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Berger: "Red Bull wird wieder die Benchmark sein!"

Berger:

Gerhard Berger war schon immer ein Mann klarer Worte.

Also nahm sich der Tiroler auch beim Interview zum Saisonstart der Formel 1 am Freitag im australischen Melbourne kein Blatt vor den Mund.

Herausgekommen ist ein Gespräch über schlechte Reifen für eine gute Show, die Kräfteverteilung in der PS-Königsklasse und die magische 1000-PS-Marke.


Frage:
Bei den Winter-Testfahrten hat sich kein klarer Favorit abgesetzt. Wird die WM 2013 noch offener als jene im Vorjahr?

Gerhard Berger: Man hat wirklich schon lange nicht mehr so wenig abschätzen können, wie stark wer ist. Die Teams hatten aber mit den Reifen solche Probleme, dass die guten Autos gar nicht so zur Wirkung gekommen sind. Es hat sich bei den Tests alles nur noch um das Reifenthema gedreht. Ich denke daher, Red Bull wird wieder vorne sein, weil das Auto auf dem man aufbaut, im Vorjahr das Beste war. Leute wie Adrian Newey sind die Besten, dazu kommt ein Fahrer wie Sebastian Vettel. Also wird Red Bull wieder die Benchmark sein.

Frage: Das mit den Reifen klingt nach Kritik, oder?

Berger: Ich finde das total unverständlich. Pirelli hatte doch letztes Jahr einen durchaus brauchbaren Reifen. Vermutlich will man die Show verbessern, indem man für mehr Boxenstopps sorgt. Aber es kann doch nicht sein, dass man im Winter Millionen in den Windkanal und den Motor investiert und dann mit einem Reifen fahren muss, der nicht funktioniert bzw. der das Bild verfälscht. Das ist eine etwas unglückliche Situation. Man muss in der Formel 1 aber immer auch die ersten drei Rennen abwarten, bis man da konkret etwas sagen kann.

Frage: Die Reifen spielen in der Tat eine dramaturgisch überragend wichtige Rolle. Finden Sie das denn nicht gut?

Berger: Jein! Wenn das so ist, würde es doch keinen Sinn mehr machen, in die Technik zu investieren. Wenn schlussendlich der Reifenherseller entscheidet, wer vorne ist. Früher war das zwar auch so, aber da hatte man unterschiedliche Reifenhersteller, das war ein echtes Spiel. Jetzt haben wir einen Einheitsreifen. Es kann nicht sein, dass der das Feld regiert.

Frage: Glauben Sie, dass bei den Testfahrten einige Teams getrickst oder noch nicht alles gezeigt haben?

Berger: In der Vorsaison gibt es immer welche, die den Rücken freihaben. Zu denen gehört sicherlich Red Bull. Die haben Rückenwind, weil sie gute Resultate haben. Red Bull kann es sich leisten, die Karten erst in Melbourne oder Malaysia auf den Tisch zu legen. Andere wiederum müssen zunächst einmal aus der Schusslinie der Kritik kommen.

Frage: Meinen Sie damit Mercedes?

Berger: Die haben sicher einen Schritt vorwärts gemacht. Der Motor bzw. der Antriebsstrang war und ist vermutlich noch immer der beste in der Formel 1. Dazu kommen jetzt zwei Bombenfahrer. Dass nun endlich auch das Chassis etwas besser funktioniert, das muss doch schon sein. Nicht dass sie deshalb jetzt gleich auf Red-Bull-Niveau zusteuern. Aber sie können sich mit Ferrari die zweite Kraft teilen.

Frage: Ist das schon das Ergebnis des Wirkens von Mercedes-Aufsichtsrat-Chef Niki Lauda und Motorsportdirektor Toto Wolff?

Berger: Ich glaube nicht, dass die beiden schon Einfluss auf die Autoperformance hatten. Denn grundsätzlich ist das Auto ja schon vor ihrer Zeit entstanden. Man darf aber auch den frischen Wind nicht unterschätzen. Da ist sicher auch etwas dabei, was gleich zum Vorteil reift. Die beiden haben jetzt den nötigen Einfluss.

Frage: Wolff ist nach England gezogen, um nahe beim Team zu sein. Richtige Entscheidung?

Berger: Natürlich, das geht ja gar nicht anders. Man kann ein Formel-1-Team nicht per Helikopter managen. Man muss das vor Ort betreiben und das macht er richtig.

Frage: McLaren kam bei Ihren Favoriten gar nicht vor. Warum?

