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Reifen-Zorn in Silverstone: "Du kannst tot sein!"

Reifen-Zorn in Silverstone:

Auch nach acht Rennen wird die Formel 1 ihr Dauerthema Reifen nicht los.

Drehten sich die Beschwerden bisher meist um den Verschleiß, geringes Tempo oder fehlendes Racing, erreicht die Diskussion nun eine neue Dimension.

Mittlerweile steht die Sicherheit der Fahrer am Spiel.

Vier Mal lösten sich im Grand Prix von Großbritannien linke Hinterreifen wie platzende Luftballons auf. Schwere Unfälle konnten verhindert werden, nichtsdestotrotz ist der kollektive Ruf nach Änderung der Gummis nun lauter als je zuvor.

Hamilton schimpft: "Da muss etwas passieren"

„Es war eine sehr gefährliche Situation“, schildert Felipe Massa, Opfer Nummer zwei nach Pole-Setter Lewis Hamilton an diesem Nachmittag. Nach ihm erlitt auch Jean-Eric Vergne im Toro Rosso das gleiche Schicksal.

„Wenn es an einer anderen Stelle passiert wäre, dann kann man einen schweren Unfall haben. Das ist nicht akzeptabel. Unsere Sicherheit ist das Wichtigste“, so die klaren Worte des Brasilianers.

„Man verliert die Kontrolle über das Auto, muss einen Dreher verhindern. Das ist richtig gefährlich“, schimpft auch Hamilton. „Ich frage mich, warum ich mein Leben wegen diesen verdammten Reifen aufs Spiel setze! Da muss etwas passieren.“

Lauda: "Dumme Curbs-Diskussion!"

Die Temperatur und die Beschaffenheit der Reifen in Kombination mit den Curbs sollen an den gefährlichen Zwischenfällen schuld gewesen sein. Nach einer längeren Safety-Car-Phase, in denen die Teams ihre Fahrer ermahnten, die Randsteine möglichst zu meiden, konnte eine Ausfall-Orgie verhindert werden.

Lediglich Sergio Perez erwischte es noch. Der direkt hinter ihm fahrende Fernando Alonso konnte gerade noch ausweichen und einen Crash verhindern. „Ich bin sehr erschrocken. Das war unglaublich riskant“, war der drittplatzierte Spanier nach dem Rennen erleichtert.

Für Niki Lauda sind nur die Reifen schuld und nichts Anderes. „Ich kann diese dumme Diskussion mit den Curbs nicht mehr hören! Sie sind auf allen Rennstrecken der Welt. Die haben sich nicht verändert, alle müssen drüberfahren. Man braucht Reifen, mit denen man die ganze Rennstrecke befahren kann – auch die Curbs, denn die gehören zur Rennstrecke dazu“, faucht der Aufsichtsratsvorsitzende von Mercedes bei „RTL“.

Der 64-Jährige hat große Sicherheitsbedenken, auch im Hinblick auf hinterherfahrende Piloten, die von Gummistücken am Kopf getroffen werden können. „Du kannst tot sein! Wenn dir das bei den Geschwindigkeiten auf den Sturzhelm knallt, reißt es dir das Genick ab. Das unterschätzt hier jeder“, mahnt Lauda.

Pirelli-Chef wortkarg

Der Druck auf Pirelli ist damit so groß wie noch nie. Motorsport-Chef Paul Hembery wollte unmittelbar nach dem Rennen nicht ins Detail gehen und brach ein Gespräch mit Medienvertretern nach einer Minute ab. „Das, was wir heute erlebt haben, war wieder etwas ganz Neues. Wir müssen verstehen, was da passiert ist, dann können wir erklären, was die Ursache für die Schäden war“, so sein knappes Statement.

Wie ernst die Lage mittlerweile ist, beweist auch ein Treffen zwischen Hembery, einem weiteren Pirelli-Vertreter, FIA-Präsident Jean Todt und Renndirektor Charlie Whiting unmittelbar nach Rennende.

Nach dem Krisengipfel verschwand Hembery aber durch den Hinterausgang, um den Medienvertretern aus dem Weg zu gehen.

Lösung für Budapest gefordert

Am Mittwoch soll am Nürburgring, der Schauplatz des nächsten Rennens am kommenden Wochenende, ein weiteres Meeting stattfinden. Dann auch im Beisein der Teamchefs.

Auch wenn sich dort eine Lösung abzeichnen kann, wird es für den Großen Preis von Deutschland keine Veränderungen geben, dafür ist die Zeit einfach zu knapp.

Lauda sieht Pirelli dennoch in der Pflicht: „Für Budapest muss man jetzt eine Lösung fordern und ich glaube, dass das technisch möglich ist. Man muss zu allen Teams sagen: Regeln hin oder her, wir bringen nach Budapest andere Reifen.“

Horner will Reifen aus dem Vorjahr zurück

Eigentlich hätten diese schon längst im Einsatz sein können. Bereits für das Rennen in Kanada waren veränderte Reifen angekündigt und produziert. Da diese aber nicht ausreichend getestet worden sind, wurde die Einführung verschoben und schließlich ganz abgesagt.

Eine Tatsache, die Jenson Button, Direktor der Fahrergewerkschaft, besonders erzürnt. „Wir haben ein großes Problem. Das müssen wir aus der Welt schaffen“, so sein Appell.

Um den Tests der veränderten Reifen zu entkommen, hätte Red-Bull-Racing-Teamchef Christian Horner einen Vorschlag für einen Ausweg. „Die logischste Lösung wäre, zu jenen Reifen zurückzukehren, die zuletzt gut funktioniert haben. Im letzten Jahr haben wir diese Probleme nicht gehabt.“

 

Andreas Terler