten, dass es schwierig würde. Zusammenfassend sind wir zufrieden. Es wäre aber mehr drinnen gewesen.

LAOLA1: Beim Auftakt in Australien hat man außerhalb der Rennstrecke für Schlagzeilen gesorgt. Wie haben Sie diese Zeit verkraftet?

Kaltenborn: Es war eine neue Erfahrung, die man natürlich nicht machen möchte. Für mich waren die Prioritäten ganz klar gesetzt. Sie galten dem Team, den Fahrern und unseren Partnern. Gewisse Dinge mussten daher verhindert werden. Und das ist uns gelungen.

LAOLA1: Sie haben die mediale Berichterstattung rund um diesen Vorfall teilweise scharf kritisiert. Was hat Sie so daran gestört?

Kaltenborn: Diejenigen, die da am lautesten gemault haben - und anders kann man das nicht nennen - haben die Fakten nicht gekannt, aber trotzdem eine ganz klare Meinung gehabt. Da Frage ich mich, was das noch mit seriösem Journalismus zu tun hat.

LAOLA1: Welche Fakten wurden falsch dargestellt?

Kaltenborn: Wir haben eine Zusammenarbeit beendet, die andere Seite war damit nicht einverstanden, also geht man zu Gericht. Wie oft kommt das im Leben vor? Das ist doch nichts Ungewöhnliches. Es gab eine Unterlassungsverfügung, die man allgemein kennt. Man muss sich auch überlegen, warum die FIA den Standpunkt vertreten hat, dass der Fahrer keine Superlizenz für das Rennen erhält. Die drucke ich nicht bei mir zuhause aus. Diejenigen, die im Paddock herumspazieren und meinen, die Regeln zu kennen, müssten das ja alles wissen.

LAOLA1: Bernie Ecclestone wurde jüngst das Zitat nachgesagt, die Formel 1 sei ein "Scheißprodukt". Was sagen Sie dazu, wenn der Promoter zu so einer Wortwahl greift?

Kaltenborn: Ich finde, das ist absolut nicht zutreffend. Das Produkt ist immer noch gut, aber es gibt Leute, die es aus irgendeinem Grund niederreden. Im Vergleich zu anderen Sportarten gibt es noch immer eine sehr große Zuschaueranzahl. Allerdings hängt die Entwicklung auch mit der globalen wirtschaftlichen Situation zusammen. Die Ideen, die hier gegenüber den Fans und den Partnern vorgebracht werden, kann man doch nicht ernst nehmen. Wir reden über Tankstopps, von denen jeder weiß, warum sie verboten worden sind. Das steht im Widerspruch zu all dem, was man vorher gesagt hat. Dann reden wir davon, die Autos schneller zu machen. Schauen Sie sich die Pole-Zeit in Spielberg an, die war wenige Zehntel über dem Streckenrekord aus dem Jahr 2003. Damals gab es noch einen V10-Motor. Warum beklagen wir uns über die Autos? Das Problem ist doch, wer diese Autos macht und wer die Regeln bestimmt.

LAOLA1: Und wer bestimmt die Regeln?

Kaltenborn: Die Formel 1 ist dazu mutiert, dass je nac dem, wer der Schnellste ist, in der jetzigen Konstellation meint, alles in seine Richtung schieben zu müssen. Wenn das dann nicht passt, weil es in der Natur der Sache liegt, dass einer aufholt, dann verliert wieder einer. Jener, der vorne ist, will seine Position aber einzementieren. Das ist doch eigentlich ein Kindergarten.

LAOLA1: Damit sprechen Sie das Problem der sogenannten Strategiegruppe an. Warum existiert dieses Gremium noch, wenn sogar Mitglieder zugeben, dass sie kaum etwas erreicht?

Kaltenborn: Das müssen sie diejenigen fragen, die diese Gruppe einführen wollten, weil sie ja offensichtlich selbst zugeben, nichts zu erreichen. Die Strategiegruppe ist selbst nichts. Was dahintersteckt, sind die Mitglieder. Diese gehören einmal hinterfragt. Was dort vor sich geht, bekomme ich nicht mit, aber viel scheine ich dabei auch nicht zu verpassen.

LAOLA1: Es gibt sogar möglicherweise eine Intervention der Europäischen Union gegen die Vorgänge in der Formel 1. Was erwarten Sie sich davon?

Kaltenborn: Es ist für uns sehr schwierig abzuschätzen. Das Thema ist von EU-Parlamentariern vorgebracht worden. Die Gründe dafür sind durchaus welche, worüber man nachdenken sollte. Man wird erst sehen, wohin das führt.

LAOLA1: Sie fordern seit Jahren eine Kostenobergrenze in der Formel 1. Warum schafft man es nicht, eine solche einzuführen?

Kaltenborn: Es gelingt auch anderen Sportarten, eine Kostenobergrenze einzuführen, also sollten auch wir dazu in der Lage sein. Als es die FOTA (Formula One Team Association, Anm.) noch gab, waren wir schon einmal sehr weit. Die Prinzipien stehen, die Kontrollmöglichkeiten auch. Es ist nur der Wille, der dazu fehlt. Vielleicht ist es auch der fehlende Mut, weil es dazu führt, dass das Geld nicht mehr zieht, sondern ein sportlich fairer Wettkampf.

LAOLA1: Wie könnte man die Kosten in der Formel 1 eindämmen?

Kaltenborn: Dazu muss man sich die Regeln ansehen. Diese gehören vereinfacht. Wenn man damit Ziele erreichen will, dass die Autos schneller werden, gibt es viel billigere Wege. Man kann sich zum Beispiel den Unterboden vornehmen, der ja als zentrales Element dafür gesehen werden kann, dass Abtrieb geschaffen wird. Man kann auch gewisse Teile standardisieren, man kann Verbindungen zum Heckflügel finden, und so weiter. Wenn man hier Werte festlegt, kann man ja durchaus in der Verkleidung seine freie Wahl haben. Dort kann man sich dann austoben. Nur es ist klar, dass man dort nicht mehr so viel Abtrieb generieren kann. Dann wird aber das Racing wieder spannend werden.

LAOLA1: Auch die Idee der Kundenautos wird derzeit wieder lanciert. Glauben Sie, dass daraus jemals mehr wird?

Kaltenborn: Diese Idee schwirrt schon seit über einem Jahrzehnt herum. Sie ist vom Reglement her sehr schwierig umzusetzen. Es ist auch von kommerzieller Seite her ein Unsinn. Jeder Gedanke dazu ist eigentlich verschwendet.

LAOLA1: Wie sehen Sie hinsichtlich des Regulativs die Rolle der FIA? Wäre Sie nicht längst als oberste Instanz gefordert?

Kaltenborn: Genau das ist das Problem. Wir versuchen, die FIA zu sehen, sehen sie aber nicht. Die Regeln dürfen nicht von den Teilnehmern gemacht werden, das gibt es in keinem anderen Sport. Es muss eine andere Instanz her. In dem Fall müssen es zwei sein, weil die Rechte getrennt gehalten werden. Das ist anders als bei einem Verband. Aber wir müssen uns da zusammensetzen. Immerhin kann ich beim Fußball auch nicht als Mannschaft sagen, wir treten jetzt mit 20 Spielern an.

 

Das Interview führte Andreas Terler