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Hannes Arch: "...dann kracht es irgendwann"

Hannes Arch:

LAOLA1: Mit welchem Puls fliegst du?

Arch: Das müssten wir einmal ausmessen. Beim Kunstflug weiß ich, dass er bei 130, 140 Schläge pro Minute liegt. Durch die G-Kräfte wird er natürlich kurz raufgehen.

LAOLA1: Ist Risiko-Management ein zentrales Thema?

Arch: Ja, wobei das im Air Race eigentlich relativ leicht ist, weil du da keine Grau-Zone hast. Also entweder rot oder grün. Beim Autofahren ist das etwas anderes, da hast du beispielsweise einen Sturzraum, kannst in der S-Kurve in den Schotter raus. Beim Air Race musst du dir schon in der mentalen Vorbereitung darüber bewusst sein. Wenn du das nicht machst und einfach auf Teufel-komm-raus reingehst, dann bist du fehl am Platz.

LAOLA1: Ist diese Einstellung etwas, das über die Jahre wachsen muss oder war das von Anfang an da?

Arch: Prinzipiell ist das einmal eine Charakterfrage. Es gibt Charaktere, die werden nie fähig sein, das Spiel Air Race zu spielen. Das andere sind Erfahrungswerte, die du machen musst. Und das in möglichst kleinen Schritten, damit du immer lernst und sofort spürst, ob etwas wie geplant verlaufen ist. Wenn du das nicht siehst, dann kracht es irgendwann. Oder die andere Möglichkeit ist: Wenn du die Schritte nicht wagst, kommst du nicht weiter. Letztlich braucht es Zeit.

LAOLA1: Wo lässt sich vor diesem Hintergrund der altersmäßige Zenit eines Piloten einordnen?

Arch: Der ergibt sich. Was ein Junger mehr mit sich bringt, ist beispielsweise Reaktionsfähigkeit. Das kannst du später mit Erfahrung kompensieren. Aber irgendwann bist du dann soviel langsamer, dass dir die Erfahrung auch nicht mehr nutzt. Selbstredend ist freilich, wie lange man schon fliegt. Da macht es einen Unterschied, ob man schon mit 15 oder erst 25 anfängt zu fliegen.

Wenn das Dröhnen der Motoren erklingt, beginnt es in den Augen von Hannes Arch zu funkeln.

2014 soll dafür wieder jede Menge Gelegenheit bieten. Denn nach einer dreijährigen Pause startet das Red Bull Air Race wieder durch.

Sicherer, sportlicher, spannender soll die Serie werden.

LAOLA1 fragte beim 46-Jährigen nach, ob dem tatsächlich so ist. Im Interview klärt der Weltmeister von 2008 zudem auf, warum Air-Racer keine Adrenalin-Junkies sein dürfen und er die Pionierzeit, in welcher sich die Sportart befindet, sehr schätzt.

LAOLA1: Hannes, bist du froh darüber, dass das Red Bull Air Race wieder zurück ist?

Hannes Arch: Sehr! Jetzt wird das Ganze wieder mehr zu einem Sport. Und Sport ist einfach meine Passion.

LAOLA1: Durch das Reglement werden die Motoren vereinheitlicht. Wo siehst du Bereiche, in denen man sich nun entscheidend unterscheiden bzw. sich entwickeln kann?

Arch: In erster Linie sind das freilich die Skills. Das ist wie beim Skifahren: Wer die engere, rundere Linie fliegt, ist der Schnellere. In Sachen Material verlagert sich das Ganze jetzt in die Aerodynamik.

LAOLA1: Hast du in diese Richtung schon viel getüftelt?

Arch: Ich glaube, dass ich vom aerodynamischen her das bessere Flugzeug habe. Aber aufgrund dessen, dass das technische Reglement erst jetzt rausgekommen ist, hatte niemand Zeit, sich dementsprechend vorzubereiten. Sprich: Alle gehen da rein und müssen sich erst einmal orientieren. Und das ist auch meine Taktik. Andersrum wäre ich Gefahr gelaufen, viel Zeit und Energie in etwas zu investieren, was ich im Endeffekt dann gar nicht anwenden kann. Das hätte viel Geld gekostet und das Team gestresst.

LAOLA1: Das heißt, dass du zwar optimistisch bist, aber noch nicht zu große Töne spucken willst?

Arch: Wir sind noch nie geflogen, wenn alle den gleichen Motor hatten. Das heißt, du hast nie gewusst, ob es Aeordynamik, Motor oder Können ist. Nun fällt dir ein Faktor weg. Jetzt musst du dir halt anschauen, wie sich die Kräfteverhältnisse verschieben. Dann werden wir sehen, wo wir stehen und wo wir nachbessern müssen. Aber: Aeordynamik entwickelst du nicht in einem halben Tag. Das kostet sehr viel Kohle und Air Race ist noch nicht dort, wo Unsummen gezahlt werden. Da hast du keine zehn Aerodynamiker, die dir bei der Entwicklung helfen. Aber es wird zwangsläufig in diese Richtung gehen.

LAOLA1: Wenn es darum geht, für Inputs auf andere Bereiche zu schielen, wo schielst du hin?

Arch: Da gibt es verschiedene. Das eine ist wie gesagt Aerodynamik, das andere ist Elektronik oder Motorensteuerung. Im Augenblick bedienen wir den Motor manuell, aber in Zukunft könnte das auch ein Computer machen.

LAOLA1: Sprich: Hierbei ist das Reglement noch nicht so strikt?

Arch: Noch nicht (grinst). Aber mal abwarten. Wir müssen eben erst ausloten, wie die neuen Regeln funktionieren. Die Organisation wird dann registrieren, wie wir reagieren, um dann wieder neue Regeln zu machen. Das ist wie in jedem Sport. Dieses Spiel fängt jetzt eben an.