Berger: Die scheinen eher ein bisschen zu schwächeln. Zudem wird ein Lewis Hamilton als Fahrer fehlen. Er war auch eine starke Triebfeder für Jenson Button. Punkto Fahrer ist das jetzt bei denen nicht ganz ideal. Und bei den Tests haben sie auch nicht wirklich brilliert. Ich sehe auch den Renault bzw. den Lotus ganz gut unterwegs.

Frage: Apropos Lotus. Sind Sie auch ein Räikkönen-Fan?

Berger: Er ist der coolste Typ der Formel 1. Ich hätte ihm gleich so eine Performance nicht zugetraut. Er ist sicher eine Bereicherung der Formel 1.

Frage: Dafür drehen am anderen Ende gleich fünf Paydriver am Formel-1-Lenkrad. Finden Sie das gut?

Berger: Das war doch immer so. Vorne sind die Fahrer die Geld kriegen damit sie die Kohlen aus dem Feuer holen. Dafür kriegt bei den hinteren Teams der Fahrer den Platz, der die meiste Kohle mitbringt.

Frage: Ab wann wird man wissen, wie es im Jahr 2013 läuft?

Berger: Ab Malaysia. Melbourne ist kritisch, weil die Asphalttemperatur dort das Bild oft etwas verfälscht. Dort hat man schon Sieger gesehen, die dann das ganze Jahr nichts mehr gewonnen haben. Aber ab Malaysia wird man mehr wissen.

Frage: Es ist auch das letzte Jahr mit V8-Motoren. 2014 kommen Sechszylinder. Ist das gut?

Berger: Man hätte sich die ganze Übung vom Zwölf- bis zum Achtzylinder-Saugmotor sparen können, wenn man gleich beim Turbo geblieben wäre. Es wird ja ein Motor, wie wir ihn schon in der ersten Phase meiner Karriere hatten. Ich hoffe, dass er deutlich mehr Leistung haben wird. Denn ich finde, ein Formel-1-Motor sollte knapp tausend PS haben. Man wird aber stark durch den Benzinverbrauch einbremsen, das könnte anfangs für Unmut sorgen. Vielleicht sieht man auch wieder Fahrer, die ihr Auto über die Ziellinie schieben. Alles schon mal da gewesen. Das Ganze wird die Karten aber sicherlich neu mischen, es kann eine gute Sache werden.

Frage: Die Formel 1 ist auch Show. Wollen Sie wieder sieben verschiedene Sieger in sieben Rennen sehen?

Berger: Natürlich. So wie im Vorjahr, das war perfekt und total wichtig für die Formel 1. Bei den Seriensiegen von Michael Schumacher mit Ferrari, da hat doch jeder nur noch gegähnt. Es war nur schade, dass sich in einem Sauber oder Williams kein junger und kommender Superstar etabliert hat.

Frage: Fernando Alonso und Lewis Hamilton betrieben offene Verbalscharmützel gegen Vettel und unterstellen, dass vor allem das gute Auto Vettel zu den Titeln verholfen hat. Kann das einen jungen Fahrer außer Tritt bringen?

Berger: Das sind die üblichen Spielchen in der Formel 1. Da geht es um alles. Aber man vergisst, dass Vettel seinen ersten Sieg mit einem Toro Rosso gefeiert hat. Also einem Auto, mit dem kein anderer gewonnen hat. Die beiden machen einfach Politik. Sebastian braucht sich damit nicht auseinanderzusetzen. Es geht doch letztlich ums Gewinnen und gewinnen tut am Ende immer noch der Seb.

Frage: Was haben die drei Titel aus Vettel gemacht? Was trauen Sie ihm zu?

Berger: Die drei Titel haben ihm sehr viel Erfahrung gebracht. Er hat jetzt den Rücken frei. Den einzigen Druck den er hat, macht er sich selbst. Er hat seine Visitenkarte abgegeben. Für ihn geht es nur noch darum, immer im richtigen Auto zu sitzen. Er hat jetzt sicherlich im Visier, die Rekorde eines Michael Schumacher zu schlagen.

Frage: Wird Vettel irgendwann Mal doch im Ferrari fahren?

Berger: Eine von Vettels Qualitäten ist, das er Hirn hat. Solange Red Bull ihm dieses Umfeld und die Qualität bietet wäre er verrückt, wenn er nur einen Moment über etwas anderes nachdenkt. Es ist hundert Mal besser mit Red Bull fünf Mal Weltmeister zu werden als mit Ferrari nie. Aber wenn Ferrari wieder ein Siegerauto hat, ist es natürlich für jeden ein Traum, im Ferrari zu fahren.