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"Das fühlt sich eine Million Mal besser an"

Lewis Hamilton hat dem Druck standgehalten.

Versuchte sein Teamkollege Nico Rosberg mit dem Erreichen der Pole Position und ein paar scharfen Sprüchen den Briten noch einmal entscheidend zu verunsichern, gab dieser im Rennen die perfekte Antwort und fuhr in Abu Dhabi am Ende sicher zum WM-Titel.

Die Vorentscheidung fiel bereits bei Rennbeginn. Mit einem Start der Extraklasse ließ Hamilton von Startplatz zwei aus seinen Teamkollegen und den Rest des Feldes hinter sich und lag umgehend mehrere Wagenlängen voran.

"Es war der beste Start, an den ich mich erinnern kann. Ich hatte echt guten Grip. Es fühlte sich an, als hätte ich eine Rakete hinter mir. Das war wohl das Beeindruckendste für mich und wohl auch für alle anderen", erklärte der neue Weltmeister, der als einziger Nicht-Deutscher nun elf Mal in einer Saison gewonnen hat.

Eine schlaflose Nacht und eine Überraschung

Nach seinem Triumph musste er aber - im Gegensatz zum Samstag - zugeben, enormen Druck gespürt zu haben.

"Als ich hier angereist bin, spürte ich so viel Druck. Ich habe versucht, das alles so gut es ging zu ignorieren. Letzte Nacht konnte ich nicht schlafen. Ich ging gegen ein Uhr zu Bett, wachte aber gegen fünf Uhr wieder auf. Ich ging dann eine Runde laufen und ließ mir eine Massage geben", schilderte Hamilton seine ungewöhnliche Rennvorbereitung.

Ausgerechnet am Sonntag erwartete ihn auch noch eine Überraschung. Plötzlich stand in Abu Dhabi die Familie vor der Tür. Vater Anthony, Stiefmutter Linda, Bruder Nicolas und Lebensgefährtin Nicole Scherzinger waren doch noch angereist und verfolgten den zweiten WM-Triumph vor Ort mit. 

Womöglich waren auch sie entscheidend daran beteiligt, dass der Führende in der WM, trotz doppelter Punkte, den Titel nicht mehr aus der Hand gab. 

Viel besser als 2008

Doch auch die Unterstützung seiner zahlreichen Fans - egal ob von vor Ort oder über die sozialen Medien - verleihten Hamilton zusätzliche Kraft. "Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Der Dank gilt allen Fans. Die ganzen Flaggen und Kappen, sie machten den Unterschied", verneigte er sich auf dem Podium vor seinen Anhängern.

 

Er vergaß aber auch nicht, dass es nicht immer so lief wie an diesem Tag in der Wüste. Drei Mal wurde Hamilton von Defekten gestoppt. Seit seinem ersten Triumph 2008 sei er aber auch persönlich gereift, meinte er gegenüber "Sky Sports F1".

Deshalb ist der zweite Titel auch um einiges schöner als der erste: "Das fühlt sich eine Million Mal besser an. 2008 ging es immer hin und her. Ich hatte den Titel, dann war er wieder weg, dann hatte ich ihn wieder. Und ein Jahr davor habe ich ihn verschenkt."

Rosberg hoffte bis zum Schluss

Anders fühlte sich der Sonntag auch für Rosberg an. Sein Selbstvertrauen durch die Pole löste sich beim Start in Luft auf. "Ich hatte durchdrehende Räder. Das Problem ist, dass wir hier die Starts nicht am Ende der Boxengasse üben konten", so der Vizemeister nach seinem völlig verpatzten Rennbeginn.

Als sich dann auch noch die Hybridpower im Mercedes des Deutschen verabschiedete, wurde es immer schwieriger. "Die Hoffnung war noch da. Ich musste nur Sechster sein. Wenn er dann ausfällt, dann reicht es immer noch", dachte sich Rosberg, obwohl ihm rund 160 PS im Vergleich zu Hamilton fehlten.

Gegen Ende des Rennens wollte ihn seine Crew schon an die Box holen und zum Aufgeben bewegen. Doch das wollte der fünffache Saisonssieger nicht. "Bis zur letzten Kurve wollte ich den Druck aufrecht erhalten. Es ist doch egal, ob ich zur Box fahre oder nicht. Ich wollte ins Ziel kommen. Ich mag nicht aufgeben, wenn das Auto noch läuft", bewies er Kampfgeist.

Lauda lobt den Vize-Champion

Nach dem Rennen führte Rosbergs erster Weg auch zu seinem Teamkollegen, um ihm zu gratulieren. Eine große Geste, die auch von den Teamverantwortlichen nicht unbemerkt blieb.

"Nico war außerordentlich. Er sagte, dass Hamilton einfach besser und stärker war, ist hinaufgegangen und hat ihm gratuliert. Ich habe sehr großen Respekt vor ihm", sagte Aufsichtsratschef Niki Lauda, der weiß, wie es sich anfühlt, einen WM-Titel zu verlieren.

Neues Jahr, neuer Fight?

Teamchef Toto Wolff bedauerte zwar das technische Gebrechen bei Rosberg, glaubte aber nicht, dass es ohne den ERS-Problemen einen anderen Weltmeister gegeben hätte.

Unter dem Strich ist der Boss mit beiden Schützlingen hochzufrieden: "Sie sind in diesem Jahr in ihren Persönlichkeiten gereift. Nico wird seine Wunden lecken und dann zurückschlagen. Die zwei werden sich im nächsten Jahr wieder hart duellieren."

Ob es dabei auch wieder so knistern wird wie in dieser Saison? "Die Rivalität war intensiv, aber die beiden haben eine lange, gemeinsame Gesichichte. die darüber steht. Sie respektieren einander", meint Wolff.

 

Andreas Terler