LAOLA1: Von der Formel 1 wissen wir, dass viel von der Entwicklungsarbeit letztlich der Automobil-Industrie zugute kommt. Ist es denkbar, dass das Air Race für die Luftfahrt eine ähnliche Rolle einnimmt?

Arch: Ich glaube für die Luftfahrt generell nicht, weil der Unterschied von einem Verkehrsflugzeug zu einem Rennflieger einfach wie Tag und Nacht ist. Egal, ob es um Größe, Power oder Aerodynamik geht. Da sind sich ein Formel-1-Bolide und ein Golf GTI einfach viel ähnlicher. Zudem fliegt auch nicht jeder 15-Jährige einen Sportflieger. Von daher ist auch gar nicht der Markt dazu da. So gesehen werden es eher wir sein, die von anderen Metiers profitieren, weil wir am Anfang der Entwicklung stehen. Was wiederum nichts Negatives ist. Im Gegenteil: Das ist super! Das ist wie die Formel 1 vor 50 Jahren, wo halt weniger Politik und Kohle sondern mehr der Pilot und das Bemühen eine Rolle spielen. Ein wenig so wie im Film „Rush“ (lacht).

LAOLA1: Inwiefern genau ist das Air Race sicherer geworden?

Arch: Durch die höheren Pylonen hast du mehr Spielraum, falls du einen Fehler machst. Ein anderer wichtiger Aspekt ist, dass die Messer-Flüge wegfallen. Wenn ein Flugzeug gerade fliegt, ist es am stabilsten. Wenn die Flügel aber vertikal stehen, will es eigentlich gar nicht fliegen. Das war schon immer ein Risiko-Faktor, den im Endeffekt keiner gebraucht hat. Das ist so, als würdest du von einem Abfahrer verlangen, dass er bei jedem Sprung eine Grätsche macht. Wofür? Letztlich willst du ja wissen, wer als Erster unten ist. Diese Änderung trägt nicht nur dem Sport, sondern auch der Sicherheit Rechnung.

LAOLA1: Hattest du bei einem Air Race einmal einen Moment, in dem du nicht mehr Herr der Lage warst, in dem es wirklich gefährlich war?

Arch: Ich erinnere mich an Windsor. Als ich eine Kurve noch etwas enger nehmen wollte, ist es zu einem Strömungsabriss gekommen. Der Flieger ist auf die Wasseroberfläche zugerast. Binnen weniger Bruchteile konnte ich aber noch reagieren. Das war eine Mischung aus Glück, Erfahrung und das Richtige zum richtigen Zeitpunkt machen. Wir haben es danach durchanalysiert und sind draufgekommen, dass ich zwei Zehntelsekunden Zeit hatte zu reagieren. Aber du brauchst diese Momente. Die gibt es auch in der Abfahrt oder in der Formel 1. Und in genau diesen Momenten entscheidet sich dann, ob du richtig oder fehl am Platz bist.

LAOLA1: Du hast gesagt, du „brauchst diese Momente“. Meinst du das im Sinne des Adrenalinausstoßes?

Arch: Nein, glaub mir, solche Momente will niemand von uns erleben. Auch wenn es spektakulär aussieht, will keiner von uns Piloten Risiken eingehen oder Adrenalin verspüren. Wenn wir da draußen fliegen, sind wir total ruhig. Ich habe während eines Fluges keinen aufgeregteren Puls. Ich weiß, dass sich das viele, die nichts mit Fliegen zu tun haben, anders vorstellen. Es ist vielmehr eine Anspannung und Fokussierung darauf, dass du gewinnen willst.

LAOLA1: Hast du bei dir selbst schon gemerkt, dass du in deiner Reaktionsschnelligkeit nachgelassen hast?

Arch: Das ist schwierig zu beurteilen, weil du ja subjektiv in deinem Leben drinnen steckst. Aber sicherlich bin ich nicht mehr so reaktionsschnell wie mit 25, aber wenn ich jetzt besser trainiert und vorbereitet bin, kann ich das wettmachen.

LAOLA1: Was hast du die vergangenen Jahre gemacht, als es kein Air Race gab?

Arch: Ich bin weiter zu hundert Prozent in diesem Business tätig geblieben. Ich habe die Marke Hannes Arch als ehemaliger Air Race-Weltmeister weiter verbreitet. Von daher habe ich einen Vorteil, weil ich im Sponsor-Bereich gut aufgestellt bin. Dadurch, dass ich mehr Zeit hatte, habe ich auch sehr viel trainiert.

LAOLA1: Du sprichst es schon an, dass abseits von der Arbeit im Cockpit und der Schrauberei noch mehr dazugehört. Was machst du, um für das Air Race richtig fit zu sein?

Arch: Als Air Race-Pilot musst du speziell im Bereich der Rumpfmuskulatur extrem stark trainiert sein. Ich persönlich gehe in kein Fitness-Studio, sondern Klettern. Auch weil ich zehn Jahre lang leistungsmäßig geklettert bin. Vor 25 Jahren bin ich Schwierigkeitsgrade von 10+ geklettert, habe damals den ersten Weltcup in Wien gesetzt. In Alaska habe ich Erstbegehungen gemacht. Mit 19 Jahren bin ich den Capitan geklettert, von daher ist das mein Leben. Ich weiß, was mir das auch mental bringt, dieses Fokussieren können. Für die Ausdauer gehe ich zudem gerne Ski-Touren. Das ist super um abzuschalten, um wegzukommen von dem ganzen Medienrummel. Damit du wieder weißt, was du eigentlich willst.

Das Interview führte Reinhold Pühringer