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"Manchmal verwandeln sich Siege in einen Nachteil"

Maurizio Arrivabene bleibt locker und gelassen. Dabei steht der Ferrari-Teamchef wie auch sein Star-Pilot Sebastian Vettel unter riesigem Druck.

Die "Rote Göttin" soll wieder in der Formel 1 dauerhaft strahlen. Der Anfang bei dem chronisch ungeduldigen Team ist gemacht, wie Vettels Sieg in Malaysia vor knapp zwei Wochen bewiesen hat.

Arrivabene hat innerhalb nur weniger Monate einen Klima-Umschwung bei der Scuderia erreicht. Der 58-Jährige aus Brescia, der einen der anspruchsvollsten Posten in der Motorsport-Königsklasse innehat, trat aber trotzdem genauso wie sein Star-Pilot vor dem dritten Saisonrennen am Sonntag auf die Euphoriebremse.

"Die Botschaft lautet: Wir behalten unsere Füße auf dem Boden", betonte Arrivabene und warnte vor überzogenen Erwartungen. "Manchmal kommen Siege zu früh, um ein Vorteil zu sein. Sie verwandeln sich in einen Nachteil."

"Jemand, der Ferrari vollständig versteht" 

Zwei Siege hat der neue Teamchef der Scuderia aus Maranello als Saisonziel ausgegeben - daran soll sich vorerst auch nichts ändern. Geduld ist bei Ferrari aber kein gern gebrauchtes Vokabel.

Das Vettel-Projekt soll sich schließlich rechnen. 2008 holte die Scuderia ihren bisher letzten Konstrukteurs-Titel, 2007 Vettels Stallgefährte Kimi Räikkönen die letzte Fahrer-WM.

Das Team benötige "jemanden, der nicht nur Ferrari vollständig versteht, sondern auch die Mechanismen und Bedürfnisse dieses Sports", begründete Ferrari-Präsident Sergio Marchionne im November vergangenen Jahres die Abberufung des überforderten Marco Mattiacci, der erst 2014 in China seinen Dienst angetreten hatte.

Arrivabene gibt die Richtung vor

Arrivabene war zuvor Vize-Präsident bei einem Tabak-Konzern und vertrat seit 2010 die Sponsoren in der Formel-1-Kommission. Der Italiener mit dem grau melierten Haar gibt sich leger und hat auch die Scuderia-Belegschaft für sich eingenommen. "Ferrari hat einen Wert wie kein anderes Team", beschrieb er die Strahlkraft der Marke.

Arrivabene weiß auch um die Macht der Gesten. So überließ er in Malaysia Chef-Mechaniker Diego Loverno den Gang zu Vettel aufs Podium.

"Die Burschen in Maranello haben in den vergangenen Monaten irre geschuftet. Deshalb habe ich Diego gebeten raufzugehen", erklärte Arrivabene. "Denn er steht für alle, die nicht nur einen tollen Geist haben, sondern sich auch die Hände schmutzig machen."

Seine Aufgabe beschreibt Arrivabene unprätentiös. "Das Wichtigste besteht darin, den Leuten eine Richtung vorzugeben", erläuterte er. Das sei aber auch eine große Herausforderung. Die Zusammenarbeit mit Marchionne verläuft Arrivabene zufolge reibungslos. Der Ferrari-Boss sei ein geradliniger Typ, entschlussfreudig und ein strategischer Denker.

Die Last der Geschichte auf den Schultern

Arrivabene muss Ferrari eine dauerhafte Erfolgsformel vermitteln. Eine schwere Aufgabe in einem Rennstall, der nach seiner vorangegangenen Pleitenserie immer nervöser und unruhiger geworden ist, sich aber vorerst gefangen hat.

Bei Ferrari, wo jeder Sieg vermutlich etwas süßer, jede Niederlage vermutlich etwas bitterer als bei jedem anderen Rennstall schmeckt, spielt aber immer auch die ruhmreiche Historie eine wichtige Rolle.

Oder wie es Technikchef James Allison jüngst beschrieb: "Jedes Team arbeitet hart, aber Ferrari arbeitet hart mit der Last der Geschichte auf seinen Schultern."